Polizeimajor Denis Jewsjukow
© picture alliance/dpaPolizeimajor Denis Jewsjukow (Mitte), der zwei Menschen erschoss, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Polizisten in Russland genießen einen katastrophalen Ruf. Sie gelten verbreitet als kriminell und korrupt. Ein neues Polizeigesetz des Kremls soll nun echte Gesetzeshüter aus ihnen machen. Ein Lügendetektortest wird dabei zur Pflicht.

Zwei Jahre ist es her, dass der Polizeimajor Denis Jewsjukow bei einem Amoklauf in einem Moskauer Supermarkt zwei Menschen tötete und viele weitere verletzte. Seit dem 1. März nun gilt in Russland ein neues Polizeigesetz. Es ist Grundlage einer bisher einmaligen Polizeireform, mit der der Kreml auf die Gewalttaten Jewsjukows und anderer Polizisten reagiert. Präsident Dmitri Medwedew will aus den Uniformierten echte Gesetzeshüter machen, die Bürger künftig nicht mehr in Angst und Schrecken versetzen.

Um die Reihen dieser wichtigen Machtstützen des Systems zu säubern, müssen Polizisten auch Lügendetektortests absolvieren. Der Tauglichkeitscheck sei keine Formalie oder eine bloße Show, versichert Moskaus Polizeichef Wladimir Kolokolzew. Er will die Zahl der Lügendetektoren in Moskau um 17 auf 28 aufstocken. Dann könnten pro Tag 1000 Polizisten getestet werden.

Heftiger Personalschwund erwartet

Die Geräte registrieren bei Lügen eine verstärkte Aktivität des Gehirns - zum Beispiel, wenn ein korrupter Beamter verneint, jemals Schmiergelder kassiert zu haben. Dabei gehen die Initiatoren der Reform offensichtlich auch von reichlich Personalschwund aus. Nach Vorgaben des Präsidenten soll die Zahl der Polizisten bis 1. Januar 2012 um 20 Prozent auf 1,1 Millionen sinken.

Doch Kritiker der Reform bezweifeln, dass es ausreichend qualifiziertes Personal für das Bedienen von Lügendetektoren gibt. In Moskauer Zeitungen beklagen sich zudem Polizisten über die Verletzung ihrer Intimsphäre. So fragen Psychologen etwa nach den sexuellen Träumen der Milizionäre. Auch der umstrittene Innenminister Raschid Nurgalijew soll diese Prozedur durchmachen.

Grundlegende Reform gefordert

Regierungsgegner um den Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow kritisieren Medwedews Polizeigesetz als reine PR-Aktion. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass sich außer einer Umbenennung der Miliz in Polizei doch nichts ändere. Die gewaltbereiten Beamten, die sich mehr um den Schutz der Staatsführung kümmerten als um die Sicherheit der Bürger, blieben dieselben. Zwar hat Medwedew mehrere Generäle entlassen. Aber auch der kremltreue Politologe Gleb Pawlowski empfiehlt eine grundlegend neue Polizeiführung.

"Es ist ein kosmetisches Gesetz. Wir brauchen radikale Veränderungen", sagt die Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa, die in Moskau die Helsinki-Gruppe leitet. Weil die Polizei maßgeblich mit an der Reform geschrieben hat, steht sie weiter im Verdacht, eigene Interessen zu verfolgen. Dabei hatten Experten empfohlen, etwa die Einkünfte der Polizisten zu erhöhen, um sie unabhängiger zu machen.

Willkür und Kriminalität

Weil die meisten Polizisten monatlich unter 500 Euro verdienen, gelten sie als extrem anfällig für zwielichtige Nebenverdienste. Medien berichten zudem täglich über Milizionäre, die Beweise fälschen, Geständnisse erpressen oder in den Drogenschmuggel, ins illegale Glücksspiel und andere Verbrechen verwickelt sein sollen.

Das Innenministerium gab die Zahl der Verbrechen von eigenen Mitarbeitern 2009 mit mehr als 5000 Fällen an. Meist ging es dabei um Korruption und Amtsmissbrauch. Medwedews Menschenrechtsbeauftragter Michail Fedotow mahnt zur Geduld. Es sei jedem klar, dass noch viel Arbeit bevorstehe. Wichtig sei es vor allem, eine gute Bürgerkontrolle für die Polizeiarbeit auf die Beine zu stellen.

Vorbild "guter US-Cops"

Auch die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" warnte davor, das Polizeigesetz schon jetzt als neues Mittel zur Unterdrückung der Bürger zu verdammen. Ein russischer Polizist müsse sich künftig Bürgern vorstellen und das Anliegen erklären - nach dem Vorbild "guter US-Cops in Hollywood-Filmen", erklärte das Blatt. Verboten sind jetzt Schläge auf den Kopf, in die Nierengegend oder Weichteile.

Dass das Innenministerium erstmals ein übersichtliches Merkheft mit Rechten der Bürger und der Polizei herausgebe, sei ein echter Fortschritt, kommentiert die Zeitung. Den unmissverständlichen Polizeiruf "Hey, Ausweis zeigen!" darf es demnach auf Russlands Straßen nicht mehr geben. Und erstmals überhaupt gibt es sogar eine polizeiliche Pflicht, Bürgern in Not zu helfen.