Die Weinlese ist in vollem Gange. Nach einem miserablen Frühjahr erwarten die Winzer weniger Ernteertrag. Im Weintrinkerland Deutschland dürften die Preise deshalb weiter steigen.
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© dpaHandarbeit
Durch die Weinberge Deutschlands drehen die Vollerntemaschinen zurzeit emsig ihre Kreise. Vereinzelt wird auch von Hand gelesen, was in den vergangenen hundert Tagen herangereift ist: der 2013er-Wein. Die ersten Fässer sind schon gefüllt - doch gerade die wichtigste Rebsorte Deutschlands, der Riesling, bräuchte eigentlich noch ein paar letzte, sonnige Reifetage. Dass das Wetter diesen Wunsch eher nicht erfüllen wird, steht beispielhaft für ein Jahr, in dem der Weinbau in Deutschland mit der Witterung zu kämpfen hatte. „Das Wetter war bis zuletzt sehr wechselhaft“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz, klagt dennoch nicht: „Aber wir sind eigentlich ganz zufrieden, wie es bisher gelaufen ist.“

Die Wetterkapriolen begannen mit dem ungewöhnlich kalten und verregneten Frühjahr. Erst Ende Juni haben die Reben dieses Jahr geblüht. „Wir hatten den spätesten Antrieb der letzten 20 Jahre“, sagt Büscher, „der 2013er ist ein Ausnahmejahrgang“. Zugesetzt habe das vor allem den Frühblühern unter den Rebsorten, beispielsweise den Burgunderweinen. In diesem Segment erwarten Experten in diesem Jahr eine geringe Erntemenge als im Vorjahr. „Insgesamt werden sich die Erträge um das Durchschnittsniveau der vergangenen Jahre bewegen, vielleicht eher etwas darunter“, sagt Büscher, „doch noch ist es etwas früh für eine genaue Prognose.“

Für die Verbraucher deutet deshalb einiges auf steigende Weinpreise hin. Da die Ernten auch in den vergangenen Jahren mäßig ausgefallen waren, sind die Bestände der Weingüter größtenteils verkauft. „Die Keller vieler Winzer sind zurzeit ganz gut geleert“, sagt Büscher. Längst übersteigt die inländische Nachfrage die Weinproduktion in Deutschland. 24,4 Liter Wein kauft ein Bundesbürger durchschnittlich pro Jahr, doch nur ein Drittel davon stammt aus heimischen Gefilden. Deutschland ist inzwischen der größte Weinimporteur der Welt. Die hiesigen Winzer exportieren dagegen nur ein Sechstel ihres Outputs, allen voran in die Vereinigten Staaten und die Niederlande.
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© dpaErntemaschine
Dass ausgerechnet die Burgunderweine unter dem schlechten Wetter gelitten haben, dürfte für die Winzer doppelt ärgerlich sein. Denn während der Riesling stabil die meist ausgebaute Rebsorte Deutschlands bleibt und der Müller-Thurgau in den vergangenen Jahren deutlich an Rebfläche verloren hat, haben Grauburgunder (oder etwas vornehmer: Pinot grigio), Weißburgunder (Pinot blanc) und Spätburgunder (Pinot noir) buchstäblich Boden gutgemacht in den deutschen Weinbergen. „Burgunderweine liegen im Trend“, bestätigt Experte Büscher. Sie seien breit einsetzbar und passten gut zu vielen Speisen. „Das kommt ihnen zugute, denn Wein wird in Deutschland zunehmend zum Essen getrunken.“

Noch bis Ende Oktober wird die Weinlese in Deutschland andauern, prognostiziert das Deutsche Weininstitut. In dieser arbeitsintensivsten Phase des Jahres setzen die Winzer viele Saisonarbeitskräfte und helfende Hände aus der Familie und dem Bekanntenkreis ein. Laut Statistischem Bundesamt arbeiten in Deutschland fast 130.000 Menschen im Weinbau. Doch nur ein Zehntel davon gilt als ständige Arbeitskraft. Vom Geschäft mit dem Wein profitieren aber noch weitere mittelständische Unternehmen, etwa die Hersteller von Traktoren, Fässern und Tanks.
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© F.A.Z.Entwicklung der Anbaufläche ausgewählter Rebsorten in Deutschland
Um einen Hektar, also ein gutes Fußballfeld, Wingert zu lesen, muss ein Winzer ungefähr 250 Arbeitskraftstunden einkalkulieren. Wofür mehr als 30 Beschäftigte also acht Stunden bräuchten, das schafft eine Vollerntemaschine in drei bis vier Stunden. Dennoch setzen nicht nur Kleinstbetriebe und die Bewirtschafter von Steillagen weiterhin auf Handarbeit. Gerade in Qualitätsbetrieben hat sich in den vergangenen Jahren die selektive Lese etabliert, sagt Weinexperte Büscher.

Das bedeutet, dass beispielsweise die reifsten Trauben schon von Hand gelesen werden - und die Vollerntemaschine einige Tage später den Rest liest. Auch in bestimmten Qualitätsstufen ist die Handarbeit Pflicht. Denn während die Maschinen entweder alles oder nichts ernten, können die Menschen entscheiden, welche Traube in welche Tonne kommt. „Deshalb brauchen wir vermehrt Erntehelfer mit Erfahrung“, sagt Büscher, „es geht um mehr, als einfach nur Trauben abzuschneiden.“