Ein großer Teil der heutigen Ökosysteme der Tiefsee ist deutlich älter als bislang vermutet. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam anhand eines Vergleichs heute noch lebender Tiefseeorganismen mit etwa 113 Millionen Jahre alten Fossilienfunden vor der Küste Floridas.
Tiefsee, Schlangenseestern
© uni-goettingen.de, B. ThuyEin heute noch in der Tiefsee lebender Schlangenseestern.
Göttingen (Deutschland) - Wie die Forscher um Ben Thuy vom Geowissenschaftlichen Zentrum an der Universität Göttingen zählen aktuell im Fachmagazin PLoS One berichten, hatte sich in den vergangenen Jahren hat sich die Ansicht durchgesetzt, die heutigen Tiefsee-Ökosysteme seien aus mehreren Umwälzungen im Zuge von Massenaussterben und globalen Veränderungen der Ozeane entstanden. Somit sollten sie - im erdgeschichtlichen Kontext - also auch vergleichsweise jung sein. Da Überreste von Organismen aus der Tiefsee jedoch nur extrem selten als Fossilien gefunden werden, war eine direkte Überprüfung dieser Annahme bisher nicht möglich.

Die nun von den Forschern entdeckten Fossilien stammen allesamt von Stachelhäutern, wie zum Beispiel Seeigeln, Seesternen und Schlangensternen, die in der heutigen Tiefsee sehr häufig und vielfältig sind, und wurden aus Tiefsee-Sedimentbohrungen geborgen.

"In diesen Proben wird üblicherweise nach den Resten von kleinen Einzellern zur Rekonstruktion von früheren Klimaverhältnissen gesucht", erläutert Thuy. "Dass darin auch Reste von größeren Meerestieren aus der Tiefsee vorkommen, war eine große Überraschung. Diese Fossilien bieten ein einmaliges und bisher völlig unbeachtetes Fenster in die Geschichte der Tiefsee."

Schlangenseestern, Fossilie, rezent
© uni-goettingen.de, B. ThuySkelettteile von Schlangensternen (oben) und Seesternen (unten), jeweils fossil und modern (rezent) im Vergleich.
Das Forscherteam aus Wissenschaftlern der Universität Göttingen, des Naturhistorischen Museums in Wien, des Naturhistoriska Riksmuseet in Stockholm, des Zentrum für Marine Umweltwissenschaften "MARUM" in Bremen und der University of Portsmouth konnte nachweisen, dass die fossilen Tiefsee-Organismen den heutigen Verwandten erstaunlich ähnlich sind.

Aus dieser Feststellung schließen die Forscher, dass es bereits viel früher als bisher angenommen moderne Ökosysteme in der Tiefsee gab. Dies lässt vermuten, dass die Tiefsee weniger anfällig für Massenaussterben und Veränderungen globalen Ausmaßes (wie zum Beispiel Klimaveränderungen) ist als die flacheren Meeresgebiete. "Selbst bei den letzten großen Umwälzungen der Ozeane in der Kreidezeit und im späteren Paläozän muss es Rückzugsgebiete innerhalb der Tiefsee gegeben haben, wo die Organismen sich halten konnten", so Thuy.

Die Frage, welche Wesen also noch in ihren Tiefen entdeckt werden können, bleibt also weiterhin spannend.

Quelle: uni-goettingen.de