Mittlerweile liegen neue Daten zum großen Ural-Feuerball vor. Wieder musste seine Energie nach oben korrigiert werden. Ein Meteor der Superlative, der offiziell sogar als der gewaltigste kosmische Treffer seit dem berühmten Tunguska-Zwischenfall von 1908 gilt. Das stimmt zwar möglicherweise nicht ganz, denn wie sich gezeigt hat wurden nicht alle früheren Ereignisse öffentlich bekannt. So blieben vor allem auch wieder militärische Daten unter Verschluss. Dennoch darf der Bolide von 2013 mit Sicherheit als der bislang folgenschwerste der jüngeren Zeit gelten.
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Es war wirklich ein mächtiger Brocken, der am vergangenen Freitag ganz plötzlich und unerwartet auf die Erde stürzte und nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk in der Atmosphäre explodierte, um mit seiner darauf erfolgenden Druckwelle Millionenschäden anzurichten und mehr als 1.000 Menschen mit zum Teil schwereren Verletzungen zurückzulassen. Jetzt liegen revidierte Daten zu den Dimensionen und der Einschlagsenergie jenes kosmischen Körpers vor, dessen Nahen niemand wahrgenommen hatte.

Neueste Analysen lassen laut Bill Cooke vom "NASA Meteoroid Environment Office" auf einen Asteroiden mit 17 Metern Durchmesser und einer Masse von rund 10.000 metrischen Tonnen schließen. Die Eintrittsgeschwindigkeit dieses vergleichsweise noch sehr kleinen Objekts lag bei 18 Kilometern pro Sekunde; die Explosion und Fragmentation erfolgte in einem Bodenabstand von 20 bis 25 Kilometern in der irdischen Hochatmosphäre. Die Lufthülle wirkt in derartigen Situationen wie eine feste Mauer, die vor allem kometarische Materie, aber auch Steinmeteoriten zerstört.

Noch ist nicht bekannt, ob tatsächlich Trümmer des Objekts vom 15. Februar gefunden und identifiziert wurden. Cooke zeigt sich jedoch überzeugt davon, dass solche Fragmente existieren. Die Suche geht natürlich weiter. Was die Explosionsenergie angeht, so liegen die Einschätzungen jetzt bei rund 500 Kilotonnen des herkömmlichen Sprengstoffs TNT (Trinitrotoluol), was beinahe 50 Hiroshima-Atombomben entspricht. Zum Vergleich: »Tunguska« war noch etwa 20- bis 30-mal energiereicher.

Nun lässt ein Objekt wie dieser hervorragend dokumentierte gigantische Feuerball vom 15. Februar viele Fragen und durchaus auch Ängste aufkommen. Die Öffentlichkeit wird hier erstmals mit einer Situation konfrontiert, die in jüngerer Zeit so noch nie bestanden hat. Auch wenn bereits wiederholt energiereiche Feuerbälle gesichtet wurden, so gab es hierzu nie derart eindringliche und dramatische Bilder. Nie wurden Menschen zudem in so großer Zahl verletzt. Beim Ural-Meteor ist alles anders. Die Situation scheint dermaßen ungewohnt, dass manch einer überhaupt nicht hinnehmen will, es habe sich um einen »simplen« Gesteinsbrocken aus dem All gehandelt. Fast scheint ein solches Szenario abwegiger als ein Nukleartest, ein Raketenabsturz oder irgendein unbekanntes militärisches Experiment.

So kursieren bislang jedenfalls unbewiesene Spekulationen und alternative Gedanken zur Natur jenes Feuerballs. Der sehr kontroverse russische Politiker Wladimir Schirinowski bezichtigte die USA, die mächtige Explosion ausgelöst zu haben. In diesem »Falle« aber bleiben sämtliche Alternativen schlichtweg spekulativ - und sie bleiben, nach allem, was jetzt bekannt ist, auch weit hinter der natürlichen Erklärung zurück, eben jener Interpretation, der Feuerball sei von einem abstürzenden kosmischen Körper verursacht worden. Gerade die zahllosen Amateurvideos dokumentieren einen typischen Riesenmeteor. Zu etwaigen Anomalien, beispielsweise Radioaktivität, wurde andererseits bis dato nichts bekannt.

Das Ereignis hat aber nur zu deutlich demonstriert: Unsere Erde darf nicht als kosmischer Schutzraum aufgefasst werden. Wenn überhaupt, kann sie dies hier nur sehr bedingt leisten. Wir befinden uns auf einem Raumschiff, das diversen äußeren Gefahren jederzeit weitgehend hilflos ausgesetzt ist. Das gilt nach wie vor auch für Meteoriten, Asteroiden und Kometen. Nicht umsonst denken Astronomen ernsthaft über möglichst effektive Detektions- und Defensivtechniken nach, solche Körper, die zu Hunderttausenden oder Millionen im erdnahen Raum unterwegs sind, gleichsam zu »entschärfen«. Und man wird künftig wohl mehr darüber nachdenken, in direkter Konsequenz der aktuellen Vorgänge im Ural. Dass diese Anstrengungen auch den negativen Beigeschmack militärischer Begehrlichkeiten enthalten, bleibt dabei (leider) nicht aus. Doch liegt es immer in der Hand des Menschen, was er jeweils mit der von ihm entwickelten Technik tut oder was er dann doch lieber lässt.

Der russische Vizeregierungschef Dmitri Rogosin empfahl jetzt, unter internationaler Ägide ein entsprechendes Schutzsystem einzurichten, um nicht nur - wie bereits vereinzelt praktiziert - nach Kollisionsobjekten Ausschau zu halten, sondern auch aktive Gegenmaßnahmen zu entwickeln sowie sie im Bedarfsfall auch zur Anwendung zu bringen. Bislang seien weder sein Land noch die USA dazu im Stande, so Rogosin. Eine entsprechende Kommission der russischen Rüstungsindustrie beabsichtige nun, die Thematik aufzugreifen und Pläne zur Abwehr zu entwickeln. Es wäre selbstverständlich mehr als bedauerlich, sollten kosmische Kollisionsobjekte und deren reale Gefahr von ehemals Kalten Kriegern und deren Erben »bilateral« dazu missbraucht werden, eine neue Rüstungsspirale loszutreten. Hier bleibt wirklich nur inständig zu hoffen, dass globale Verantwortung statt globaler Vernichtung die Motivation bildet.

Allerdings war es nicht zuletzt lediglich eine Frage der Zeit, wann ein Himmelskörper kommt, der die Diskussion um Abwehrmaßnahmen gegen PHAs mit brachialer Gewalt lostritt. PHAs, diese potenziell gefährlichen Objekte (Potentially Hazardous Objects) sind Vertreter jener diversen Klassen erdnaher Asteroiden (Near-Earth Objects, NEOs) wie Apollos, Amors, Atens und anderer, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit irgendwann einmal unserer Erde in die Quere kommen und folglich mit ihr kollidieren können. Und immer wieder wurden bereits vergleichbare Ereignisse registriert, von denen allerdings keine spektakulären Filme existieren und zu denen auch nicht bekannt wurde, dass zahlreiche Menschen zu Schaden kamen.

Doch dürfte manchen vielleicht überraschen, wie häufig ähnliche Vorfälle in den vergangenen Jahren stattgefunden haben. Nur einige Bespiele zu Beinahe-Kollisionen und echten Zusammenstößen mit kosmischen Körpern, über die ich auch in etlichen astronomischen Buchpublikationen und Beiträgen berichtet habe: Zu den berühmten, sozusagen leuchtenden Beispielen rechnet auf jeden Fall US19720810, der Feuerball vom 10. August 1972, auch bekannt als »Great Daylight Fireball«. Damals trat ein seltener Grenzfall ein: Ein massiver Weltraumbrocken, möglicherweise sogar von der Größe des Ural-Meteoroiden, drang am helllichten Tage in die Erdatmosphäre über dem US-Bundesstaat Utah ein und spurtete sehr zügig in nördliche Richtung weiter. Über Montana erreichte dieser kleine Apollo-Asteroid seinen geringsten Bodenabstand mit 57 Kilometern. Dabei wurde er von völlig verblüfften Zeugen beobachtet und sogar auch gefilmt. Doch dieses Objekt stürzte nicht ab.

Der Bolide rauschte in flachem Winkel heran, war streifend, nahezu parallel zum Erdboden, eingefallen und donnerte mit rund 15 Kilometern in der Sekunde durch die Hochatmosphäre. Sein Impuls war groß genug, um dem ultimativen Schicksal zu trotzen, das Meteoroide normalerweise ereilt. Doch änderte sich seine Bahn durch den Beinahe-Zusammenstoß sehr wesentlich. Die gesamte Passage währte nur rund 100 Sekunden. Beim Absturz in den Staaten hätte es damals zu einer regelrechten Katastrophe kommen können.

Vergleichbar mit dem Ural-Feuerball war vor allem auch ein Objekt, das am 3. August 1963 nahe der Prince-Edward-Inseln an der Spitze Südafrikas niederging. Die Höhenexplosion erfolgte mit einem Äquivalent von rund einer halben Million Tonnen TNT, also ganz gleich wie im brandaktuellen Fall. Damals allerdings waren es keine in Privatfahrzeugen installierten Videokameras, die das Ereignis festhielten, sondern militärische Überwachungskameras, angebracht auf ausgewählten US-Botschaftsgebäuden.

Nur rund 16 Jahre später, am 22. September 1979, stürzte in der gleichen Region wieder ein greller Feuerball vom Himmel. Zunächst bestanden hier einige Sorgen, es könne sich um einen südafrikanischen oder israelischen Atomtest gehandelt haben, was sich dann aber nicht bestätigte. Die grundsätzliche Crux dabei ist eben, dass der Aufprall eines größeren Meteoroiden vergleichbare Energien freisetzt, wobei die kosmische Naturgewalt bereits ab der »Tunguska-Klasse« jede von Menschenhand gebaute Nuklearwaffe hinter sich lässt.

Auch am 15. April 1988 krachte es wieder. Damals über Indonesien. Was da vom Himmel stürzte, setzte immerhin rund 5.000 Tonnen TNT-Äquivalent frei. Zweieinhalb Jahre darauf blitzte plötzlich ein Feuerball über dem Westpazifik auf. Auch dieses Objekt defragmentierte in rund 30 Kilometern Abstand vom Erdboden. Bei dem Ereignis wurde Energie im Bereich von rund zwei Kilotonnen TNT frei. Das westpazifische Feuerwerk hatte sich den 1. Oktober 1990 als Stichtag auserkoren. Damit ereignete sich dieser "spezielle Fall" während des Irakkriegs. Und das hätte bei einer auch nur leicht abweichenden Bahn vielleicht recht komplexe politische und militärische Verwicklungen nach sich ziehen können. Der US-Colonel und Astrophysiker Simon P. Worden kommentierte hierzu: »Wenn sich dieser Zwischenfall über Kuwait ereignet hätte, dann hätte sich das zu einer kniffligen Situation entwickeln können. Wir konnten sagen, dass das Objekt natürlichen Ursprungs war, aber sie konnten das nicht.«
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Dieses Ereignis erinnert an den dramatischen Meteoritenfall von Sikhote-Alin vom 12. Februar 1947. Nur etwa anderthalb Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ging hier ein beachtlicher kosmischer Granatenhagel nieder, und zwar nahe der strategisch extrem wichtigen Hafenstadt Wladiwostok. Ebenfalls eine brenzlige Situation.

Ein aus Eisenmeteoriten bestehendes Bombardement trat am Vormittag jenes 12. Februar in die Erdatmosphäre ein. Genau um 10.38 Uhr Ortszeit wurde der klare Himmel von einem gleißenden Feuerball durchzogen, der so hell war, dass den Zeugen trotz des Sonnenscheins die Augen schmerzten. Auch hier folgte eine Luftdruckwelle, die Türen aus den Angeln riss und Glasscheiben zersplittern ließ. Die Erde bebte, aus den angeheizten Öfen schlugen die Flammen heraus. Zwei russische Flieger namens Firzikow und Agejew erkundeten die betroffene Region drei Tage später aus der Luft und entdeckten dann auch tatsächlich den Ort des Absturzes. Hier lag ein Kraterfeld mit zahlreichen gelbbraunen Einschlagtrichtern. Bei einer genaueren Inspektion des Gebiets vom Boden aus fanden Wissenschaftler viele Eisenmeteorite, die sich teilweise tief in die Bäume gebohrt hatten.

Doch selbst wenn damals geschätzte 100 Tonnen an kosmischem Nickel-Eisen niedergingen, von denen insgesamt etwa 37 Tonnen gefunden wurden, handelte es sich um ein gegenüber Tunguska oder auch dem Riesenfeuerball vom Freitag relativ »bescheidenes« Ereignis. Nur eben, dass die metallische Zusammensetzung des Kollisionskörpers ganz andere Effekte bewirkte und dabei massive Granatsplitter der ganz besonderen Art durch die Gegend schleuderte. Eine potenziell tödliche Gefahr!

Zu den jüngeren und energiereicheren Ereignissen zählt wiederum der mächtige Feuerball vom 19. Januar 1993. Vor ziemlich genau 20 Jahren raste ein zunächst vollmondheller Bolide über den frühmorgendlichen Himmel Norditaliens, um dann kurzzeitig die Nacht zum Tag werden zu lassen. Laut Aussagen von Augenzeugen war jener gewaltigen Explosion ein »merkwürdiges Leuchten« am Himmel vorausgegangen. Bereits diese Aufhellung ließ zu, ohne künstliche Lichtquellen zu lesen. Was damals in rund 20 Kilometern Höhe über der Adriaküste detonierte, bestand wohl aus 50 Tonnen silikatischer Materie, die beim Atmosphärenflug komplett verglühte und verdampfte. Eine Stoßfront kam etwa 80 Sekunden nach dem Lichtblitz am Boden an und ließ Fenster und Wände rund 20 Sekunden lang zittern.

Es dauerte nicht allzu lange, bis ein weiterer Feuerball auf die Erde stürzte, diesmal wiederum ein deutlich größeres Objekt mit rund 1.000 Tonnen Masse. An jenem 1. Februar 1994 leuchtete der Himmelskörper beim Eintritt in die irdische Lufthülle so hell auf, dass er momentan eine scheinbare Größe von minus 25 erreichte und somit beinahe wie eine zweite Sonne strahlte. Unweit Papua-Neuguinea, etwa 300 Kilometer südöstlich der mikronesischen Insel Kusaie explodierte die kosmische Masse dann mit einem Energieäquivalent von elf Kilotonnen TNT, was in etwa der Hiroshima-Atombombe gleichkommt. Nicht umsonst erging auch eine unmittelbare Alarmmeldung an den damals amtierenden US-Präsidenten Bill Clinton!

Es gäbe noch etliche andere Beispiele. Hinzu kommen außerdem solche kosmischen Feuerbälle, die ausschließlich von militärischen Einrichtungen erfasst und der zivilen Astronomie oder der Öffentlichkeit nie bekannt wurden. Sie ereigneten sich über dem Ozean oder anderen sehr abgelegenen Regionen, ohne dass es zivile Zeugen gab. Quellen für derlei Informationen sind geheime Daten von US-Frühwarnsatelliten des "Defense Support Program"(DSP) und deren "4th Space Warning Squadron"und andere.

Wie Simon P. Worden seinerseits enthüllen konnte, registrierten Militärsatelliten zwischen den Jahren 1975 und 1992 insgesamt 136 atmosphärische Eintrittsereignisse durch natürliche kosmische Körper, von denen drei mit der Gewalt kleinerer Nuklearbomben explodierten. Aus unabhängiger vertraulicher Quelle aus dem NORAD-Umfeld bestätigte sich mir das Bild: Hier ist gleichfalls von drei nicht publizierten Explosionen nach Art des Tunguska-Objekts die Rede.

Fakt ist, dass solche Ereignisse öfter geschehen als der Öffentlichkeit bewusst oder bekannt ist. Die Gefahr besteht ganz real, und genau das hat uns jetzt insbesondere der Feuerball vom 15. Februar 2013 sehr klar vor Augen geführt. Nie zuvor wurden solche Erscheinungen sowie deren unmittelbare Folgewirkungen am Erdboden so genau, umfassend und beeindruckend für alle Welt festgehalten. Unzweifelhaft ein historisches Ereignis!