Notlager in Japan
© rtsSporthalle als Zuhause: Hunderte in Sicherheit gebrachte Menschen werden mit dem Notwendigsten wie Wasser, Reis und Decken versorgt. 11.000 Menschen werden weiter vermisst.
Das Wunder währte nur kurz. Helfer dachten, acht Tage nach dem Erdbeben der Stärke neun und dem verheerenden Tsunami einen jungen Mann aus den Trümmern geborgen zu haben. Doch Katsuhra Moriya kehrte aus einem Notlager freiwillig nach Kesenuma in der völlig zerstörten Präfektur Miyagi zurück, "um dort sauberzumachen." Moriya ist einer von Abertausenden, denen die verheerende Katastrophe alles genommen hat und die die Hoffnung trotz widrigster Umstände dennoch nicht aufgeben.

"Wir müssen wachsam bleiben, denn ein Erdbeben in einem Meeresgebiet kann noch zehn bis zwanzig Tage später starke Nachbeben auslösen", warnt Experte Takashi Yokota. Dem nicht genug, leiden die Überlebenden Hunger und Durst bei winterlichen Temperaturen und können nur notdürftig untergebracht werden.
"Es fehlt uns an allem", erzählte eine Mutter der Hilfsorganisation World Vision. "Das Wichtigste ist aber, dass unsere Kinder überlebt haben. Ohne sie hätte mein Leben keinen Sinn."

Kinder im jap. Lager
© apLichtquellen wie jene Lampe sind in den Lagern derzeit Mangelware.
12 Helfer für Tausende

Patrick Fuller, Sprecher des Internationalen Roten Kreuz: "Die Evakuierungslager platzen aus allen Nähten." Fuller sprach in der BBC -Radiosendung "Today" von einem Team aus zwölf Mitarbeitern, das versuche, eine Sportarena mit 2400 teils kranken Flüchtlingen zu versorgen. Am härtesten betroffen: Kinder und insbesondere ältere Menschen, zumal etwa 23 Prozent der Japaner über 65 Jahre alt sind.

Während 11.000 Menschen weiterhin als vermisst gelten, sind rund 90.000 Rettungskräfte gegenwärtig damit beschäftigt, die zerstörte Infrastruktur wie Straßen, Häfen und Flugplätze wieder instandzusetzen und den Notleidenden neues Obdach zu bauen. In der besonders stark zerstörten Küstenstadt Rikuzentakata begannen Helfer mit der Errichtung von 200 Behelfswohnungen auf einem Schulgelände. Die 30 Quadratmeter großen Fertigteilhäuser sollen bis zu drei Menschen beherbergen. In der Stadt Kamaishi musste der Bau von Baracken indes verschoben werden. Weil der Kraftstoff knapp sei, konnte das Baumaterial nicht geliefert werden, berichtet die Nachrichtenagentur Kyoda unter Berufung auf lokale Behörden.

Geht es nach offiziellen Zahlen sind bis dato 7179 Tote zu beklagen. "Der Fokus liegt darauf, so viele tote Körper wie möglich zu bergen und sie anschließend zu identifizieren", so ein Rotkreuz-Sprecher. Neben der Identifizierung stellen die Tausenden Toten ein riesiges organisatorisches Problem dar: Die provisorisch errichteten Leichenhallen reichten nicht aus, zudem fehle es dort an Eis zur Kühlung der Toten, berichtet die Zeitung Yomiuri . In einigen Gemeinden müssen die Leichname sogar in Sporthallen aufgebahrt werden, "was früher oder später zu erheblichen Hygieneproblemen führen wird" zitiert die Zeitung eine offizielle Behörde. In einigen betroffenen Gebieten wird deshalb nun überlegt, die Toten zu beerdigen und nicht, wie in Japan üblich, einzuäschern.

Verstrahlter Spinat

Unterdessen teilte Regierungssprecher Yukio Edano gestern, Samstag, mit, dass sowohl Spinat als auch Milch aus der vom Atomunfall betroffenen Provinz Fukushima verstrahlt ist. Die Strahlenwerte überschritten die zulässigen Höchstgrenzen. Eine akute Gesundheitsgefährdung sei derzeit aber nicht zu erwarten. Wer ein Jahr lang von der belasteten Milch trinken oder vom verstrahlten Spinat essen würde, erleide eine Strahlendosis, die mit der Stärke einer Röntgenuntersuchung vergleichbar sei, so
Edano. Die Regierung stoppte inzwischen den Verkauf von Lebensmitteln aus der Präfektur Fukushima.

In der Hauptstadt Tokio wurden gestern erstmals im Leitungswasser erhöhte Werte von Radioaktivität nachgewiesen. Es handle sich um Spuren von radioaktivem Jod, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf einen Vertreter des Wissenschaftsministeriums am Samstag.