Erst am Donnerstag hat auch Russland eine Niederlage Assads nicht mehr ausgeschlossen. Nun wird relativiert.

Die Tage von Syriens Machthaber Bashar al-Assad sind gezählt - zumindest nach Meinung von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Der Kollaps der syrischen Regierung "ist nur eine Frage der Zeit", sagte Rasmussen am Donnerstag in Brüssel. Assad solle nun einen Wandel vorbereiten, der den "gerechtfertigten Bestrebungen des syrischen Volks" entspreche. Rasmussen forderte die Regierung auf, die Gewalt in dem umkämpften Land zu beenden.

Ähnlich sehen das auch die USA. "Wir glauben, dass die Tage von Assads Regime gezählt sind", sagte am Donnerstag Victoria Nuland, Sprecherin im US-Außenministerium. Zwar könne niemand die Zukunft voraussehen. Aber die Opposition habe in letzter Zeit entscheidende Erfolge erzielt. Das Regime in Damaskus greife in letzter Verzweiflung immer mehr zur Gewalt gegen das eigene Volk.

Rasmussen verurteilte den Einsatz von Scud-Raketen, den die USA und die Rebellen der Regierung vorwarfen. Dieser zeige eine "völlige Missachtung für das Leben" der Bürger. Das Außenministerium in Damaskus stritt den Raketeneinsatz hingegen "kategorisch" ab, wie der staatliche Fernsehsender al-Ichbariya berichtete. Ein US-Regierungssprecher hatte den Vorwurf in der Nacht zum Donnerstag erhoben. Ein desertierter Offizier der Armee bestätigte zudem der Nachrichtenagentur AFP, dass seine Einheit mehrere Scuds in Richtung der von Aufständischen besetzten Regionen abgefeuert habe.

Russland: "Man muss den Fakten ins Augen schauen"

Auch Russland hat am Donnerstag nicht ausgeschlossen, dass die Opposition in Syrien den Konflikt für sich entscheiden wird. "Man muss den Fakten ins Auge schauen. Das Regime und die Regierung in Syrien verlieren an Kontrolle und mehr und mehr an Boden", sagte der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow. "Bedauerlicherweise kann ein Sieg der syrischen Opposition nicht ausgeschlossen werden." Am Freitag wurde allerdings wieder relativiert: Die russische Position habe sich nicht geändert, hieß es aus dem Außenministerium. Michail Bogdanow habe lediglich den bekannten Standpunkt wiederholt, Russland wolle weiterhin eine Einigung auf Basis der Genfer Vereinbarung, wonach der Konflikt durch Gespräche unter Beteiligung aller Parteien beizulegen sei.

Russland ist einer der letzten verbliebenen Verbündeten von Präsident Bashar al-Assad. Im UN-Sicherheitsrat blockieren die Veto-Mächte Russland und China bisher ein entschiedenes konzertiertes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft. Der Konflikt begann im März vergangenen Jahres. Bei Kämpfen zwischen Aufständischen und Soldaten der Regierung sind seitdem schätzungsweise mehr als 40.000 Menschen getötet worden.

Keine ausländische Intervention notwendig

Eine Intervention ausländischer Kräfte im syrischen Bürgerkrieg ist nach den Worten des neuen Oppositionschefs Muaz al-Khatib nicht mehr erforderlich. Das syrische Volk habe seine Probleme selbst angepackt, sagte Al-Khatib in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Zu seinem Schutz braucht es keine internationalen Kräfte mehr." Al-Khatib führt den Dachverband der syrischen Opposition, die Nationale Koalition, die sich vor Kurzem gründete.

Die Opposition sei bereit, Vorschläge von Präsident Assad für eine Kapitulation und ein Verlassen des Landes zu prüfen, sagte Al-Khatib. "Ich hoffe nur, dass er weiß, dass er keine Rolle mehr in Syrien oder im Leben des syrischen Volkes spielt." Für das Erstarken radikal-islamischer Kräfte in seinem Land machte Al-Khatib die internationale Gemeinschaft mitverantwortlich. "Wenn ein ganzes Volk 20 Monate lang Mord und Totschlag erlebt, dann kommen eben Gruppen mit radikalen oder extremistischen Ansichten nach oben", sagte er.

APA/Reuters/AFP/EP