© Agence France-Presse/Getty ImagesZwiebelverkäufer auf einem Markt in Mumbai. Die Preise für Lebensmittel steigen in Indien rasant.
Neu-Dehli - Die Inflation in Indien ist im August auf den höchsten Stand seit sechs Monaten geklettert. Dahinter steckt vor allem ein starker Anstieg der Preise für Zwiebeln. Für die Regierung wird es somit immer schwerer, die angeschlagene Wirtschaft - immerhin die drittgrößte Asiens - wieder in die Spur zu bekommen.
Der Index für die Großhandelspreise ist der in Indien am stärksten beachtete Indikator für die Teuerung. Im August stieg er im Vergleich zum Vorjahr um 6,1 Prozent, wie Daten der Regierung vom Montag zeigen. Im Juli waren es noch 5,79 Prozent. Damit liegt die Inflation deutlich über den 5,7 Prozent, die elf vom
Wall Street Journal befragte Volkswirte erwartet hatten, und über dem selbstgesteckten Ziel der Notenbank von 5 Prozent oder weniger.
Die Lebensmittelpreise in Indien sind unter anderem wegen der starken Regenfälle in einigen Teilen des Landes gestiegen, die die Ernte vernichtet und Straßen unterspült haben. Im August legten die Preise für Nahrungsmittel im Schnitt um 18 Prozent im Vergleich zu; bei Gemüse waren es 78 Prozent und bei Zwiebeln atemberaubende 245 Prozent.
Preissteigerungen bei Lebensmitteln treffen Indien besonders hart, da hunderte Millionen Menschen an oder unter der Armutsgrenze leben. Sie geben fast ihr ganzes Geld nur für Nahrung aus. Zwiebeln werden in der indischen Küche so verbreitet verwendet, dass die Preise für das vielseitige Gemüse schnell zum Politikum werden. 1998 wurde die damalige Regierung abgewählt, auch weil sie nichts gegen den Preisanstieg bei Zwiebeln unternommen hatte.
Um die aktuelle Zwiebel-Inflation zu entschärfen, hat die Regierung den Import von 25.000 Tonnen des Gemüses genehmigt. Etwa 300 Tonnen aus Ägypten und 36 Tonnen aus Pakistan sind schon in der vergangenen Woche eingetroffen.
Die hohe Inflation ist für Indien ein schweres Wachstumshindernis. Die Notenbank hat 2010 und 2011 13 Mal die Zinsen erhöht, um den Preisanstieg unter Kontrolle zu bekommen. Diese aggressiven Schritte halfen zwar, den Inflationsdruck abzuschwächen, ließen aber auch die Verschuldungskosten steigen, was Investitionen abwürgte und dem Wachstum schadete. Dieses fiel im abgelaufenen Fiskaljahr, das im März zu Ende ging, mit 5,0 Prozent so niedrig aus wie seit über zehn Jahren nicht mehr.
Einige Behördenvertreter und Volkswirte hoffen, dass der Schaden an der Gemüseernte durch die schweren Regenfälle nur vorübergehend und auf einige Regionen begrenzt bleibt. Langfristig könne der in diesem Jahr überdurchschnittliche Monsunregen der Landwirtschaft sogar helfen und so die Preise abkühlen. „Der deflationäre Impuls eines starken Monsuns ist vielleicht noch einen Monat entfernt. Dann dürften die Störungen durch den Monsun zu einem steigenden Angebot führen", schreibt Roland Randall, Volkswirt bei der Australia & New Zealand Banking Group. „Die Inflation wird in etwa einem Monat drehen."
Besonders aufmerksam wird der neue Notenbankchef Raghuram Rajan beobachtet werden, wenn er am Freitag seinen ersten geldpolitischen Bericht vorstellt. Rajan muss entscheiden, ob er den Forderungen der Wirtschaft folgt und die Zinsen senkt, um das Wachstum anzukurbeln, oder ob er sie zum dritten Mal hintereinander unverändert lässt, um sich vor Inflation und der Abwertung der Rupie zu schützen.
Radhika Rao, Volkswirtin bei der DBS Bank, erwartet, dass die Reserve Bank of India der Versuchung niedrigerer Zinsen widersteht und stattdessen den Kampf gegen die Inflation aufnimmt: „Kurz gesagt, der Spielraum für eine Lockerung der Zinsen ist verpufft."
- Mitarbeit: Debiprasad Nayak and Prasanta Sahu
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