Eine aufwendig mit einem seltenen polychrom bemalten Relief-Fries dekorierte Pyramide haben Archäologen in der klassischen Maya-Stadt Homul in der nordöstlichen Region Peten in Guatemala entdeckt. Auf das verschüttete Gebäude stießen die Forscher bei der Erkundung eines Tunnels, der von einstigen Grabräubern offen zurückgelassen wurde. Das prächtige Relief misst acht Meter Länge, ist zwei Meter hoch, mehrfarbig bemalt und zeigt menschliche Figuren in einer mythologischen Umgebung mit gefiederten Schlangen.
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© Francisco Estrada-BelliMittelansicht des Reliefs.
Homul (Guatemala) - Während noch ein Großteil des Gebäudes unerkundet ist, haben die Archäologen um Francisco Estrada-Belli von der Boston University bereits einen Teil der Außenseite des mehrräumigen und wohl bis zu 20 Meter hohen Bauwerks und damit das selten gut erhaltene Relief freigelegt. Die Forscher gehen davon aus, dass die dargestellten Personen einstige Herrscher der Stadt darstellen. Im Innern fanden sie schon vor etwa einem Jahr die sterblichen Überreste einer offenbar hochrangigen Person mit zahlreichen kostbaren Grabbeigaben und einer hölzernen Totenmaske.

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© Francisco Estrada-BelliGesamtansicht des Reliefs
Das Relief zeigt drei menschliche Figuren mit aufwendigen Federkopfschmuck und Jade-Juwelen, die mit verschränkten Beinen über dem Kopf eines Berggeistes sitzen. Kartuschen über den Köpfen identifizieren die Personen anhand ihrer Namen - allerdings ist nur noch der Name der mittleren Figur zu entziffern: "Och Chan Yopaat", was so viel bedeutet wie: Der Sturmgott geht in den Himmel ein. Zu beiden Seiten dieses Sturmgottes steigen zwei gefiederte Schlangen auf, umgeben ihn dabei bogenartig und öffnen ihre Mäuler in Richtung der beiden anderen Figuren. Unter jeder gefiederten Schlange befindet sich wiederum jeweils eine Figur, die einen alternden Gott darstellt, der ein Schild trägt auf dem "Erster Tamal" geschrieben steht. Am Fuß des einst in roten, blauen, grünen und gelben Farben bemalten Reliefs erstreckt sich eine Inschrift aus 30 Zeichen.

Diese berichtet davon, dass die Pyramide im Auftrag des Herrschers von Naranjo, einem mächtigen Königreich im Süden von Homul erbaut wurde. Des Weiteren berichtet der Text, dass dieser König mit den Namen "Ajwosaj Chan K'inich" von sich behaupte, die hiesige Herrscherlinie und die Schutzgottheit Och Chan Yopaat wieder hergestellt zu haben. "Ein Text beschreibt Ajwosaj als Vasall der Könige von Kanul", erläutert Estrada-Belli. "Als das Gebäude errichtet wurde, waren die Könige von Kanul bereits dabei, die Tiefländer unter ihre Kontrolle zu bringen - mit Ausnahme von Tikal."
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© Francisco Estrada-BelliWeitere Detailansicht des Reliefs
Anhand der Inschriften datieren die Archäologen die Pyramide in die 590er Jahre. "Ajwosaj war einer der großen Herrscher von Naranjo" erläutert Alex Tokovinine von der Harvard University, der den Text übersetzt hat. "Die neue Inschrift ermöglicht uns erstmals Einblicke in die tatsächliche Reichweite der politischen und religiösen Macht Ajwosajs. Sie offenbart uns auch, wie neue Ordnungen buchstäblich in der Landschaft mit Bezug zu den lokalen Göttern und Vorfahren verankert wurden."

Zur Bauzeit der Pyramide stritten zwei Reiche der Maya um die Macht: Zum einen Tikal in Guatemala, zum anderen die Herrscher von Calakmul in Mexiko, die das Schlangen-Königreich der Kaan führten. Für die Archäologen lässt sich aus der Inschrift wahrscheinlich herauslesen, dass der erwähnte König Ajwosaj ein Herrscher des Schlangenkönigreiches war und sich der vergleichsweise kleine Stadtstaat Homul zur damaligen Zeit vom nahe gelegenen Tikal abwandte und zu den Schlangen-Herrschern der Kaan überlief.

Im kommenden Jahr wollen die Wissenschaftler ihre Grabungen fortführen, um weitere Teile des Gebäudes und genauere Hinweise darauf zu finden, wer genau der drin beigesetzte hochrangige Tote war.

Quelle: bu.edu, nationalgeographic.com