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Sogenannte Bose-Einstein-Kondensate, ein völlig eigener Zustand der Materie, konnten bisher nur aus einem Element hergestellt werden. Auf dem Weg dazu, solche Zustände auch mit Molekülen zu erreichen, die aus zwei Elementen bestehen, sind Innsbrucker Physiker nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen.

Bei ihren Experimenten fanden Rudolf Grimm und Florian Schreck vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) auch verblüffende Analogien zur Urmaterie kurz nach dem Urknall.

Noch kein Molekül

Die Wissenschaftler arbeiten bei ihren Experimenten mit Quantengasen. Dabei wird ein Gas in einer Magnetfalle auf eine Temperatur von nur Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius abgekühlt, wodurch die Quanteneigenschaften der Materie zutage treten. Unter bestimmten Bedingungen entsteht dabei ein Bose-Einstein-Kondensat, bei dem die Teilchen quasi ihre Identität verlieren und im Gleichschritt zu funktionieren beginnen. Die erstmalige Erzeugung eines solchen Kondensats im Jahr 1995 wurde 2001 mit dem Nobelpreis gewürdigt.

Grimm und Schreck verwendeten für ihre Experimente die Elemente Lithium-6 und Kalium-40. Kühlte man bisher zwei verschiedene Elemente so stark ab, blieb jedes für sich, es gab keine Interaktion zwischen den beiden. Den Innsbrucker Physikern gelang es nun gemeinsam mit italienischen und australischen Forschern weltweit erstmals, durch Magnetfelder eine starke Wechselwirkung zwischen den beiden Elementen kontrolliert herzustellen.

Noch bilden Lithium-6 und Kalium-40 keine Moleküle, was das eigentliche Ziel wäre, aber die starke Wechselwirkung zwischen den Atomen ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung. "Die Magnetfelder müssen dazu auf ein Millionstel genau justiert und sehr präzise kontrolliert werden", erklärt Florian Schreck, der im Vorjahr mit dem START-Preis ausgezeichnet wurde, am Freitag in einer Aussendung der Uni Innsbruck.

Ähnlichkeit mit "Ursuppe"

Das Innsbrucker Quantengas-Experiment kann aber auch als Modellsystem für Phänomene im Universum gesehen werden. Den gängigen Theorien zufolge bestand das gesamte Universum in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall aus einem sogenannten Quark-Gluon-Plasma. Diese extrem heiße "Ursuppe" setzte sich aus Quarks und Gluonen zusammen, den Bausteinen von Protonen und Neutronen. Auf der Erde lässt sich dieser Zustand in großen Teilchenbeschleunigern beobachten, wenn zum Beispiel Kerne von Bleiatomen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit zum Zusammenstoß gebracht werden.

Die Teilchenwolken aus Lithium-6 und Kalium-40-Atomen in den Innsbrucker Labors zeigen nun sehr ähnliches Verhalten wie diese "Ursuppe". Damit konnte nach Angaben der Wissenschaftler ein Modellsystem etabliert werden, das sich unter sehr gut kontrollierbaren Laborbedingungen ganz ähnlich verhält wie das um mehr als 20 Größenordnungen energetisch stärkere Quark-Gluon-Plasma. Großes Ziel bleibt es aber, Quantenkondensate herzustellen, betonte Grimm, wie etwa Bose-Einstein-Kondensate von aus Lithium- und Kaliumatomen gebildeten Molekülen.

Zur Studie in den Physical Review Letters:

"Hydrodynamic Expansion of a Strongly Interacting Fermi-Fermi Mixture" von A. Trenkwalder et al.