Ich hatte bereits im „Wissenschaftsreport“ darüber berichtet, wie medizinische Studien „gestrickt“ werden und welche Art von Datenmanipulationen hier an der Tagesordnung sind. Wie es aussieht, macht sich dieses Thema jetzt auch in der Presse breit.
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Es gab bereits Beiträge dazu, wie zum Beispiel im Spiegel (siehe http://naturheilt.com/blog/pharmafirmen-sollen-studiendaten-offenlegen/) und auch anderen Presseorganen.

Der folgende Beitrag nimmt Bezug auf eine Studie, die Studien untersucht:
Vera-Badillo et al.: Division of Medical Oncology & Hematology, Princess Margaret Hospital und University of Toronto, Toronto, Canada „Bias in reporting of end points of efficacy und toxicity in randomized, clinical trials for women with breast cancer“, Oxford Journals http://annonc.oxfordjournals.org/content/early/2013/01/04/annonc.mds636.short?rss=1
In dieser Meta-Analyse wurden 164 Veröffentlichungen aus einem Zeitraum von 1995 bis 2011 einbezogen. Alle diese Arbeiten waren „Phase-III-Studien“ mit Medikamenten zur Therapie von Brustkrebs. Bei der Zulassung eines Präparats muss das neue Medikament eine Reihe von Phasen durchlaufen und sich bewähren, bevor es dann schlussendlich zugelassen werden kann. In der Phase III muss die neue Substanz einen signifikanten Wirkungsnachweis erbringen und Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen werden hier ermittelt.

Diese Studien definieren vorab, wann das Präparat erfolgreich wirksam ist, was in der Studie als primärer Endpunkt (PE) bezeichnet wird. Es gibt dann noch sekundäre Endpunkte (SE), wo zusätzliche, untergeordnete therapeutische Wirkungen definiert werden. Bei der Krebsmedikation ist der PE oft die Überlebensdauer der Patienten, denn die Medikation soll ja eine lebensverlängernde Maßnahme sein.

Die kanadischen Wissenschaftler stellten in ihrer Studie jedoch fest, dass jede dritte Studie ihren PE nicht erreichte bzw. es keinen Vorteil zur Plazebogruppe gab. In diesem Fall heißt das, dass die erhoffte lebensverlängernde Wirksamkeit nicht gegeben war. Aber trotzdem wurde das Ergebnis so umgeschrieben, dass unter dem Strich die Therapie mit dem neuen Präparat als neuer Erfolg der medizinischen Forschung anzusehen war. Dies traf nicht nur auf von der Pharmaindustrie finanzierte Arbeiten zu, sondern war auch gängig bei sogenannten „unabhängigen“ Prüfern.

Bei einem nicht signifikanten Studienergebnis gehört schon eine gewisse Argumentationsakrobatik dazu, um daraus dann doch ein „hoch signifikantes“ Ergebnis abzuleiten. Diese Akrobatik besteht darin, z. B. andere Vorzüge der Therapie hochzuhalten, die mit dem ursprünglichen PE gar nichts zu tun hatten. Das könnte dann z. B. eine langsamere Entwicklung der Krankheit sein oder eine bessere Lebensqualität der Patienten usw. Diese Faktoren können SE sein, da sie ja nicht unwichtig sind. Eine Studie aber so umzudrehen, dass SE plötzlich nach Beendigung der Studie zu PE werden, hat überhaupt nichts mit einer wissenschaftlichen Arbeitsweise zu tun. Es handelt sich hier um ein bewusst durchgeführtes Täuschungsmanöver.

Aber nicht nur bei den fehlenden Wirksamkeiten der neuen Präparate wird getrickst: Auch die Nebenwirkungen werden zurechtgebogen. Denn zwei Drittel der 164 Studien berichten praktisch gar nicht oder nur unzureichend über die Nebenwirkungen. Das Medikamente zur Therapie von Krebserkrankungen keine oder nur milde Nebenwirkungen haben sollen, das ist kaum anzunehmen. Jeder kennt und fürchtet die massiven Nebenwirkungen solcher Präparate. Ein Blick auf deren „Waschzettel“ zeigt in der Regel eine lange Liste an möglichen „unerwünschten Wirkungen“. In diesem Fall waren es nur 32 Prozent von den 164 Arbeiten, die toxische Nebenwirkungen der Stufe 3 und 4 in ihrer Zusammenfassung (Abstract) mit aufführten. Es fiel auch auf, wenn ein positives Ergebnis bezüglich des PE nachgewiesen werden konnte, dass in der Regel keine oder kaum Nebenwirkungen angegeben wurden. Es hatte den Anschein, als wollten die Autoren nicht das gute Studienergebnis durch Berichte über Nebenwirkungen „versauen“.

Der abschließende Kommentar der kanadischen Autoren lautete, dass eine verfälschende Darstellung von Studienergebnissen üblich ist bei Studien mit negativem Ergebnis. Nebenwirkungen werden nur unzureichend beschrieben, wenn die Studienergebnisse positiv ausgefallen waren.

Wenn man jetzt an Vioxx und Avandia denkt, dann kann man sehr gut verstehen, warum solche Präparate zugelassen werden auf einer Basis, die mit dem viel beschworenen „evidenzbasiert“ überhaupt nichts zu tun hat. Leider werden nach einer Zulassung von solchen Präparaten die Schönschreibereien von der Realität eingeholt, und das auf Kosten der Patienten.