Einen Hurrikan wie "Sandy" wird es in Deutschland nicht geben, doch Extremwetterlagen sind auch hier möglich - und sie nehmen in den kommenden Jahrzehnten stark zu. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe setzt auf die Eigenverantwortung der Bürger. Jeder sollte sich selbst schützen können. Aber wie?
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© picture alliance / dpaOrkan "Kyrill" richtete 2007 massive Schäden an. Wie sieht der geeignete Schutz aus?
Ein Hurrikan wie "Sandy" ist in Deutschland nicht denkbar. Doch auch der Orkan "Kyrill", der 2007 über die Republik fegte, hatte es in sich. Und Forschungen haben ergeben: Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Hitzewellen werden in Deutschland und Europa zunehmen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor immer mehr "extremen Wetterphänomenen".

Die Anzahl der Sommertage, an denen die Tageshöchsttemperatur 25 Grad oder mehr erreiche, soll sich demnach bis Ende des Jahrhunderts verdoppeln. "Fast jeder vierte Tag des Jahres wäre dann ein Sommertag", sagt DWD-Vizepräsident Paul Becker. In Küstenregionen werde sich die Zahl der Starkniederschläge bis 2100 voraussichtlich verdoppeln, prognostiziert er. "Wir müssen mit deutlich mehr Schäden durch Überschwemmungen rechnen, wenn wir uns nicht rechtzeitig vorbereiten", so die Warnung des Meteorologen.

Feuerwehr kann nicht überall sein

Doch Wetterkatastrophen sind hierzulande nach Ansicht von Klimaexperten eine unterschätzte Gefahr; die entsprechende Vorbereitung gilt als Schwachstelle. "Die Bevölkerung will sich mit der Problematik nicht befassen", sagt Christoph Unger, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK).

Wenn es um den Schutz vor Extremwetterereignissen geht, sieht Unger nicht zuletzt die Bürger in der Pflicht. "Wir müssen die Bevölkerung dazu bringen, sich selbst helfen zu können", sagt Unger gegenüber n-tv.de. "Die Menschen müssen selbst Verantwortung übernehmen, sie können nicht alles auf den Staat oder staatliche Institutionen abwälzen. Bei solchen Krisenlagen kann die Feuerwehr, um nur ein Beispiel zu nennen, nicht überall schnell und gleichzeitig sein. Ein jeder muss Maßnahmen zum eigenen Schutz ergreifen."

Vorräte, Medikamente und Batterien

Konkret heißt das Folgendes: Wird vor einem Orkan nach Art von "Kyrill" gewarnt, sind die Bürger zunächst einmal aufgefordert, ihre Häuser sturmfest zu machen. Da damit zu rechnen ist, dass Bäume umbrechen und womöglich auch Strommasten abknicken, sind weitere Vorbereitungen nötig: "Aus unserer Sicht", so Unger, "besteht die Notwendigkeit, einen gewissen Vorrat anzulegen. Sie sollten Lebensmittel und Wasser zu Hause haben. Wenn Sie tagtäglich Medikamente brauchen, müssen Sie natürlich auch diese vorhalten."


Kommentar: Viele Krankenkassen sind in den letzten Jahren eher darauf bedacht, Kranke Menschen nur zu versorgen. Vorräte anzulegen ist dabei nicht angedacht.


Damit nicht genug. Wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft, und auch das gilt es für den Katastrophenfall zu bedenken: "Wenn Sie plötzlich keinen Handyempfang mehr haben, Fernseher und Computer wegen Stromausfall nicht mehr laufen, müssen Sie", sagt Unger, "Alternativen parat haben, so zum Beispiel ein batteriebetriebenes Radio."

Evakuierungen auf dem Übungsplan

Doch auch auf kommunaler Ebene sieht der BBK-Präsident angesichts der neuen, durch Wetter und Klima gestellten Herausforderungen Handlungsbedarf: Die Kommunen müssten stärker auf Notfälle vorbereitet sein, bei denen eine Evakuierung notwendig ist. "Wenn wir jetzt sehen, dass es verstärkt zu Extremwetterereignissen kommen kann, eine Sturmflut etwa, die großräumige Evakuierungen erfordern würde, dann müssen wir das mal üben und konzeptionell vorbereiten."
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© picture alliance / dpaAuch diese abgeknickten Strommasten gingen auf das Konto von "Kyrill". In solchen Fällen ist es gut, ein batteriebetriebenes Radio zu Hause zu haben.
Auch ist das Warnsystem in Deutschland derzeit nicht optimal. Es ist darauf ausgerichtet, das Land vor Raketen oder anfliegenden Flugzeugen zu schützen. Nun soll es für Regionalkatastrophen nutzbar gemacht werden. Dann kann es die Bürger in einzelnen betroffenen Gegenden warnen und informieren. "Dafür müssen wir das System mit den Ländern und der kommunalen Ebene technisch erweitern, ausbauen, aufbauen und", so Unger, "viel Geld investieren."

Fortentwicklung statt Defizite

Von Defiziten mag Unger nicht sprechen. "Wir haben in Deutschland ein leistungsfähiges Bevölkerungsschutzsystem", betont er. "Jetzt müssen wir neuen Entwicklungen nachkommen." Und das gelte auch für jeden einzelnen: "Wichtig ist, sich der Risiken bewusst zu werden und zu überlegen, was das für einen selbst konkret bedeuten kann. Und dann muss man die entsprechenden Maßnahmen ergreifen."

Eines jedoch weiß Unger aus Erfahrung: Wie wichtig solche Vorbereitungen sind, wird den Menschen meist erst dann deutlich, wenn es zu einem bestimmten Ereignis kommt. Dann allerdings kann es schon zu spät sein.

Quelle: n-tv.de, mit dpa