Vor 3400 Jahren pendelte ein junges Mädchen zwischen Dänemark und dem Schwarzwald. Jetzt rätseln Archäologen: War es die Priesterin eines Sonnenkults?© The National Museum of DenmarkKleidung, Schmuck und Grabausstattung des Mädchens von Egtved
Es muss Sommer in Jütland gewesen sein, als das Mädchen nahe Egtved starb, mit nicht einmal 18 Jahren. Es war brünett, seine Haare trug es seitlich kürzer geschnitten, im Nacken halblang. Der Minirock aus einzelnen, raffiniert gedrehten Wollfäden umspielte seine Beine. Außerdem trug es eine Bluse mit halblangen Ärmeln, in einem Stück gewoben. Seine Hüfte umschlang ein gewebter Gürtel, daran hing eine Bronzescheibe mit geschwungenen Verzierungen, die vielleicht an die Sonne erinnern sollte. Ein bronzener Ohrring und zwei Armreifen dienten ihm als Schmuck.
"Sie sieht auf gewisse Weise sehr modern aus in ihrem Minirock und dieser Art T-Shirt", sagt Karin Margarita Frei, Archäologin am Dänischen Nationalmuseum. Genauer lässt sich ihr Aussehen allerdings nicht mehr rekonstruieren, denn die junge Frau starb vor 3400 Jahren. Woran genau, wissen die Forscher nicht. "Mithilfe von forensischen Methoden haben wir in ihren Haaren Spuren gefunden, die auf Stress oder auch eine Erkrankung hindeuten", sagt Frei. Sie hat die erhaltenen Überreste untersucht.
Wie Ötzi, der Mann aus dem Eis, öffnet auch das Mädchen aus Egtved ein Fenster in die Vergangenheit. Weil der Baumsarg, in dem man es aufwendig begraben hatte, ein spezielles Mikroklima schuf, blieben vor allem die Kleidung, die Haare, die Nägel und die Zähne gut über die Jahrtausende geschützt. So können Forscher heute viel über sein Leben und die damalige Zeit sagen. Zwar zerfielen die Knochen aufgrund des sauren Bodenklimas, aber Blütenpollen an der Kleidung beispielsweise verraten, dass es in einem Sommer gestorben sein muss, gerade als die Schafgarbe blühte.Frei und ihre Kollegen vom Dänischen Nationalmuseum und vom Zentrum für Textilforschung an der Universität Kopenhagen entschlüsselten nun ein weiteres Geheimnis des mumifizierten Mädchens:
Es stammte, anders als bislang angenommen, gar nicht aus dem dänischen Jütland oder der nahen Umgebung, sondern aus dem Schwarzwald. Das war für die Forscher eine Überraschung. "Das Mädchen legte in seinen letzten beiden Lebensjahren große Distanzen zurück", sagt Frei. Erstmals konnten Forscher so detailliert die letzte Zeitspanne im Leben eines Menschen aus der Bronzezeit rekonstruieren.
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