Ich vertrete seit Langem die Meinung, dass die Euro-Zone auseinanderbrechen werde. Geschichtlich gesehen ist bisher jede Währungsunion gescheitert, die nicht mit einer politischen Union verbunden war.
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Und in meinem Aufsatz »It’s Just Impossible«schrieb ich:
  1. Die Bundesbank erklärte, vor einer Fiskalunion sollte es keine Bankenunion geben.
  2. Angela Merkel sagte, ohne politische Union sollte es keine Fiskalunion geben.
  3. Der französische Staatspräsident François Hollande ist der Überzeugung, erst nach einer Bankenunion sollte es zu einer politischen Union kommen.
  4. Das deutsche Verfassungsgericht entschied, ohne einen Volksentscheid in Deutschland seien sowohl eine politische Union als auch eine Fiskalunion und eine Bankenunion unzulässig
Mathematisch ausgedrückt

Auch aus mathematischer Sicht vermag ich nicht zu erkennen, wie die Euro-Zone überleben könnte. Besonders in dieser Hinsicht ist es lohnend, sich mit Punkt 9 des »Long-Term Outlook for China, Europe, and the World; 12 Predictions« von Michael Pettis auseinanderzusetzen:
»9. Zerstörerische europäische Politik

Die europäische Politik gestaltet sich zunehmend schwieriger und zerstörerischer. Die historischen Beispiele liegen auf der Hand. Während einer Schuldenkrise zersplittert das politische System, und es kommt immer häufiger zu gravierenden Streitigkeiten. Wenn die großen Parteien sich nicht radikalisieren, werden sie an kleinere radikale Parteien Stimmen verlieren.

Man muss sich ins Gedächtnis rufen, dass der Prozess der Anpassung ein politischer Prozess ist. Uns allen ist klar, dass jemand für diese massiven Anpassungsmaßnahmen, denen sich Länder wie Spanien derzeit unterziehen müssen, wird bezahlen müssen. Die einzige interessante Frage lautet daher, wer wird die Hauptlast schultern - die Arbeiter und Arbeitnehmer in Form von Arbeitslosigkeit, die Mittelschicht in Form verlorener Ersparnisse, kleinere Unternehmen in Form von Steuern, Großunternehmen über Steuern und Verstaatlichungen, ausländische Investoren oder Gläubiger.

Die Entscheidung darüber, wer die Last zu tragen hat, fällt in einem politischen Prozess, und da so viel auf dem Spiel steht, wird es zu bitteren und heftigen Auseinandersetzungen kommen. Dies bedeutet unteranderem, die Politik wird rasch verkommener werden, und es scheint klar, wenn sich Europa nicht im nächsten oder in den beiden kommenden Jahren zu einer Fiskalunion entwickelt, wird es nie dazu kommen. Diese Schlussfolgerung bildet auch die Grundlage meiner nächsten Vorhersage.«
Diese Prognose stammt von Michael Pettis, und ich stimme ihm hierin völlig zu.

Aber was, wenn ich mich irre?

Kann sich die Politik gegenüber der Mathematik und der Geschichte durchsetzen?

Was würde geschehen, wenn die Euro-Zone trotz aller Probleme intakt bliebe? Daniel Hannan ist Autor und Journalist und vertritt seit 1999 als konservativer Abgeordneter Südostengland im Europaparlament. In der britischen Tageszeitung The Telegraph vertrat er in dem Artikel »Spain teeters on the brink« (»Spanien taumelt am Rande des Abgrunds«) einen interessanten Standpunkt:
»Ganz plötzlich spricht man vom Zusammenbruch nicht nur der Einheitswährung, sondern des gesamten parlamentarischen Systems, auf dem es beruht. In ganz Europa zeigen sich Kommentatoren besorgt, [das moderne] Spanien, das sich vor weniger als 40 Jahren aus der Diktatur [Francos] erhob, könnte seine auf seine Parteienvielfalt gestützte Politik aufgeben.

Jedes Mal, wenn neue Zahlen veröffentlicht werden, fallen sie schlechter aus als beim letzten Mal. Das Haushaltsdefizit ist höher als angenommen. Ein Rettungspaket beispiellosen Ausmaßes scheint unvermeidlich, obwohl der Ministerpräsident seinen Landsleuten immer wieder versichert, er werde ›nicht unter den Rettungsschirm flüchten‹. (Fast das Gleiche hatte er schon behauptet, bevor er das letzte Mal Hilfsgelder beantragte.)

Hunderttausende von Menschen demonstrieren, und es kommt zu gewalttätigen Ausschreitungen...

Die wirkliche Tragödie des Euro besteht nicht darin, dass er einmal wie der Drache Smaug auf die Stadt Esgaroth [in J.R.R. Tolkiens Buch Der Hobbit] auf das Finanzsystem niederstürzen und es in einem Funkenregen in Schutt und Asche legen könnte. Sie besteht eher darin, dass die Währungsunion geschwächt und praktisch kaum handlungsfähig überlebte, was Hunderte von Millionen Menschen einer schrittweisen Verelendung aussetzen würde.

Ich versuche immer noch, so behutsam, wie es mir möglich ist, darauf hinzuweisen, dass es eine Alternative zu der vom Euro erzwungenen Rettungspaket-Abzocke gibt. Ich habe dies auch wieder im Rahmen der letzten Parlamentssitzung zum Ausdruck gebracht...

Das Problem besteht darin, dass sich die Spanier zwar durchaus der Absurdität bewusst sind, Sparmaßnahmen durchzusetzen, während sie gleichzeitig die Banken retten, aber vor der logischen Schlussfolgerung zurückschrecken, dass das Verlassen der Euro-Zone derzeit nicht die schlechteste Lösung darstellt.

Die wirkliche Bedrohung der spanischen Demokratie kommt nicht von innen, sondern von außen; es droht kein Aufruf zur Revolution, sondern die Einsetzung einer Junta durch Brüssel, wie es in Italien bereits geschehen ist. Der Prokonsul der EU in Rom, Mario Monti, deutete gestern an, er werde sich für eine zweite Amtszeit bewerben. Seltsam, ich erinnere mich nicht daran, dass er sich für seine erste Amtszeit beworben hätte.«
Traurige Wirklichkeit

Die traurige Wahrheit sieht leider so aus, dass Spanien und Italien wie Griechenland noch lange in ihrem jetzigen Zustand herumkrebsen könnten und diese Länder dabei zerstört würden.

In diesem Zusammenhang verweise ich noch einmal auf das, was ich am 23. September in meinem Artikel »Firebombs, Teargas, Riots Near Greek Parliament; 57% Say Greece Should Abandon Pledges Made to Troika« geschrieben habe:
»Die Stimmung wechselt

Die Stimmung in Griechenland ist umgeschlagen - und möglicherweise zum Besseren. 57 Prozent der Griechen haben genug von der Sparpolitik, und zwar in einem Maße, dass sie eher [einen Ausstieg aus der Euro-Zone und damit] einen Staatsbankrott in Kauf nehmen würden.

Drehen wir das Rad der Zeit ein wenig zurück und denken einmal darüber nach, was wohl geschehen wäre, wenn Griechenland vor drei Jahren einfach die Euro-Zone verlassen hätte, was es auch hätte tun sollen. Die Tourismusbranche hätte wahrscheinlich zugelegt, und wenn Griechenland strukturelle Reformen statt Steuererhöhungen durchgesetzt hätte, wäre die Wirtschaftslage heute stabil oder würde sich erholen.

Stattdessen steht das Land heute vor dem Ruin, der Tourismus ist eingebrochen und in immer neuen Schüben bricht sich allgemeines Chaos seine Bahn.

Weitere Sparprogramme und Steuererhöhungen werden die Lage in der gegenwärtigen Situation nur noch weiter verschlimmern, und die Bevölkerung weiß das auch. Daher wird der öffentliche Druck auf die politischen Parteien wachsen, [dem derzeitigen Ministerpräsidenten Andonis] Samaras nicht mehr zu folgen.

Sollte es erneut zu allgemeinen Wahlen kommen, würde Samaras auf keinen Fall wieder die Mehrheit gewinnen. Stattdessen würden sich die radikale Linke und die radikale Rechte (die beide für einen Austritt aus der Euro-Zone sind) um seine Wähler streiten.

Für diesen traurigen Zustand tragen die rücksichtslosen Bevormunder aus Brüssel und Kanzlerin Merkel die Verantwortung.

Diese rücksichtslosen Bevormunder und Merkel fürchten letztlich nicht so sehr, dass Griechenland die Euro-Zone verlassen könnte, sondern dass sich die griechische Wirtschaft danach erholen würde.

Und so sollte die Lösung aussehen, und das habe ich schon vor Jahren vorgeschlagen: Je schneller sich Griechenland aus der Euro-Zone verabschiedet und die Troika zur Hölle schickt und dann den Staatsbankrott erklärt, desto besser wird es dem Land gehen.«
Immer noch auf dem falschen Dampfer

Spanien, Griechenland, Portugal und Italien halten immer noch an ihrer falschen Politik fest. Dabei müssten sie nur Reformen durchsetzen und die Steuern senken, das würde reichen. Stattdessen sind diese Länder meilenweit davon entfernt, ihre [gesamtwirtschaftliche] Produktivität zu erhöhen sowie das Rentensystem und den Arbeitsmarkt zu reformieren, aber Steuererhöhungen kriegen sie sofort hin.

Kein Wunder, dass ihre Volkswirtschaften zusammenbrechen und die Proteste immer lauter werden. Aber die politische Klasse, die sich vor allem den Banken und dem IWF verbunden und verpflichtet fühlt, hält an ihrem verqueren Kurs fest.

Letzten Endes glaube ich nicht, dass ich mich irren werde.

Und damit scheint Daniel Hannan mit seiner im Telegraph geäußerten Einschätzung richtig zu liegen: »[Die Tragödie] besteht eher darin, dass die Währungsunion geschwächt und praktisch kaum handlungsfähig überlebt, was Hunderte von Millionen Menschen einer schrittweisen Verelendung aussetzen würde.«