Frau mit Kopfschmerzen
© ColorboxÖko-, MSC- oder Sick-Building-Syndrom: Auch wenn Auslöser oft nicht nachzuweisen sind, handelt es sich um ein erst zu nehmendes Problem
Immer häufiger leiden Menschen unter unspezifischen Überempfindlichkeiten, die sich nicht eindeutig greifen lassen. Da es kein einheitliches Krankheitsbild gibt, ist die Suche nach vermeintlichen Auslösern schwierig.

Seit einigen Jahren tauchen in den Arztpraxen immer häufiger Menschen auf, die unter unspezifischen und schwer zu fassenden Überempfindlichkeiten leiden. Sie haben zum Teil sehr unterschiedliche Symptome, die sich weder eindeutig allergischen noch pseudoallergischen Ursachen zuordnen lassen. Oft waren die Betroffenen schon bei zahlreichen Fachärzten oder auch bei Heilpraktikern, Umweltberatern bis hin zu Wunderheilern - jeweils ohne Erfolg.

Die Liste der vermuteten Krankheitsauslöser wird von Holzschutzmitteln, Schimmelpilzen und Lösungsmitteln angeführt. Doch in den meisten Fällen lässt sich mit analytischen Methoden nicht eindeutig bestätigen, dass diese Stoffe ursächlich sind für die Beschwerden. Die geschilderten Symptome lassen sich auch meist nicht genau eingrenzen und reichen von anhaltender Müdigkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen und Schwindel über schwere Haut- und Schleimhauterkrankungen bis hin zu Gedächtnisstörungen, Reizbarkeit und depressiven Verstimmungen.

Ob tatsächlich Umweltschadstoffe daran beteiligt sind, ist nach wie vor heftig umstritten. Dass sich oft keine Auslöser nachweisen lassen, könnte auch daran liegen, dass die diagnostischen Möglichkeiten auf diesem Gebiet noch sehr begrenzt sind. Einige Wissenschaftler vermuten eine erhöhte Geruchsempfindlichkeit, andere glauben, es liege an neurophysiologischen Veränderungen bei der Reizübertragung. In manchen Fällen aber gelingt es doch, durch ein gründliches, fachgerechtes Nachweisverfahren echte Überempfindlichkeitsreaktionen zu belegen. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts hat gezeigt, dass sich hinter unspezifischen Beschwerden eine schwer zu entwirrende Vielfalt von teils allergologischen, teils psychosomatischen und nur sehr selten toxischen Reaktionen verbirgt.

Chemiekalienunverträglichkeit: Öko- oder MCS-Syndrom

Die Symptomkomplexe werden von verschiedenen Autoren und Experten zu einer Vielzahl von Krankheitsbeschreibungen zusammengefasst, zum Beispiel als Ökosyndrom, multiple chemische Überempfindlichkeit (Multiple Chemical Sensitivity, MCS-Syndrom) oder krankmachendes Gebäudesyndrom (Sick-Building-Syndrom).

Unter einem Öko-Syndrom versteht man laut "Weißbuch Allergie" Krankheitsbilder, die mit unterschiedlichen, sehr subjektiven Beschwerden einhergehen, "verbunden mit der Überzeugung, durch Umweltschadstoffe erkrankt zu sein". In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff häufig synonym zur multiplen chemischen Sensitivität (MCS-Syndrom) verwendet. Mediziner definieren mit der Bezeichnung jedoch vor allem Beschwerden, die mit chemischen Stoffen in Verbindung gebracht werden. Diese liegen aber in äußerst geringen Konzentrationen vor, so dass sie allgemein nicht mehr als schädlich erachtet werden. Mit herkömmlichen Nachweismethoden lässt sich keine eindeutige Ursache für die Erkrankung feststellen.

In einer Studie von Wissenschaftlern der TU München konnte kein Zusammenhang zwischen der Belastung mit bestimmten Chemikalien und den entsprechenden Beschwerden gefunden werden. Die Annahme, dass es so etwas wie ein Öko-Syndrom tatsächlich gibt, hält der Leiter der Studie, Thomas Zilker, deshalb "für einen Fehlglauben, der sozial verstärkt wird". Die Mediziner untersuchten mehr als 300 Patienten mit solch unspezifischen Symptomen, die auf Umweltschadstoffe zurückgeführt wurden. Sie verglichen diese Gruppe mit rund 60 Arbeitern aus der Halbleiter-Industrie, die berufsbedingt häufig mit geringen Mengen von Chemikalien in Kontakt kommen. Bei beiden Gruppen untersuchten die Forscher die Belastung durch Lösungsmittel, Schwermetalle und andere Gifte und überprüften anhand von Befragungen den psychischen Zustand der Personen. Die Untersuchung ergab, dass fast die Hälfte der MCS-Patienten unter psychosomatischen Störungen litt, gegenüber etwa acht Prozent bei den Arbeitern. Depressionen lagen in einem Verhältnis von 19 zu 3,5 Prozent und Angststörungen sogar in einem Verhältnis von 18 zu 0 Prozent vor. Vieles spricht deshalb dafür, dass psychosomatische und Persönlichkeitsstörungen sowie emotionale Probleme ursächlich eng mit dem MCS-Syndrom verknüpft sind.

Krank machende Gebäude: Sick-Building-Syndrom

Laut einer internationalen Konvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird von einem Sick-Building-Syndrom gesprochen, wenn bei mehr als 10 bis 20 Prozent der Bewohner oder der Beschäftigten in einem Gebäude unspezifische Beschwerden auftreten, die nach Verlassen des Gebäudes rasch wieder abklingen. Die vermuteten Zusammenhänge zwischen einem Aufenthalt in bestimmten Räumen und bestimmten Beschwerden können dabei oft nicht widerlegt, aber eben auch nicht bewiesen werden.

Zum Teil lassen sich die Ursachen in einer mangelhaften Klimatechnik finden. Das Problem ist jedoch, dass viele Faktoren eine Rolle spielen können, die sich möglicherweise auch gegenseitig beeinflussen. Wenn selbst ein aufwendiges Analyse- und Diagnoseverfahren zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt, muss man davon ausgehen, dass vermutlich auch psychische Faktoren eine Rolle spielen.

Beste Therapie: Auslöser meiden

Zu einer möglichen Behandlung schreiben die Autoren des "Weißbuchs Allergie", sie richte sich "ganz nach den Ergebnissen der intensiven Untersuchungen.“ Besonders wichtig sei es, die als relevant erkannten Auslösefaktoren zu meiden. Darunter fallen spezielle Diäten, die Behandlung von Grunderkrankungen, möglicherweise auch eine Sanierung des Wohnraums. Auch eine psychosomatische oder psychiatrische Therapie könne hilfreich sein. Insgesamt bestehe ein erheblicher Forschungsbedarf auf diesem Gebiet.