Die ganze vergangene Woche trafen beunruhigende Meldungen aus dem Fernen Osten ein. Wegen des Amur-Hochwassers wurde dort der Ausnahmezustand verhängt. Die Region Chabarowsk setzt den Kampf gegen das Hochwasser fort. In den letzten 24 Stunden stieg das Hochwasser unbedeutend. Der Wasserpegel des Amur erreichte 7,24 Meter. Im Pressedienst des Katastrophenschutzministeriums Russlands bemerkte man allerdings, das sei nur eine zeitweilige „Verschnaufpause“. Schon Mitte der nächsten Woche wird das Wasser im Fluss um weitere 50 Zentimeter steigen. Die Spitze des Hochwassers wird Anfang September erwartet. In der Region wurden über elf Kilometer Schutzdämme errichtet. 30 Ortschaften sind überflutet. Darunter befinden sich neun im Nanaiski-Kreis der Region. Dort weilte unsere Sonderkorrespondentin Margarita Oschun.
Hochwasser, Flut, Überschwemmung
© Rita Eschen/Stimme Russlands
Den Nanaiski-Kreis trennen 250 Kilometer von Chabarowsk, fährt man von dort in Richtung Komsomolsk am Amur. Dort stehen jetzt 167 Häuser im Hochwasser. Am meisten wurden die Dörfer Slawjanka und Dubowy Mys in Mitleidenschaft gezogen. Das Dorf Najchin scheint indessen Glück gehabt zu haben, dort stehen jetzt nur drei Häuser unter Wasser. Die Dorfbewohner seien auf das Hochwasser vorbereitet gewesen, erzählt die Leiterin dieser Ortschaft, Galina Beldy.
„Wir haben alle Leiter, die freiwillige Feuerwehr, die Abgeordneten, die Aktivisten und Boten versammelt, damit sie alle Vorbereitungen treffen. Bei uns gibt es für jede Straße einen Verantwortlichen. Wir haben mit den Leuten gearbeitet, haben allen Flugblätter ausgeteilt, dass bei uns der Ausnahmezustand herrscht und wie man handeln muss. Bis gestern haben wir 700 Personen gegen Dysenterie geimpft, die Kinder erhalten Impfungen gegen Hepatitis A bekommen. Wir arbeiten mit dem Trinkwasser. Viele besitzen eigene Brunnen. Wir entnehmen Wasserproben und schicken sie zur Analyse. Bisher ist das Wasser gut. Und wer kein gutes Wasser mehr hat, der nutzt bereits in Flaschen abgefülltes Trinkwasser, manche Leute ziehen es auch vor, ihr Wasser abzukochen.“
An der Einfahrt zum Dorf ist jetzt ein See entstanden. Er ist etwa 100 Meter breit und fast anderthalb Meter tief, so dass man ihn selbst im Gummischutzkostüm kaum durchwaten kann. Die Einheimischen sagen, noch vor einer Woche sei er eine gewöhnliche Pfütze gewesen. Man konnte direkt zuschauen, wie das Wasser kam. Die Menschen können jetzt nur noch mit einem Gummiboot zu ihren Häusern gelangen. Das gewährleisten sieben Mitarbeiter des Katastrophenschutzministeriums.

Derartig Fährdienste nutzt nun tagtäglich der Bewohner des Dorfes Najchin, Juri Gejker. Er arbeitet im Amur-Fischbetrieb. Er klagt darüber, dass das Produktionsvolumen jetzt stark sinkt.

„Es gibt jetzt sehr viel weniger Fisch. Das Hochwasser hat sich ausgebreitet, und somit schwimmen die Fische jetzt über die Wiesen. Deshalb denken wir jetzt, dass wir jetzt keine Reproduktion haben werden.“

Tatsächlich, die Fische haben jetzt sehr viel Platz. Ein Dorfbewohner konnte in seinem überfluteten Garten einen fünf Kilogramm schweren Wels fangen. Aber die Freude währte nicht lange, denn seine ganze Ernte, alles, was er angebaut und monatelang gehegt und gepflegt hatte, ist unter Wasser geblieben. Den größten Teil des Gemüses und des Obsts habe er nicht mehr retten können, klagt der Dorfbewohner Alexander Konowalow:

„Es ist bereits alles kaputt. Einen Teil der Kartoffeln haben wir ausgegraben, der Rest ist dahin. Die Tomaten und Gurken schwimmen im Wasser. Aus dem Wasser kann man sie nicht mehr ernten, das Wasser ist verschmutzt, wie soll man sie dann essen? Ich habe die Wassermelonen aus dem Wasser geholt, unter Wasser liegen noch weitere. Ja, aber wir werden das sicher überstehen.“

Das Hochwasser hat einen Teil der Automagistrale überspült, die Chabarowsk mit Komsomolsk am Amur verbindet. Jetzt entsteht dort oft ein kilometerlanger Stau. Die Fahrzeuge müssen zwei bis drei Stunden warten, ehe die Baggerfahrer die Straße wieder erhöht haben. Und zwar schütten sie auf die überspülten Abschnitte Schotter, der dann festgewalzt wird. Erst danach lässt man den Verkehr erneut diese Abschnitte passieren. Und die Fahrer nutzen die erzwungene Wartepause, um zu angeln. Das tun sie direkt an der Straße. Der Amur ist Russlands einziger Fluss, in dem etwa 140 Fischarten leben.