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Bibelforscher J. Cornelis de Vos legt erste vollständige Untersuchung aller antiken Texte zum Dekalog vor -
Jüdische und christliche Gruppen verschärften oder erweiterten die Verbote und Gebote, um ihre Gruppenidentität zu stärken - Sexual-ethische Normen angefügt, aber keines der Zehn Gebote wurde über Jahrhunderte je abgelehnt.
Die Zehn Gebote der Bibel waren in ihren ersten Jahrhunderten der Verschriftlichung nach neuesten Forschungen lange nicht so in Stein gemeißelt wie vermutet.
„Gruppen von Juden und Christen veränderten sie zuweilen. Die eine Gruppe verschärfte das Tötungsverbot, eine andere erweiterte das Ehebruchverbot um sexualethische Normen, eine dritte fügte ein neues Gebot zum Bau eines Heiligtums hinzu“, erläutert Bibelforscher PD Dr. J. Cornelis de Vos vom Exzellenzcluster »Religion und Politik« der Uni Münster. Er hat jüngst die erste Untersuchung sämtlicher überlieferter jüdischer und christlicher Texte aus der Frühzeit der Zehn Gebote in der Antike vorgelegt, die sich auf die Normen des Dekalogs beziehen. „Die Menschen bezweifelten zwar nie, dass sich Gott mit den Zehn Geboten direkt an sie gewandt habe. Sie schreckten aber auch nicht davor zurück, den Dekalog umzuformen und eigene Normen daran zu binden.
Sie schufen so feste Regeln, die ihre Gruppe nach innen stärken und nach außen abgrenzen konnten. Aber kein Gebot wurde je über die Jahrhunderte ausdrücklich abgelehnt.“
Die Monografie »
Rezeption und Wirkung des Dekalogs in jüdischen und christlichen Schriften bis 200 n. Chr.« ist im Verlag Brill in Leiden und Boston erschienen. Darin zeigt sich eine
Bandbreite an Änderungen der Zehn Gebote, darunter vielfache Erweiterungen des Ehebruchverbots um sexualethische Normen. „Zahlreiche antike Schriftsteller - jüdische, christliche und heidnische - waren wie viele Zeitgenossen der Ansicht, die Begierde sei Wurzel allen Übels, und hegten eine gewisse Abneigung gegen Sexualität“, sagt der Forscher. „Die Texte fügten eine Reihe sexueller Praktiken hinzu, die als verwerflich galten und verboten werden sollten: Hurerei, Knabenschänderei, Homosexualität, Abtreibung oder das Töten von Neugeborenen aus Mangel an Verhütungsmitteln.“ Die frühe Kirchenordnung Didache etwa greift um das Jahr 100 nach Christus den Dekalog auf und fügt dem Verbot des Ehebruchs hinzu: „Du sollst nicht Knaben schänden.“ Dies sei eines von vielen Beispielen, wie die Zehn Gebote aktualisiert und den Werten der eigenen Kultur angepasst wurden, so de Vos.
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