Beim Diabetes vom Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der die eigene Körperabwehr die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Der Typ-1-Diabetes tritt schon in der Kindheit auf, die Betroffenen müssen sich für den Rest ihres Lebens Insulin spritzen - geheilt werden können sie nicht. Immunologen aus den USA haben jetzt eine Immuntherapie entwickelt, mit der sie zumindest diabeteskranke Mäuse dauerhaft heilen konnten.

Die Versuchsmäuse in Roland Tischs Labor sind unheilbar krank: Sie leiden an Typ-1-Diabetes. Bei den Mäusen verläuft die Krankheit fast genauso wie beim Menschen. Ihr Immunsystem attackiert die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse - die Zellen also, die Insulin produzieren. Ohne Insulin können die Mäuse keinen Zucker mehr abbauen.
"Die Folgen sind praktisch die gleichen wie beim Menschen: Sie sehen zum Beispiel immer schlechter, verlieren viel Gewicht - und wenn sie nicht mit Insulin behandelt werden, sterben sie."
Doch kurz, nachdem die Krankheit bei den Versuchsmäusen ausgebrochen ist, haben sie zwei Spritzen bekommen - im Abstand von drei Tagen.
"Wir wollten wissen: Können wir den Diabetes bei den Mäusen wieder rückgängig machen? Und die Antwort ist: Ja."
Die Forscher von der Universität von North Carolina in Chapel Hill hatten den Mäusen spezielle Antikörper injiziert. Die Antikörper machen genau die Abwehrzellen des Immunsystems unschädlich, die sonst die insulinproduzierenden Betazellen attackieren.
"Bei manchen Tieren haben sich die Blutzuckerwerte schon nach zwei Tagen normalisiert, die meisten waren den Diabetes nach sechs Tagen los. Wir haben die Mäuse noch monatelang beobachtet, manche länger als ein Jahr. Die Tiere waren geheilt - für den Rest ihres Lebens."
Eine Immuntherapie gegen Diabetes - das ist eigentlich nichts Neues. Die Methode wird sogar schon an Menschen getestet. Auch sie bekommen Antikörper gespritzt, die die Immunzellen, die in der Bauchspeicheldrüse wüten, unschädlich machen sollen. Das funktioniert auch bis zu einem gewissen Grad. Aber:
"Ein großer Nachteil dieser Antikörper ist: Sie sorgen dafür, dass alle Abwehrzellen des Immunsystems zerstört werden - zumindest für eine gewisse Zeit. Wenn es sich dabei um Zellen handelt, die Betazellen angreifen, ist das natürlich gut. Doch es werden auch Abwehrzellen zerstört, die den Körper vor Viren und Bakterien, also vor Infektionen schützen."
Ganz anders die Antikörper, die die Forscher in Chapel Hill eingesetzt haben.
"Unsere Antikörper binden zwar auch an alle T-Zellen, aber es werden eben nicht alle zerstört. Interessanterweise werden nur T-Zellen zerstört, die in der Bauchspeicheldrüse wüten. T-Zellen im Blut zum Beispiel bleiben unberührt. Die Mäuse können sich weiter gegen Viren zur Wehr setzen."
Warum letzten Endes nur die T-Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört werden, wissen die Forscher noch nicht genau. Die Therapie funktioniert auch nur, wenn die Mäuse ganz frisch an Diabetes erkrankt sind. Wenn schon zu viele Betazellen vernichtet sind, kann sich die Bauchspeicheldrüse nicht mehr erholen.
"Unser Ziel ist es natürlich, solche Antikörper auch am Menschen zu testen. Die Antikörper, die wir in dieser Studie eingesetzt haben, sind Mausantikörper, die auch nur an Maus-T-Zellen binden. Wir sind gerade dabei, das menschliche Pendant dazu zu entwickeln."
Den menschlichen Antikörper müssten die Forscher auf Herz und Nieren prüfen. Dafür, sagt Roland Tisch, würden sie ihn zuallererst wieder in Versuchsmäuse spritzen - diesmal in Mäuse mit einem menschlichen Immunsystem.