angela simmons
© PetaFleisch zu essen ist eine Sünde: Werde Vegetarierin.
Menschen mit Depressionen, psychosomatischen Beschwerden, Angst- oder Essstörungen verzichten oft auf Fleisch - vermutlich wegen eines gesteigerten Gesundheitsbewusstseins aufgrund ihrer Erkrankung.

Jung, Single, weiblich, Stadtmensch - so sieht der typische Vegetarier aus. Das ist kein Vorurteil, sondern das Ergebnis von Studien, die sich damit beschäftigen, wie gesund Vegetarier im Vergleich mit ihren Fleisch essenden Zeitgenossen sind.

Schaut man dabei auf die körperliche Gesundheit, schneiden die Vegetarier in der Regel sehr gut ab. Bei Untersuchungen zur psychischen Gesundheit dagegen wird es schwierig. Zum einen gibt es bislang nur sehr wenige aussagekräftige Studien.

Zum anderen haben eben jene nicht gerade Schmeichelhaftes herausgefunden. Vegetarier hatten in den sieben relevanten Studien deutlich häufiger als Fleischesser depressive Störungen, ebenso Essstörungen und verschiedene Angststörungen.

Das Problem dabei ist allerdings: Alle diese psychischen Erkrankungen betreffen generell deutlich häufiger junge Frauen als Menschen anderer Bevölkerungsgruppen. Und diese jungen Frauen wiederum sind auch häufiger Vegetarier.

Bisherige Studien könnten verzerrt sein

Vergleicht man, wie die bisherigen Studien, also einfach eine Gruppe von Vegetariern mit Fleischessern, dann kann es sein, dass die Vegetarier nur deshalb eine höhere Depressionsrate aufweisen, weil in dieser Gruppe deutlich mehr Frauen sind.

Um diesen Effekt auszuschalten, wählten Wissenschaftler der Universität Hildesheim in einer nun im Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity veröffentlichten Studie einen anderen Ansatz.

Die Forscher um den klinischen Psychologen Johannes Michalak nutzen dafür ein sogenanntes Matching für ihre untersuchten 244 Vegetarier und 242 Fleischesser. Dabei kamen alle Probanden im Alter zwischen 18 und 65 Jahren aus der "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" (DEGS).

Diese für die Bevölkerung repräsentative Studie erhebt regelmäßig im Auftrag des Robert-Koch-Institutes Daten zur körperlichen und in einem Zusatzmodul auch Daten zur psychischen Gesundheit.

Ergebnis bleibt das Gleiche - trotz anderer Methodik

Matching bedeutet, dass beide Gruppen bezüglich Geschlecht, Alter, Bildungsstand und Wohnortgröße identisch zusammengesetzt wurden.

So konnten sich die Forscher sicher sein, dass mögliche Unterschiede zwischen den Vegetariern und den Fleischessern nicht auf diese Faktoren zurückgehen.

Das Ergebnis blieb aber das Gleiche - Vegetarier hatten deutlich häufiger Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Beschwerden und Essstörungen.

Die Studie zeigt aber auch: Im Schnitt erkrankten die Teilnehmer in ihren frühen Zwanzigern - zum Vegetarier wurden die meisten aber erst danach, mit etwa 30 Jahren.

Befund gilt nur für die westliche Welt

Die Wissenschaftler vermuten, dass die vegetarische Ernährung häufig aus einem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein nach einer Erkrankung resultiert, und dem Wunsch, eigenverantwortlich zu handeln.

Sie unterstreichen, dass diese Befunde nur für die westliche Welt gelten. "Während sich in Ländern wie Indien bis zu 35 Prozent der Bevölkerung aufgrund kultureller und religiöser Traditionen vegetarisch ernähren, ist die Rate in westlichen Ländern deutlich niedriger", so Michalak.

Studien schätzen den prozentualen Anteil in Deutschland auf 1,6 Prozent, in den USA und Großbritannien auf etwas mehr als drei Prozent. Vegetarisch zu leben bedeute daher in der westlichen Welt etwas anderes, nämlich sich gesellschaftlich bewusst von der Ernährungsweise der meisten anderen abzugrenzen.

"Vegetarier tendieren dazu, sich darüber zu definieren, was sie nicht tun; sie unterstreichen also ihr Anderssein." Da negative Selbstdefinitionen dem Stand der Wissenschaft nach ebenfalls mit Depressionen zusammenhängen, könnte diese Haltung einen zusätzlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Krankheit leisten, vermutet Michalak.