Eine acht Meter hohe Flutwelle, Sturmböen von 225 Stundenkilometern - am 8. September 1900 wurde das schmucke Galveston in Texas von einem Wirbelsturm zerstört. Mindestens 6000 Menschen starben.© Library of CongressErinnerung: Ein zeitgenössischer Druck stellt die tragische Sturmnacht dar. Die kleinen Bilder in den Ecken zeigen den Horror der Aufräumarbeiten: Das Einsammeln der Leichen (oben links), das Massenbegräbnis von mehr als 2600 Toten auf See (oben rechts), die Leichenverbrennung (unten rechts), die Erschießung von Plünderern und Leichenschändern (unten links) sowie die Ruinen der Sacred Heart Kirche am Broadway und der First Baptist Kirche (unten Mitte).
Als der Sturm die Außenmauern des St.-Mary-Waisenhauses abzutragen begann und das Wasser weiter stieg, fasste Mutter Oberin M. Camillus Tracy einen Entschluss: Sie und die neun Schwestern schlangen den jüngeren der 93 Kinder ein Stück Wäscheleine um den Bauch und banden sich das Ende selbst um die Taille, um sie im Chaos des Hurrikans nicht zu verlieren. Jede der Nonnen bildete eine Kette mit sechs bis acht Kindern, nur einige ältere waren auf sich allein gestellt. Um die Kleinen zu beruhigen, stimmten sie ihr Lieblingslied an: "Queen of the Waves" - Königin der Wellen.
Dann fuhren die Naturgewalten mit voller Wucht in das Gebäude und zerstörten es binnen Sekunden. Die Nonnen und die Kinder wurden weggespült. Die Wäscheleine, zur Rettung gedacht, brachte das Verhängnis: Sie verfing sich in Trümmerteilen und zog die Menschenkette unter Wasser. 90 Kinder und alle zehn Schwestern ertranken. Nur drei Jungs überlebten: Die Nonnen hatten ihnen keine Wäscheleine umgebunden.
Die Tragödie im Waisenhaus ist eine von vielen an jenem 8. September 1900, als ein
Hurrikan der zweithöchsten Kategorie vier die texanische Stadt Galveston nahezu auslöschte. Mit mindestens 6000 Opfern, nach manchen Schätzungen sogar mehr als 10.000 Toten, gilt der Galveston-Hurrikan als bis heute tödlichste Naturkatastrophe in der Geschichte der USA - weit verheerender noch als der Wirbelsturm Katrina, der 2005 im Südosten rund 1800 Menschenleben forderte. Und doch ist der Hurrikan des Jahres 1900 außerhalb von Texas fast in Vergessenheit geraten.
Auf dramatische Art widerlegt wurde eine Meteorologie, die erst in den Kinderschuhen steckte und dennoch alles über das Wetter zu wissen glaubte. Galvestons Chef-Meteorologe Isaac Cline hatte ein Jahrzehnt vor der Katastrophe in einem Artikel versichert: "Kein Hurrikan könnte der Stadt Galveston etwas anhaben."
Anhand von Clines Wetteraufzeichnungen, Memoiren und Zeitzeugenberichten lassen sich die Ereignisse der Nacht rekonstruieren. Autor Erik Larson hat die Geschichte im Bestseller "Isaacs Sturm" verarbeitet.
Die modernste Stadt in TexasCline war 1889 mit seiner Frau Cora Mae und seinen drei Töchtern nach Galveston gezogen. Die Insel vor der Küste von Texas ist eine 43 Kilometer lange und fünf Kilometer breite Sandbank, im Norden das Wasser der Galveston Bay, im Süden der Golf von Mexiko. An ihrer höchsten Stelle erhebt die Insel sich zweieinhalb Meter über den Meeresspiegel.
Die Stadt galt Ende es 19. Jahrhunderts als New York der Golfküste. 1899 war Galveston größter Umschlagsplatz für Baumwolle und drittwichtigster Hafen der USA, angelaufen von 45 Dampfschifflinien. Die Geschäftsstraße "The Strand" galt mit ihren zahlreichen Versicherungen und Banken als "Wall Street des Südwestens".
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