Die amerikanische Bundespolizei FBI hat nun offiziell damit begonnen, ein auf dem neuesten Stand der Technik stehendes Gesichtserkennungssystem aufzubauen, das ihre Bemühungen verstärken und erweitern soll, Informationen über praktisch alle und jeden Amerikaner zu sammeln und zu speichern - Kostenpunkt: eine Milliarde Dollar.

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Wie das Wissenschaftsmagazin New Scientist in der vergangenen Woche berichtete, hat das "Federal Bureau of Investigation" (FBI) große Fortschritte bei der Entwicklung seines "Identifizierungsprogramms der neuen Generation" (»Next Generation Identification Program« , NGI) gemacht und nun damit begonnen, überall im Land an ungenannter Stelle Datenspeicherzentren zu errichten. Bereits 2005 hatte das FBI erste Entwürfe dieses Programms vorgelegt und im August 2006 dann in einer Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium erläutert, das neue System stelle letztlich eine Aktualisierung des derzeitigen "Integrierten und automatisierten Fingerabdruck-Erkennungsystems" (»Integrated Automated Fingerprint Identification System, IAFIS) dar, mit dem amerikanische Staatsbürger, die bereits schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, im Auge behalten werden sollen.

»Das NGI umfasst eine ganze Reihe unterschiedlicher Initiativen, die die schon existierenden biometrischen Erkennungssysteme verbessern oder im Umfang erweitern werden«, erklärte der Projektleiter damals gegenüber dem Justizministerium und fügte hinzu, das System »wird den steigenden Anforderungen der Informationsverarbeitung und -weitergabe im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung Rechnung tragen... Dieses NGI-Programm soll terroristische und kriminelle Aktivitäten durch die Verbesserung und Ausweitung biometrischer Personenerkennung sowie der Informationsverarbeitung und -weitergabe im Zusammenhang mit dem Strafregister verringern. Dazu sollen die Forschung, die Ausbildung und die Einführung modernster Technologien in das IAFIS-Programm forciert werden«.

Das FBI betonte weiter: »Als Folge der NGI-Initiativen wird das FBI in der Lage sein, Dienstleistungen bereitzustellen, die die Zusammenarbeit und Integration zwischen Behörden aller Ebenen des Bundes, aber auch der bundesstaatlichen Ebene sowie mit ausländischen Partnern verbessern und verstärken können.« Diesen Prozess treibt die Regierung nun enorm voran, indem sie mithilfe einer Technologie, die die Erfassung und Erkennung von Fingerabdrücken wie ein Kinderspiel aussehen lässt, alle verfügbaren Bilder-Datenbanken und andere personenbezogene Informationen über alle Personen, die in ihren Archiven erfasst sind, Behörden weltweit zugänglich macht und mit diesen austauscht.

In dem Bericht an das Ministerium aus dem Jahr 2006 heißt es, das NGI-Programm »nutze fachspezifische Vorgaben aus den Bereichen Spurenabgleich, Gesichtserkennung und multimodaler Biometrie«, die »es dem FBI ermöglichen, ein Fingerabdruck-Erkennungssystem für Terroristen zu entwickeln, das mit anderen Systemen zusammenarbeiten kann, die Verfügbarkeit und den Umfang der IAFIS-Fingerabdruckarchive für Terroristen erhöht und die Möglichkeit eröffnet, Handabdruckspuren abzugleichen und zuzuordnen«.

Um mehr geht es nicht? Im Rahmen einer Veranstaltung des Biometrischen Informationszentrums des FBI erläuterte die Behörde, warum Gesichtserkennungstechnologien unbedingt einbezogen werden müssten. Diese Technologien könnten insbesondere für die »Identifizierung von Personen in öffentlichen Datenbeständen« sowie bei der »automatisierten Überwachung von Aussichtspunkten« und »der Abverfolgung von Personenbewegungen« eingesetzt werden. Das heißt aber nichts anderes, als dass es bei dem NGI-Programm um mehr als nur eine kombinierte Datensammlung aus Fahndungs- oder erkennungsdienstlichen Fotos und Fingerabdrücken geht. Das FBI räumt ja selbst ein, dass es mit dem Einsatz dieser Technologie Absichten verfolgt, die weit über die Suche nach Straftätern hinausgehen und flächendeckende Überwachungsmöglichkeiten einschließen. In seiner Gesamtheit haben wir es hier mit einem Überwachungssystem zu tun, wie man es sonst nur aus Science-Fiction-Büchern oder -Filmen kennt.

New Scientist berichtet, 2010 habe eine Untersuchung ergeben, dass das NGI-System in der Lage sei, mit einer sehr hohen Genauigkeit (von 92 Prozent) Verdächtige aus einer Datensammlung von 1,6 Millionen Fahndungsfotos herauszufiltern. Bereits zuvor in diesem Jahr wurde das System im Rahmen eines Versuchs im US-Bundesstaat Michigan erprobt, und die Genehmigung für weitere Pilotvorhaben in Washington, Florida und North Carolina ist bereits erteilt. Dem New-Scientist-Artikel zufolge wurde schon mit der flächendeckenden Einführung des Programms begonnen, und nach Angaben von FBI-Experten rechnet man damit, dass die technische, räumliche und personelle Infrastruktur 2014 in den gesamten USA einsatzbereit ist.

Vor vier Jahren hatte das FBI das Unternehmen "Lockheed Martin Transportation and Security Solutions", einen der bevorzugten Vertragspartner des Verteidigungsministeriums, mit dem Entwurf, der Entwicklung, der Erprobung und dem Einsatz des NGI-Systems beauftragt. Der frühere FBI-Mitarbeiter Thomas E. Bush III., der an der Projektentwicklung und Aufgabenformulierung von NGI beteiligt war, erklärte gegenüber der Internetseite "NextGov.com": »Man wollte in der Lage sein, diese Identifizierungs- und biometrischen Merkmale auf einfache Weise überall kombinieren und vernetzen zu können.« Wenn jetzt diese Datensammlungen praktisch ohne Aufsicht und Kontrolle zusammengeführt werden, und damit personenbezogene Daten von Millionen von Amerikanern in die Hände einiger weniger verspielter Pentagon-Mitarbeiter geraten, wirft dies allerdings massive und schwerwiegende Bürgerrechts- und Datenschutzprobleme auf.

Jim Harper, Leiter der Abteilung Informationspolitik des "Cato-Instituts", ergänzte gegenüber "NextGov", die Ermittler wollten Gesichtserkennungstechnologien mit öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerken verknüpfen, um umfassendere Profile erstellen zu können. Gesichtserkennungssysteme »gewinnen in der Verknüpfung mit Google oder Facebookan Genauigkeit, weil sie dann in der Regel über sehr viel mehr Fotos einer bestimmten Personen verfügen, während das FBI wahrscheinlich nur ein oder zwei Fahndungsfotos besitzt«, erklärte er. Wenn diese Datensammlungen dann Strafverfolgungsbehörden auf Bundes-, bundesstaatlicher oder sogar internationaler Ebene zugänglich gemacht werden, könnten personenbezogenen Daten, die von Großaufnahmen von Augen und der Iris bis hin zu Informationen über bevorzugt besuchte Internetseiten alles Mögliche enthalten können, zwischen diesen Behörden ausgetauscht und abgeglichen werden.

Das FBI geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der flächendeckenden Einführung des NGI-Systems in zwei Jahren etwa 14 Millionen Fotos erfasst sein werden. Aber angesichts der technischen Fortschritte und der neuen Verbindungen, die von den Strafverfolgungsbehörden ständig geknüpft werden, dürfte der tatsächliche Datenbestand diese Schätzungen weit übertreffen. Bereits in dieser Woche meldete "Russia Today", die Stadt Los Angeles betrachte das Fotografieren an öffentlichen Plätzen als »verdächtig« und habe die Polizei bevollmächtigt, Aktenvermerke anzulegen, sollten sie den Eindruck haben, ein Verdächtiger führe nichts Gutes im Schilde. Diese Berichte, die nicht notwendigerweise zu Verhaftungen, Straftaten, Verdächtigungen oder Verhören führen müssen, können dann gesammelt, analysiert, gespeichert und mit Bundes- und lokalen Behörden abgeglichen werden, die alle über gigantische Zentren zur Datenzusammenführung und -vervollständigung miteinander verbunden sind. Zudem ist damit zu rechnen, dass auch die Bilder der Live-Video-Überwachung aus Tausenden von Überwachungskameras im ganzen Land im Rahmen des "TrapWire"-Programms, jenes weltweiten Überwachungsprogramms, über das bereits schon berichtet wurde, an diese Datenzentren übermittelt werden.

»Gesichtserkennung wirft ganz akut Datenschutzprobleme auf, die im Zusammenhang mit Fingerabdrücken nicht auftauchen«, erklärte der demokratische Senator Al Franken aus Minnesota vor dem Unterausschuss für Datenschutz, Technologie und Recht des Senatsjustizausschusses schon früher in diesem Jahr. »Sobald man die Fingerabdrücke einer Person besitzt, ist es ein Leichtes, den dazugehörigen Namen und die entsprechenden Nutzerkonten in sozialen Netzwerken zu ermitteln. Darüber hinaus kann man die Person in der Öffentlichkeit verfolgen, kennt die Geschäfte, die sie besucht, die Regierungs- oder Verwaltungsgebäude, die sie betritt, und die Fotos, die andere Personen, mit denen man befreundet ist, von ihr ins Internet gestellt haben.«

Prof. Alessandro Acquisti von der "Carnegie-Mellon"-Universität erklärte gegenüber Senator Franken: »Die Zusammenführung und Verknüpfung von [Technologien zur] Gesichtserkennung mit sozialen Internet-Netzwerken und "Data-Mining" [mathematische Methoden, um aus gesammelten Daten Muster und Zusammenhänge abzuleiten] macht es möglich, aus allgemein zugänglichen Daten und unter Einsatz kostengünstiger Technologien ausgehend von einem unbekannten Gesicht sensitive Muster und Überlagerungen zu ermitteln... Wie viele andere Informationstechnologien auch kann Gesichtserkennung der Gesellschaft und ihren einzelnen Mitgliedern sowohl Nutzen als auch Schaden bringen. Die Kombination aus Gesichtserkennung, den Daten aus sozialen Netzwerken und "Data-Mining" kann sich negativ auf unser jetziges Verständnis von und auf unsere Erwartungen an Datenschutz und Anonymität auswirken.«

Da es sich diesen jüngsten Berichten zufolge abzeichnet, dass das NGI-Programm in Amerika bereits Gestalt annimmt, ist es möglicherweise schon zu spät, das FBI daran zu hindern, in praktisch alle Bereiche unseres privaten wie öffentlichen Lebens einzudringen. Am 18. Juli 2012 berichtete das FBI: »Das NGI-Programm hält sich, was Umfang, Zeitplan und Kosten angeht, im Rahmen und ist zu 60 Prozent einsatzbereit.«

Quelle: Russia Today