Im vergangenen Winter starb oder verschwand ein Drittel der kommerziell bewirtschafteten Honigbienenvölker in den USA. Dieser kaum aufzuholende Rückgang gefährdet die Nahrungsmittelversorgung des ganzen Landes.
Imker, Bienen
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Zahlreiche Faktoren wie Pestizide, Fungizide, Parasitenbefall, Viren und Unterernährung werden als Ursachen für die hohen Verluste angeführt, die am Mittwoch vergangener Woche durch eine Gruppe von Forschern, Imkern und wissenschaftlichen Mitarbeitern des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums offiziell bestätigt wurden. »Wir kommen einer Situation immer näher, in der wir nicht mehr über ausreichend viele Bienen verfügen, um die Bestäubung in diesem Land zu gewährleisten«, erklärte der Entomologe Dennis van Engelsdorp von der Universität Maryland, der die Untersuchung leitete, die diesen massiven Rückgang dokumentierte.

Ende 2012 und Anfang 2013 verloren die Imker 31 Prozent ihrer Bestände. Damit fielen die Verluste ungefähr doppelt so hoch aus wie aufgrund natürlicher Ursachen als normal gilt. Diese Verluste stehen im Einklang mit vergleichbaren Rückgängen seit 2006, als nach besorgniserregenden Berichten der Imker die erste umfassende Untersuchung des Gesundheitszustandes der Bienenvölker durchgeführt wurde. Nachdem die Verluste 2011/2012 auf 22 Prozent zurückgegangen waren, hatte sich Hoffnung auf Besserung geregt, die nun durch die neuen Zahlen wieder zunichte gemacht wurde.

Der drastische Rückgang der Bienenvölker erreichte im März in Kalifornien seinen vorläufigen Höhepunkt, als dort kaum genug Bienen unterwegs waren, um die Mandelbäume zu bestäuben. Hätten nicht die idealen Wetterbedingungen ihren Beitrag geleistet, wäre die Bestäubung der Mandelbäume praktisch ausgefallen. Und das liefert einen Vorgeschmack auf das, was uns droht, wenn dem Sterben der Bienenvölker kein Einhalt geboten wird. »Wenn wir Obst, Nüsse und Beeren anbauen wollen, spielt die Bestäubung eine wichtige Rolle«, sagte van Engelsdorp. »Ein Drittel aller Nahrungsmittel, die in den USA verzehrt werden, wird direkt oder indirekt von Bienen bestäubt.«

Die Wissenschaft bemüht sich fieberhaft, die Ursachen für das Bienensterben zu finden, und nennt verschiedene Kategorien von Gründen. Ein Teil der Verluste wird auf die so genannte »Colony Collaps Disorder« (CCD) zurückgeführt. Über diese Störung wurde erstmals 2006 berichtet, als Bienenvölker ihre Nester verließen und einfach verschwanden. CCD wurde später zu einem in der Öffentlichkeit häufig verwendeten Begriff für das Bienensterben.

Aber viele im jüngsten Bericht gemeldeten Verluste passen allerdings nicht in das CCD-Profil. Und obwohl das Auftreten der CCD in Westeuropa nur wenig dokumentiert ist, hat auch dort das Bienensterben dramatische Ausmaße angenommen. Tatsächlich scheinen die Fallzahlen von CCD rückläufig, während die Verluste insgesamt zugenommen haben. Die Honigbienen sterben einfach weg. »Selbst wenn kein CCD mehr aufträte, wären die Verluste immer noch erheblich«, sagte die Entomologin Diana Cox-Foster von der Staatlichen Universität Pennsylvania. »Die Verluste aufgrund von CCD sind der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Aber das System als ganzes weist zahlreiche andere Probleme auf.«

Eine genaue Untersuchung dieser Probleme ist schwierig. In der alltäglichen Realität der Landwirtschaft ist es kaum möglich, Experimente unter streng kontrollierten Bedingungen durchzuführen, aus denen sich dann belastbare Schlussfolgerungen ableiten lassen. Derartige Experimente können in Laboratorien oder kleinen Testfeldern stattfinden, aber es ist umstritten, ob sie tatsächlich die komplexen Verhältnisse der realen Welt abbilden.

Inmitten dieser methodischen Probleme hat sich die Aufmerksamkeit der Wissenschaft einer bestimmten Gruppe von Verdächtigen zugewandt. Der stärkste Verdacht fällt dabei auf eine Gruppe von Pestiziden, die als »Neonikotinoide« bekannt sind. Sie wurden in den 1990er Jahren entwickelt und auf dem Markt eingeführt, obwohl nur wenige Untersuchungen zu ihrer möglichen Gefährlichkeit durchgeführt worden waren. Bereits nach kurzer Zeit gehörten sie zu den meistbenutzten Pestiziden.

In den letzten Jahren stellte sich heraus, dass die Neonikotinoide für Honigbienen außerordentlich giftig sind und diese selbst bei kleinen, nichttödlichen Dosen für Krankheitserreger empfänglich machen. Die Europäische Union hat vor Kurzem ein befristetes Verbot dreier Neonikotinoide verhängt, und auch die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA überdenkt den Einsatz dieser Substanzen.

Die Hersteller dieser Pestizide haben diese Einschränkungen scharf kritisiert und argumentieren, die Neonikotinoide würden fälschlicherweise als Ursache dargestellt. Viele von der Industrie unabhängige Wissenschaftler erklären, die Frage sei nicht, ob die Neonikotinoide gefährlich seien, sondern wie sie in die komplexe Struktur des Problems Bienensterben passen. »Verschiedene Studien zeigen, dass diese Gruppe von Pestiziden sehr schädigend auf Bienen wirkt«, sagte der Honigbienen-Pathologe Cédric Alaux vom französischen Nationalen Institut für landwirtschaftliche Forschung. Seiner Ansicht nach sind die EU-Verbote durchaus sinnvoll. »Wir sollten allerdings nicht zu naiv sein und glauben, dass damit das Problem des Bienensterbens gelöst sei«, meinte er weiter.

Ebenso wichtig, und vielleicht sogar noch wichtiger, wie Neonikotinoide sind die Varroa-Milben (Varroa destructor). Sie wurden erstmalig 1987 in den Vereinigten Staaten entdeckt. Diese Milben schwächen die Bienen dadurch, dass sie sich von deren Hämolymphe, einem Blutersatz bei Insekten, ernähren und dabei Viren und andere Parasiten übertragen. In einem vor Kurzem veröffentlichten Bericht des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) wird die Varroa-Milbe als die »schädlichste Krankheit der Honigbiene« bezeichnet.

In dem Bericht heißt es weiter, als Folge der Belastung mit Neonikotinoiden verändere sich die Funktion des Immunsystems von Bienen, die bereits mit Varroa-Milben infiziert sind, und mache die Bienen anfälliger für Infektionen mit Nosema ceranae, einem anderen Parasiten, der ebenfalls für das Bienensterben mitverantwortlich gemacht wird. Der Einzeller löst eine hochansteckende Darmerkrankung aus. Möglicherweise töten die eingesetzten Neonikotinoide die Bienen in der Regel nicht unmittelbar, sondern schwächen sie so, dass andere Belastungen dann eine tödliche Kraft entfalten.

Der Landwirtschafts-Entomologe Christian Krupke von der Universität Purdue im US-Bundesstaat Indiana vergleicht die Auswirkungen mit dem »Leben von Menschen in einer Region mit extremem Smog, was dazu führt, dass der Körper und sein Immunsystem so überfordert werden, dass sich schon eine normale Erkältung zu einer Lungenentzündung auswachsen kann«.

Krupke bemerkte weiter, dass Neonikotinoide zwar zu den häufigsten giftigen chemischen Substanzen gehören, die sich im Lebensraum von Honigbienen nachweisen lassen, aber sie seien bei weitem nicht die einzigen. Cox-Foster und van Engelsdorp untermauern dies und verweisen auf Forschungen, die 121 verschiedene Pestizide in den Nestern von Honigbienen nachwiesen. Im Durchschnitt enthielt jeder Stock Spuren von sechs Pestiziden, manchmal wurden sogar einige Dutzend Rückstände nachgewiesen.

Die Forschung nach den Wechselwirkungen der Insektizide steckt noch in den Kinderschuhen, aber die Kombination verschiedener Pestizide könnte sich extrem schädigend auf Bienen auswirken und die Wirkung der Substanzen für sich genommen verstärken. »Ich befürchte, dass die Aufmerksamkeit, mit der sich man gegenwärtig den Neonikotinoiden widmet, von den anderen Pestiziden ablenkt, die eindeutige und möglicherweise sogar stärkere Auswirkungen haben. Fungizide etwa unterliegen im Zusammenhang mit Bienen keinerlei Beschränkungen. Meiner Ansicht nach müssen die Untersuchungen der Pestizide ausgeweitet werden«, sagt van Engelsdorp. »Wir kommen einer Situation immer näher, in der wir nicht mehr über ausreichend viele Bienen verfügen.«

Im Rahmen der Winter-Untersuchung und des neuen USDA-Berichts weckte noch ein weiterer Aspekt des Bienenlebens die Aufmerksamkeit: die Ernährung der Bienen. Auch wenn die meisten kommerziell bewirtschafteten Bienenvölker zur Bestäubung in den ganzen USA herumkutschiert werden, sind die meisten Imker im oberen Mittleren Westen der USA beheimatet. Gerade in dieser Region kam es in den vergangenen Jahren zu starken Veränderungen.

Steigende Nahrungsmittelpreise veranlassten viele Landwirte dazu, nun auch Felder, deren Qualität zuvor als nicht hoch genug angesehen wurde oder die als Graswiese genutzt wurden, zu bewirtschaften. Bienen beziehen ihre Nahrung aus solchen Grasflächen und können sich alleine von den blühenden Feldfrüchten nicht in ausreichendem Maße ernähren.

Nimmt man dann noch die Auswirkungen der Rekordtrockenheit im Sommer 2012 hinzu, so hatten die Bienen große Probleme, ausreichend Nahrung zu finden. Die Unterernährung könnte dazu geführt haben, dass die Anfälligkeit der Bienen für Krankheiten und Infektionen zunahm oder die Auswirkungen der Pestizide verstärkt wurden. »Die Trockenheit und das mögliche Zusammenwirken anderer Faktoren, die damit einhergingen, haben vielen Bienen mit Sicherheit große Probleme bereitet«, erklärte van Engelsdorp. »In einigen Fällen muss man von einem Zusammentreffen von Varroa-Milben und unterernährten, mit Pestiziden belasteten Bienen ausgehen.« Kommerziell bewirtschaftete Bienenvölker bestäuben zahlreiche Feldfrüchte, und auch wenn Bienenvölker ersetzt werden können, so besteht die Gefahr, dass die anhaltenden Verluste die Imkerei bald in wirtschaftlicher Hinsicht unrentabel werden lassen. Forscher versuchen, widerstandsfähigere Bienen zu züchten, aber es könnte sich erweisen, dass sich die Wirkung der Kombination aus chemischen Substanzen, Ernährungsproblemen und Krankheiten durch genetische Verbesserungen allein nicht aufheben lässt, sagt Cox-Foster.

Die natürlichen Mechanismen der Bestäubung müssten intakt gelassen oder wieder angeregt werden. Ein Feld, das nicht bepflanzt wird, oder ein Straßenrand, der nicht gemäht wird, könnten als eine Art Versicherung gegen Verluste von kommerziell bewirtschafteten Bienenvölkern betrachtet werden. Dennis van Engelsdorp fordert, etwa zehn Prozent der Landmasse sollten als Zufluchtsort für Bestäuber geschützt werden.

Auch der Einsatz von Pestiziden kann umsichtiger gehandhabt werden. Anstatt großflächig über ganzen Feldern und anderswo eingesetzt zu werden, könnte man sie gezielt nur bei starkem Befall einsetzen. Andere unnötige Einsätze könnten so vermieden werden. »Viele Entomologen und Pflanzenschutzexperten erklären seit Jahren, dass es aus Pflanzenschutzsicht keine Rechtfertigung für den Einsatz dieser Pestizide praktisch bei allen Feldfrüchten in Nordamerika gibt«, meint Krupke. »Jetzt ist dieser Trend dabei, sich umzukehren.«

Das Bienensterben könnte auch auf Probleme bei anderen Bestäuberarten - wie etwa Hummeln oder Schmetterlinge - hinweisen, für die nur wenige Untersuchungen vorliegen. »Der Vergleich zwischen Honigbienen und den Kanarienvögeln in den Kohlebergwerken trifft durchaus zu«, erklärt Cox-Foster. »Bei Honigbienenvölkern hat man die Möglichkeit, die Stöcke zu öffnen und zu sehen, was darin vorgeht. Es gibt viele andere Arten, die für die Bestäubung wichtig sind, aber bei den meisten ist uns die Möglichkeit verwehrt, zu sehen, was dort geschieht.«

Der Entomologe Francesco Nazzi von der Universität Udine, der die Wechselwirkungen von Krankheiten, Parasiten und dem Immunsystem der Honigbienen untersucht, vertritt die Auffassung, Neonikotinoide seien »nicht die wichtigste Ursache des weitverbreiteten Bienensterbens, sondern einer von vielen unterschiedlichen Gründen, deren Zusammenwirken je nach den Verhältnissen vor Ort unterschiedlich ausfallen könnte«.

In diesem Zusammenhang verweist Nazzi auf die Untersuchungen des Bienensterbens in Kanada, China, Israel, der Türkei und Westeuropa, die in Bezug auf Örtlichkeiten und Umstände viele und oft gravierende Unterschiede aufzeigen, ohne dafür eine Erklärung liefern zu können. In der EU, in der der Einsatz von Neonikotinoiden für den Zeitraum von zwei Jahren zwar verringert, aber nicht grundsätzlich verboten wird, erwartet er keine eindeutigen Auswirkungen.

Dennoch hält er die Hinweise für eine potenzielle Schädigung durch Neonikotinoide für »überzeugend genug, Vorsicht walten zu lassen«. »Man könnte einwenden, ein weitgehenderes Verbot reiche für sich genommen nicht aus, die Bienen zu ›retten‹, aber es könnte dazu beitragen«, fuhr er fort. Die eigentliche wichtige Frage laute, ob Neonikotinoide überhaupt notwendig seien. »Zumindest in Italien ist ihr Einsatz in den meisten Fällen völlig überflüssig.«

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