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© Michael MärkerDetlef Brauer, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft ODEGA Groß Neuendorf, an einem überschwemmten Feld bei Kienitz/Nord

"Groß Neuendorf (MOZ) Seit Herbst letzten Jahres stehen im Oderbruch (Märkisch-Oderland) die Felder unter Wasser. 30 000 Hektar sind vom bisher schwersten Binnenhochwasser betroffen. Schon jetzt ist von 46 Millionen Euro Schaden die Rede. Erste Betriebe sind in ihrer Existenz gefährdet."

„Was soll ich mit Land, das mir auf Dauer keinen Ertrag bringt?“, fragt Detlef Brauer. Und kennt die Antwort: „Wenn es Pachtland ist, kündige ich den Vertrag.“ Der Geschäftsführer der ODEGA-Unternehmensgruppe mit Stammsitz in Groß Neuendorf sieht jedoch die großen Probleme erst noch kommen. „Im Moment puffern die Landwirte das Wasserproblem ab. Doch irgendwann wird es ein Problem der Landeigner“, sagt Brauer. Der 46-Jährige ist der Kopf eines landwirtschaftlichen Unternehmensverbundes. Elf Agrarbetriebe gehören dazu, die rund 11.000 Hektar in Brandenburg bewirtschaften, 5000 davon im Oderbruch, dem Stammsitz von ODEGA.

„Aus so lange vernässten Flächen sind die Nährstoffe ausgewaschen und die Organismen im Boden sind tot. Der muss faktisch neu aufgebaut werden“, erklärt der Landwirt. Als knallharter Kaufmann weiß er: Der sonst so gute und begehrte Oderbruchboden verliert dadurch an Wert. Und das wird Auswirkungen auf Pachtverträge und Pachtzins haben.

Brauer verweist auf die Flächen seines Betriebes in Odernähe. Seit der Deich saniert und der Deichfuss durchlässig ist, stünden die Flächen fast immer unter Wasser. „Das ist jetzt ein Vogelparadies, für das wir bezahlen sollen“, empört sich der ODEGA-Chef.

Doch damit nicht genug. Von den rund 2000 Hektar des Groß Neuendorfer ODEGA-Stammbetriebes müssen 600 Hektar entwässert werden. Doch die Drainage funktioniere nur, wenn die Gräben, über die das Wasser abfließen soll, nicht randvoll sind. Genau das aber ist seit dem Herbst vergangenen Jahres der Fall.

Als Folge war auf 300 Hektar keine Herbstbestellung möglich. Auf mehr als 100 Hektar, die bestellt worden sind, ist die Saat verfault. „Die Flächen sind für dieses Jahr verloren“, ist Brauer überzeugt. Zusammen mit dem Ernteverlust aus dem Vorjahr - statt des üblichen Eliteweizens hat man im Sommer nur minderwertigen Futterweizen geerntet - beziffert der Landwirt die hochwasserbedingten Einbußen für seinen Betrieb schon jetzt auf „deutlich mehr als eine Million Euro.“ Vor April rechnet niemand im Oderbruch damit, die vernässten Felder neu bestellen zu können. „Dann können wir faktisch nur noch Mais anbauen“, sagt Brauer. Die Sonnenblume, die bislang vielerorts das Bild im Oderbruch mit prägte, ist für ihn „keine wirtschaftliche Alternative mehr“.

Doch es könnte noch schlimmer kommen. „Wenn wir für die nicht bestellbaren Flächen keine EU-Prämie erhalten, würden wir doppelt bestraft. Das wäre der Super-Gau! Dann würde sich die Bewirtschaftung überhaupt nicht mehr rechnen“, sagt Detlef Brauer. Spätestens dann würde der ODEGA-Chef „die Flächen aus der Pacht nehmen“. Und das würde die derzeit 135 Festangestellten und den bis zu 240 Saisonkräften für die Gemüseverarbeitung gewiss ihre Jobs kosten.

Was Brauer bislang nur befürchtet, ist für Jan Paepke wohl schon beinahe unausweichlich. „Für Felder, die nicht bestellt werden können oder wo nichts zu ernten ist, wird es keine EU-Prämien geben“, erklärt der Leiter des Kreis-Landwirtschaftsamtes. Nur, wer über Flächen verfügt, die auch genutzt werden, könne EU-Beihilfen erhalten. Er sieht lediglich die Möglichkeit, dass Unternehmen vernässte Äcker aus der Produktion herausnehmen. Bis Ende 2010 hatten 30 Unternehmen aus dem Oderbruch Anträge aus dem Existenzsicherungsprogramm des Landes angemeldet. Mit jedem Monat Binnenhochwasser kommen neue hinzu. Im ganzen Land stehen aber nur drei Millionen Euro zur Verfügung, für die jetzt immerhin das Okay aus Brüssel gekommen ist. Die Kriterien, um etwas aus dem Nothilfefonds zu bekommen, seien aber streng, sagt Paepke. Auch würde es nur 20 Prozent der nachweislichen Ertragsausfälle geben. Noch nie hatten es die Landwirte so schwer wie gegenwärtig, steht für Paepke fest. Nach wie vor könne niemand die Folgeschäden beziffern. Es gebe erste Schätzungen. Wenn das Wasser im März endlich zurückgeht, werde man bei rund 46 Millionen Euro Schaden liegen. Viele Betriebe konnten nicht genug Futter einbringen, müssen also zukaufen.

Ein großes Problem ist ferner das fehlende Stroh für das rund 1,1 Millionen Stück zählende Geflügel, das in den Ställen der Region jährlich herangezüchtet wird. Hinzu kommen Probleme, wie sie derzeit der Neutrebbiner Entenschlachtbetrieb Wiesenhof hat. Wo zu normalen Zeiten täglich rund 30.000 Tiere geschlachtet werden, stehen seit Wochen wegen Absatzproblemen auf dem internationalen Markt die Maschinen still. Der Bauern werden ihre Enten nicht los und stallen neue nicht mehr ein. Dabei bildet die Enten- und Putenmast vielfach ein zweites Standbein der Bauern, das nun wegzubrechen droht. Die Probleme summieren sich.

Detlef Brauer hat klare Vorstellungen, was geschehen muss: „Ich erwarte von der Landesregierung, dass eine Analyse der katastrophalen hydrologischen Gesamtsituation im Oderbruch und Lösungsvorschläge auf den Tisch kommen. Und das alles muss schnell umgesetzt werden - ohne parteipolitische Spielchen!“ Brauer ist froh, dass das Binnenhochwasser wenigstens den „Schmusekurs des Bauernverbandes, mit der Landesregierung“ beendet habe.

In der Arbeitsgruppe „Wassermanagement Oderbruch“ unter Leitung von Umweltministerin Anita Tack (Linke) sitzen sowohl Vertreter des Bauernbundes- als auch des Bauernverbandes. Am Freitag hatte das Gremium nun erneut in Seelow getagt. Hoffnung auf schnelle Lösungen gab es allerdings wieder nicht. „Wir brauchen Geduld“, so Tack. Auch die Fachleute in der Arbeitsgruppe können keine Prognose abgeben, wann sich die Wassersituation entspannen wird. Die Gräben seien voll, der Grundwasserstand hoch. Die Region sei vollgesaugt wie ein Schwamm, so Tack.

Henrik Wendorff, der als Vorsitzender des Kreisbauernverbandes in der Arbeitsgruppe sitzt, beklagt, dass immer wieder der Eindruck vermittelt werde, dass es nun bald mit Maßnahmen losgehe. Das Verwaltungsprozedere sei aber langwierig. Allerdings weiß er auch: Ehe erste zusätzliche Maßnahmen greifen, werde es für einige Landwirte wohl schon zu spät sein.

Im Namen seines Berufsstandes wehrt er sich jedoch gegen Forderungen aus der Arbeitsgruppe, dass die Landwirte ihre Bodenbearbeitung und den Anbau verändern müssten. Maisanbau verdichtet beispielsweise den Boden, so dass Wasser schlechter abfließen kann. „Dann muss man aber auch die Frage stellen, wer die Bauern zu dieser Entwicklung animiert hat“, empört sich Wendorff. Die Landesregierung feiere einerseits die wachsende Energiebilanz der Landwirtschaft und andererseits werde großflächiger Maisanbau wieder kritisiert. Sicher, Zuckerrübenanbau wäre besser, räumt er ein, „aber nicht wir haben die letzte Zuckerfabrik in der Region geschlossen“, stellt Wendorff klar.

Er macht sich keine Illusionen. Obwohl sich im Oderbruch die wertvollsten Böden im Land befinden, wirft das Binnenhochwasser die Landwirtschaft in der Region um Jahre zurück, ist Wendorff überzeugt. Die Bauern könnten nur auf die nächsten Jahre hoffen und darauf, dass das Gewässersystem wieder wie früher funktioniert. Erst dann werde normale Landwirtschaftschaft wieder möglich sein.