Bei der Erstürmung des amerikanischen Konsulats im libyschen Benghasi sind der Botschafter und drei seiner Mitarbeiter getötet worden. Auch in Kairo wurde die amerikanische Botschaft angegriffen. Das Pentagon entsandte eine Anti-Terror-Einheit nach Libyen.
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© ReutersDas amerikanische Konsulat in Benghasi steht nach der Attacke in Flammen.
Libyen - Nach dem Tod des amerikanischen Botschafters in Libyen, Christopher Stevens, und drei seiner Mitarbeiter in der ostlibyschen Stadt Benghasi hat Präsident Barack Obama die Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen an diplomatischen Missionen der Vereinigten Staaten in aller Welt angeordnet.

Das Pentagon schickte eine Pentagon eine Anti-Terror-Einheit des Marinekorps in das nordafrikanische Land. Die Einheit umfasst rund 50 Soldaten und soll die diplomatischen Vertretungen Washingtons in Libyen schützen helfen.

Präsident Obama verurteilte den Mord an den Regierungsmitarbeitern „aufs Schärfste“, sprach den Angehörigen der Toten sein Mitgefühl aus und lobte den Einsatz der getöteten Diplomaten „für Freiheit, Gerechtigkeit uns Partnerschaft“. Weiter hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses: „Zwar verurteilen die Vereinigten Staaten Handlungen, welche die religiösen Gefühle anderer verletzen, doch müssen wir alle unzweideutig dieser sinnlosen Gewalt entgegentreten, die zum Tod dieser Beamten geführt hat.“ In einer Stellungnahme des Außenministeriums hieß es, bei dem Angriff auf das Konsulat in Benghasi sei neben Botschafter Stevens der Informatiker Sean Smith getötet worden. Die Namen der beiden weiteren Beamten wurden zunächst nicht genannt, weil deren Angehörige noch nicht benachrichtigt werden konnten.

Romney kritisiert Obama

Über die Umstände des Todes der Diplomaten gab es zunächst keine offiziellen Angaben. Nach Medienberichten wurde der Wagen des Botschafters mit Panzerabwehrwaffen und Sturmgewehren angegriffen, als die Diplomaten das von radikalen Islamisten angegriffene Konsulatsgebäude verließen, um sich in Sicherheit zu bringen. Zunächst hatte es geheißen, der Botschafter und seine Mitarbeiter seien in dem in Brand gesteckten Gebäude einer Rauchvergiftung erlegen. Der libysche Übergangspräsident Muhammad Magaryaf kündigte in Tripolis an, die Verantwortlichen für den „feigen Angriff“ zur Rechenschaft zu ziehen. Libyen werde weiter enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten pflegen, bekräftigte er. „Wir entschuldigen uns bei Amerika, dem amerikanischen Volk und der ganzen Welt“, sagte Magaryaf.

Botschafter Stevens war ein Karrierediplomat, der seit 21 Jahren im Dienst des amerikanischen Außenministeriums stand. Er sprach fließend Arabisch und Französisch und war Libyen und dem libyschen Volk eng verbunden. Ehe er im Mai als neuer Botschafter vereidigt wurde, hatte er als Vertreter Washingtons die Arbeit des Nationalen Übergangsrates nach dem Sturz des Diktators Muammar al Gaddafi beobachtet. Während des Konflikts in Libyen war Christopher Stevens einer der ersten Amerikaner, der sich in die befreite Stadt Benghasi begab. „Er riskierte sein eigenes Leben, um dem libyschen Volk dabei zu helfen, den Grundstein für eine neue, freie Nation zu legen“, heißt es in einer Mitteilung von Außenministerin Hillary Clinton. „Seither hat er sich jeden Tag dafür eingesetzt, das damals begonnene Werk zu vollenden.“

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte sich, noch bevor der Mord an Botschafter Stevens bekannt wurde, erzürnt über die Angriffe in Benghasi und Kairo geäußert: „Es ist schändlich, dass die erste Reaktion der Obama-Regierung keine Verurteilung der Angriffe auf unsere diplomatischen Vertretungen war, sondern ein Ausdruck der Sympathie mit denen, die für die Angriffe verantwortlich sind.“ Der Sprecher des Wahlkampfstabs von Präsident Obama sagte, der „tragische Tod unserer Diplomaten darf nicht zum Anlass für politische Angriffe werden“.

Angriffe auch in Kairo

Anlass der islamistischen Angriffe in Benghasi und zuvor von Unruhen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war die Veröffentlichung eines in den Vereinigten Staaten produzierten Videos im Internet, das den Propheten Mohammed in einer Weise darstellt, die von Muslimen als beleidigend empfunden wurde. Wegen der Unruhen hatte die diplomatische Vertretung der Vereinigten Staaten in Kairo alle Amerikaner aufgerufen, die Innenstadt der ägyptischen Hauptstadt zu meiden. Bei dem Angriff auf das Konsulat in Benghasi, das offenbar mit den Protesten in Kairo in Verbindung stand, zogen sich die libyschen Sicherheitskräfte, deren Aufgabe der Schutz der diplomatischen Vertretung gewesen wäre, zurück, als Unbekannte das Feuer eröffneten. Angreifer stürmten das Gelände, warfen Spreng- und Brandsätze, Plünderer trugen Möbel und Geräte davon.

In Kairo waren die Sicherheitsvorkehrungen vor der amerikanischen Botschaft in den vergangenen Wochen gelockert worden, da sich das Verhältnis Washingtons zum neuen ägyptischen Präsidenten Muhammad Mursi verbessert hatte. Doch die Ankündigung des umstrittenen Priesters Terry Jones aus Florida, am elften Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 in seiner Gemeinde einen Film über das Leben Mohammeds zu zeigen, brachte konservative Muslime abermals gegen Amerika auf. Der aus der islamistischen Muslimbruderschaft stammende Mursi äußerte sich bis zum späten Mittwochnachmittag nicht zu dem Vorfall, was Aktivisten aus dem liberalen Lager kritisierten. Das ägyptische Außenministerium betonte die Notwendigkeit, die Botschaften fremder Staaten und in Ägypten lebende Ausländer zu schützen.

Ägyptische Medien hatten seit Tagen über den Film mit dem Titel Die Unschuld der Muslime berichtet. Ein Sprecher der Muslimbruderschaft kündigte für Freitag Proteste an. Die Vereinigten Staaten forderte er zu einer förmlichen Entschuldigung auf; „Verrückte“ müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Knapp eine Viertelstunde des von dem israelisch-amerikanischen Bauentwicklers Sam Bacile aus Kalifornien gedrehten und produzierten Films ist seit Juli im Internet zu sehen. Der Zeitung Wall Street Journal sagte Bacile, etwa 100 jüdische Spender hätten den Film mit insgesamt fünf Millionen Dollar unterstützt; auch Morris Sadek, Vorsitzender der konservativen Nationalen Amerikanischen Koptischen Versammlung, setzte sich für die zweistündige Mohammed-Satire ein.

Die im Internet zugänglichen Ausschnitte des Films zeichnen ein diffamierendes Porträt des Propheten, der als blutrünstiger Dummkopf mit unklarer Vaterschaft, als Frauenheld und Kinderschänder gezeigt wird. Das Video beginnt mit Bildern eines islamistischen Mobs, der ein koptisches Viertel in der ägyptischen Provinz angreift. Die Männer der „Islamischen Ägyptischen Polizei“ lassen sie gewähren.

Bei den Protesten in Kairo stürmten unbewaffnete Demonstranten am Dienstag das amerikanische Botschaftsgelände, rissen die amerikanische Flagge herab, zerrissen sie und hissten eine schwarze Fahne mit der arabischen Aufschrift des muslimischen Glaubensbekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet“. Die Flagge ähnelte jener, die auch vom Terrornetz Al Qaida benutzt wird. An die Wand des Botschaftsgebäudes sprühten sie am Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September den Namen des getöteten Al-Qaida-Führers Usama bin Ladin.

In einer ersten Mitteilung hatte sich die amerikanische Vertretung in Kairo noch von dem Filmemacher mit den Worten distanziert, dieser habe „das universelle Recht auf freie Rede zu missbraucht, um die religiösen Gefühle anderer zu verletzten“. In einer Erklärung des State Departments hieß es später: „Die Vereinigten Staaten verurteilen jede gezielte Bemühung, andere Glaubensrichtungen zu verunglimpfen. Aber um es ganz deutlich zu machen: Das ist niemals eine Rechtfertigung für gewaltsame Akte dieser Art.“