Mithilfe neuester Extraktions- und Analysetechniken ist es Wissenschaftlern gelungen, dass mitochondriale Erbgut eines 400.000 Jahre alten Homininen, also einer Urmenschenart, aus Sima de los Huesos in Spanien zu entziffern. So alte DNA konnte bis vor kurzem nur von Fossilien aus Permafrostgebieten gewonnen werden. Anhand dieser Sequenz konnten die Forscher eine Verwandtschaft dieses Vertreters der Gattung Homo mit den Denisova-Menschen aufdecken, einem ausgestorbenen Verwandten des Neandertalers aus Asien.
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© Kennis & Kennis, Madrid Scientific FilmsKünstlerische Rekonstruktion der Homininen aus Sima de los Huesos. Sie lebten vor ungefähr 400.000 Jahren während des Mittleren Pleistozäns.
Leipzig (Deutschland) - Bei der "Knochengrube" Sima de los Huesos handelt es sich um eine einzigartige Höhle in Nordspanien, die das weltweit größte Inventar an homininen Fossilien aus dem Mittleren Pleistozän birgt: Mindestens 28 Skelette werden hier seit mehr als 20 Jahren von spanischen Forschern um Juan-Luis Arsuaga ausgegraben und zusammengesetzt. Klassifiziert wurden die Fossilien als die der Hominini-Art Homo heidelbergensis. Zugleich weisen sie aber auch für den Neandertaler typische Merkmale auf.

Während es bisher nicht möglich war, das Erbgut dieser einzigartigen Homininen zu untersuchen, nutzen Matthias Meyer und sein Team vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig eine kürzlich neuentwickelte Techniken für die Gewinnung und Sequenzierung stark degradierter alter DNA, die sie zunächst erfolgreich auf die Überreste eines Höhlenbären aus Sima de los Huesos anwendeten. Ihre Ergebnisse haben die Foscher aktuell im Fachjorunal Nature (DOI: 10.1038/nature12788) veröffentlicht.

Anschließend entnahmen die Forscher dem Oberschenkelknochen eines Homininen aus derselben Höhle zwei Gramm Knochenpulver, extrahierten daraus die DNA und entzifferten das Genom des Mitochondriums, welches einen kleinen Teil des Gesamtgenoms repräsentiert, in vielen Kopien pro Zelle vorkommt und von den Müttern an die Nachfahren weitergegeben wird. Danach verglichen sie diese alte sogenannte mitochondriale DNA (mtDNA) mit der von Neandertalern, Denisova-Menschen, heute lebenden modernen Menschen (Homo sapiens) und Menschenaffen.

Anhand der in den alten DNA-Sequenzen fehlenden Mutationen berechneten die Forscher dann das Alter des Homininen aus Sima auf etwa 400.000 Jahre. Darüber hinaus stellten sie fest, dass dieser Hominine und die Denisova-Menschen vor etwa 700.000 Jahren einen gemeinsamen Vorfahren hatten.

"Dass die mtDNA des Homininen aus Sima einen gemeinsamen Vorfahren mit der mtDNA des Denisova-Menschen und nicht mit der des Neandertalers teilt, überrascht uns, denn die Fossilien von Sima de los Huesos weisen Merkmale auf, die vom Neandertaler zu stammen scheinen”, sagt Matthias Meyer. Angesichts ihres Alters und der Ähnlichkeit zum Neandertaler könnten die Homininen aus Sima mit der Population verwandt sein, aus der später sowohl die Neandertaler als auch die Denisova-Menschen hervorgegangen sind. Alternativ dazu könnte aber auch eine andere Gruppe von Homininen Denisova-ähnliche mtDNA an die Sima-Homininen oder deren Vorfahren weitergegeben haben.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir nun sogar das Erbgut von menschlichen Verwandten untersuchen können, die vor mehreren hunderttausend Jahre lebten", zeigt sich der Direktor des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Svante Pääbo, von den Ergebnissen fasziniert. "Das eröffnet uns ganz neue und aufregende Möglichkeiten: Wir können jetzt womöglich die DNA der Vorfahren von Neandertalern und Denisova-Menschen analysieren."

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© Javier Trueba, Madrid Scientific FilmsDas Skelett eines Homo heidelbergensis aus Sima de los Huesos, einer einzigartigen Höhle in Nordspanien.
Dieses unerwartete Ergebnis deute auf ein kompliziertes Evolutionsmuster hinsichtlich der Entstehung von Neandertalern und modernen Menschen, so die Forscher. "Weitere Studien werden hoffentlich zur Klärung der genetischen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Homininen aus Sima de los Huesos, den Denisova-Menschen und den Neandertalern beitragen", sagt Juan-Luis Arsuaga, Direktor des Forschungszentrums zur Evolution und zum Verhalten des Menschen.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Forscher nun versuchen, DNA von weiteren homininen Fossilien aus Sima zu gewinnen, darunter auch DNA-Sequenzen aus dem Zellkern.

Quelle: Nature