Moskau baut seine Macht auf der Krim aus: Russische Kräfte haben den Stützpunkt der ukrainischen Armee in Nowoosjornoje attackiert. Über dem Marinehauptquartier der Ukraine in Sewastopol weht bereits die russische Flagge.
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Sewastopol/Kiew - Russische Milizen haben nach Angaben der Kiewer Regierung eine weitere Militärbasis auf der Krim angegriffen. Wie ein Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums mitteilte, verschafften sie sich mit einem Traktor Zugang und übernahmen die Kontrolle über den Stützpunkt in Nowoosjornoje im Westen der Halbinsel.

Zuvor hatten die moskautreuen Milizen mit russischen Einheiten bereits das Hauptquartier der ukrainischen Marine in Sewastopol besetzt. Nach übereinstimmenden Medienberichten gab es keine Verletzte.

Reuters meldet unter Berufung auf einen Sprecher der ukrainischen Marine, es seien keine Schüsse gefallen. Die russischen Krim-Soldaten seien nicht bewaffnet gewesen, Dutzende zum Teil Maskierte hätten russische Flaggen unter den Klängen der russischen Nationalhymne gehisst.

Die russischen Milizen hätten die ukrainischen Offiziere herausgeleitet, berichtet das örtliche Internetportal sevastopol.su am Mittwoch. Die Nachrichtenagentur dpa meldet, nach mehr als 30 Soldaten hätten auch die Kommandeure den Stützpunkt verlassen. sevastopol.su berichtet weiter, Marinechef Sergej Gajduk habe sich im Jogginganzug gestellt.

Die russischen Milizionäre erklärten, sie hätten den Oberbefehlshaber vorübergehend festgenommen. Es gebe noch Fragen an Vizeadmiral Gajduk, meldete die moskautreue Agentur Kriminform am Mittwoch unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft in der Hafenstadt Sewastopol. Gajduk habe an den ukrainischen Stützpunkten den Befehl aus Kiew verbreiten lassen, Waffen zur Selbstverteidigung einzusetzen. Der Chef der russischen Schwarzmeerflotte, Alexander Witko, forderte die ukrainischen Truppen auf der Halbinsel auf, diesen Befehl nicht umzusetzen.

Ukrainischen Ministern wird Zugang zur Krim verweigert

Die moskautreue Krim-Führung forderte die ukrainischen Soldaten auf der Halbinsel zum Seitenwechsel auf. Der Oberkommandeur der russischen Schwarzmeerflotte Witko verhandele über eine friedliche Übergabe, berichteten russische Agenturen.

Der erste ukrainische Vizeministerpräsident Witalij Jarema und der Verteidigungsminister Igor Tenjuch sind auf Geheiß von Regierungschef Arsenij Jazenjuk auf dem Weg auf die Krim. Ihre Aufgabe sei, "die Situation zu lösen", heißt es in einem Beschluss des Kabinetts.

Der selbsternannte Krim-Premier Sergej Axjonow teilte mit, man werde den Ministern nicht erlauben, die Halbinsel zu betreten. "Niemand wartet auf der Krim auf sie. Und niemand wird sie hereinlassen." Die Politiker würden zurückgeschickt, sagte Axjonow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge in Moskau.

Ukraine will Truppen nicht abziehen

Der Verteidigungsminister hatte zuvor in Kiew erklärt, die Streitkräfte seines Landes würden auf der Krim verbleiben. Bereits am Dienstag hatte die ukrainische Führung davon gesprochen, dass im Krim-Konflikt mit Russland nun die "militärische Phase" angebrochen sei.


Kommentar: Hier wird erkenntlich von wem erste - wenn auch nur wörtlich - Gewalt ausgeht: der momentanen Regierung der Ukraine. Zum Glück entschieden sich Soldaten bis jetzt nicht zu so einem Schritt, denn das würde eine weitere Eskalation bedeuten.


Premier Jazenjuk hatte gesagt, der Konflikt habe sich "von einem politischen in einen militärischen" verwandelt. Den ukrainischen Soldaten sei es erlaubt, fortan bei bewaffneten Angriffen ihre Schusswaffen einzusetzen.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte, Moskau schreite weiter "auf einem gefährlichen Pfad" voran. Im Schwarzen Meer begann das US-Kriegsschiff Truxtun ein eintägiges Manöver mit bulgarischen und rumänischen Seeeinheiten. (Verfolgen Sie hier die Ereignisse im Liveticker.)

Eklatanter Bruch des Völkerrechts

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte wenige Stunden zuvor den Vertrag über die Aufnahme der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim in die Russische Föderation unterzeichnet. Die Halbinsel sei immer ein Teil Russlands gewesen, begründete der Staatschef in einer Rede an die Nation sein Vorgehen.

Das russische Verfassungsgericht in St. Peterburg stufte die Angliederung der Halbinsel Krim an Russland als legal ein. Der von Präsident Putin unterzeichnete Vertrag sei verfassungsgemäß, urteilte das Gericht nach eigenen Angaben am Mittwoch. Demnach fiel die Entscheidung einstimmig. Anschließend sollen die Staatsduma und der Föderationsrat den Vertrag ratifizieren. Die Zustimmung der beiden Gremien steht noch aus, gilt aber als sicher. Sie wird noch diese Woche erwartet.

Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt.

Die USA, die EU und die Ukraine sehen einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Washington drohte Moskau mit weiteren Sanktionen. In Russland feierten rund 600.000 Menschen nach Angaben des Innenministeriums die Vereinigung mit der Halbinsel in der Schwarzmeerregion.


heb/AFP/Reuters/dpa