Die Europäische Kommission hat beschlossen, die überfällige Überarbeitung der viel kritisierten Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung (VDS) zu verschieben. Die Verpflichtung für die Provider, sämtliche Daten über den Telefon- und Internetverkehr ihrer Kunden für die Sicherheitsbehörden zu speichern, bleibt also bis auf weiteres unverändert aufrecht - einen konkreten Zeitplan zur weiteren Vorgangsweise gibt es nicht, wie aus einem Bericht der Bürgerrechtsorganisation Statewatch hervorgeht.
Privatssphäre
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Man will die Einführung des neue Datenschutzregimes, das im Zuge der Datenschutz-Grundverordnung der EU eingeführt werden soll, abwarten, so heißt es, auch weil die VDS-Richtlinie1 mit einer Bestimmung der e-Privacy-Richtlinie2 in Konflikt steht. Denn die e-Privacy-Richtlinie erlaubt gemäß Artikel 15 unter bestimmten Bedingungen die Speicherung von Verkehrsdaten und "während einer begrenzten Zeit".

Rechtfertigungsprobleme bleiben bestehen

Die Kommission hatte schon mit der Erstellung der vorgeschriebenen Folgenabschätzung (Impact Assessment) zur VDS-Richtlinie ihre liebe Not. Ein so starker Eingriff in die Grundrechte der Bürger, wie er mit der flächendeckenden und anlasslosen Speicherung der Verkehrsdaten einhergeht, bedarf des Nachweises, dass diese Maßnahme auch notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist.

Diesen Nachweis konnte die Kommission bis dato nicht liefern. Obwohl die zuständige Kommissarin Malmström händeringend um Unterstützung bei den Mitgliedsstaaten angesucht hatte, lieferte auch diese keine Daten, die den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung belegt hätten. Im Gegenteil, 16 der 27 Mitgliedsstaaten übermittelten Malmström überhaupt keine Angaben über die Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung in ihrem Land.

Lösungsversuche auf EU-Ebene werden vertagt

Nun wird also die Lösung des Problems mit der Vorratsdatenspeicherung weiter aufgeschoben. Währenddessen geht der Streit um den - laut Europäischem Datenschutzbeauftragten - größten Eingriff in die Privatsphäre, der je von der Europäischen Union vorgenommen wurde, auch in den Mitgliedsstaaten weiter.

In mehreren Ländern haben die Verfassungsgerichte die Maßnahme für verfassungswidrig erklärt (Deutschland, Bulgarien, Rumänien, Tschechien), um die Wiedereinführung wird eifrig gestrittenen. Andernorts stehen die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen noch aus (etwa in Österreich, wo insgesamt drei Verfassungsklagen eingereicht wurden, oder in Irland, wo die Frage gar an den EuGH verwiesen wurde).

Auch Mitgliedsstaaten zeigen keinen Reformwillen

Trotzdem machen die Mitgliedsstaaten keine Anstalten, eine ernstzunehmende Reform auf EU-Ebene zu unterstützen, geschweige denn sich für einen besseren Schutz der Grundrechte oder gar eine Aufhebung der Richtlinie einzusetzen. Auch die österreichische Regierung macht hier keine Ausnahme:

So haben sich beispielsweise mehr als 106.000 Bürger im Rahmen einer Bürgerinitiative dafür ausgesprochen, dass sich die österreichische Regierung auf EU-Ebene für die Aufhebung der VDS-Richtlinie einsetzt. In ihrer "Stellungnahme" ignorierten Innenministerin Mikl-Leitner und Justizministerin Karl (beide ÖVP) diese Forderung völlig und zeigten sich nicht einmal auf dem Papier willens, auf die Anliegen der Bürger zu einzugehen. [unwatched / Statewatch]

  • 1. Richtlinie 2006/24/EG vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden
  • 2. Richtlinie 2002/58/EG vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)