Erst der lange Winter, dann Überschwemmungen und Hitze: Das miese Wetter hat den Bauern die Ernte versaut. Die Rechnung muss der Verbraucher zahlen - die Lebensmittelpreise steigen derzeit rasant.
Lebensmittel, Gemüse
© dpaDie extremen Wetterkapriolen auf der ganzen Welt haben zu großen Ernteausfällen geführt - Folge sind starke Preisanstiege
Langer Winter, nasses Frühjahr, heißer Sommer: Schlechte Ernten machen Lebensmittel in Deutschland deutlich teurer. Die Preise stiegen im Juli mit 5,7 Prozent so stark wie seit fast fünf Jahren nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Inflationsrate liegt insgesamt auf dem Jahreshoch von 1,9 Prozent. Einzelhändler machen wenig Hoffnung, dass Essen bald wieder billiger wird.

Spürbar tiefer in die Taschen greifen mussten die Verbraucher beispielsweise für Butter. Sie kostete knapp ein Drittel mehr als vor Jahresfrist. Gemüse verteuerte sich um 11,7 Prozent, wobei es bei Kartoffeln mit 44,4 Prozent den stärksten Anstieg gab. Für Obst wurden im Schnitt 11,3 Prozent mehr verlangt - für Äpfel sogar 22,3 Prozent mehr.

"Das erst kalte und dann sehr regenreiche Frühjahr hat die Ernte erschwert", erklärte ein Sprecher des Bauernverbandes. "Möglicherweise machen sich hier auch die Nachwirkungen der Flutkatastrophe bemerkbar", ergänzte BayernLB-Ökonom Stefan Kipar.

Nach Angaben des Handelsverbandes HDE ist nicht damit zu rechnen, dass der Druck auf die Lebensmittelpreise in den kommenden Monaten nachlassen wird. "Wir haben nicht nur Wetterkapriolen, die die Ernten beeinträchtigen, sondern durch den wachsenden Wohlstand in Schwellenländern wie China auch eine steigende Nachfrage nach Agrar-Rohstoffen", sagte der Sprecher des Branchenverbandes HDE, Kai Falk.

Sinkende Agrarproduktion, wachsender Hunger

Das sehen die Welternährungsorganisation FAO und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) genauso. "Steigende Preise werden im kommenden Jahrzehnt sowohl für Getreide als auch für Vieh erwartet", heißt es im gemeinsamen Ausblick für 2013 bis 2022.

Wegen knapper Anbauflächen, gestiegenen Produktionskosten und zunehmenden Umweltbelastungen werde die weltweite Agrarproduktion bis 2022 nur noch um jährlich 1,5 Prozent wachsen.

In den zurückliegenden zehn Jahren seien es noch 2,1 Prozent gewesen. Gleichzeitig steige die Nachfrage durch die wachsende Weltbevölkerung, höhere Einkommen, Urbanisierung und veränderte Ernährungsgewohnheiten.

Allerdings würden steigende Weltmarktpreise nicht eins zu eins an die Verbraucher weitergegeben, so HDE-Sprecher Falk. "Grund ist der starke Wettbewerb im deutschen Lebensmitteleinzelhandel." Die hohe Versorgungsdichte sorge dafür, dass die Preise für Lebensmittel im internationalen Vergleich moderat seien.

Auch die Energiepreise ziehen an

"Nahrungsmittel haben über viele Jahre hinweg die Inflation gedämpft", ergänzt der Sprecher des Bauernverbandes. Gerade einmal zwölf Prozent ihres verfügbaren Einkommens würden die Deutschen im Schnitt für Nahrungsmittel ausgeben. "Das ist sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich sehr wenig."

Trotz der teureren Lebensmittel verharrte die Inflationsrate im Juli knapp unter der Zwei-Prozent-Marke, bis zu der die Europäische Zentralbank von stabilen Preisen spricht. Ökonomen gehen davon aus, dass dies vorerst so bleibt. "Wir erwarten im Jahresdurchschnitt eine Teuerungsrate von 1,6 Prozent", sagte BayernLB-Ökonom Kipar.

Ein Grund dafür ist die schwache Weltkonjunktur, die viele Rohstoffe billiger macht und wegen der die Unternehmen Preiserhöhungen nur schwer durchsetzen können.

Verglichen mit den Lebensmitteln erhöhten sich die Energiepreise mit 2,9 Prozent noch moderat. Die Stromrechnung stieg um 11,9 Prozent. Leichtes Heizöl verbilligte sich hingegen um 3,6 Prozent, Kraftstoffe um 0,1 Prozent.

Reuters/lw/mol