Die europäische "Rosetta"-Mission ist der Höhepunkt des Jahres: Erstmals soll eine Raumsonde auf einem Kometen landen. Doch zuvor muss das Landegerät "Philae" eine weitere Bewährungsprobe bestehen.

Kometen haben die Menschen schon immer fasziniert. Die Griechen und Römer sahen in ihnen Zeichen der Götter, bis ins 17. Jahrhundert galten sie als Schicksalsboten. Immer wieder wurden die Schweifsterne von Künstlern dargestellt - als Stern von Bethlehem etwa. Nun stehen europäische Wissenschaftler kurz davor, an den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko anzudocken und ihn erstmals aus der Nähe zu beobachten.


Doch zuvor muss Europas spektakuläre Weltraummission die nächste Bewährungsprobe bestehen: Gut zwei Monate nach dem "Aufwachen" der "Rosetta"-Kometensonde im All wollen deutsche Forscher am Freitag deren Landeroboter "Philae" in Betrieb nehmen.

Um das Landegerät nach dem langen Winterschlaf von "Rosetta" wieder einzuschalten, wird eine Aktivierungssoftware zur Sonde geschickt, die nach DLR-Angaben mehr als 650 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.

Die ersten "Philae"-Daten erwartet das DLR dann am Freitagnachmittag. Bei der Aktivierung von "Philae" beträgt die Entfernung der Sonde zu 67P/Tschurjumow-Gerasimenko noch knappe vier Millionen Kilometer - die exakte Zahl gibt das DLR mit 3.846.768 Kilometern an.

"Philae" verfügt über insgesamt zehn Instrumente. Dazu zählen Vorrichtungen zur Temperaturmessung auf dem Schweifstern und eine Panoramakamera.

Zur Ausstattung des Minilabors gehört auch ein Bohrer, mit dem "Philae" mehr als 20 Zentimeter in den Kern des Kometen vordringen und dort Proben entnehmen kann. Diese Proben soll der Hightechlander dann in seinem Bordlabor analysieren.

Ein weiteres "Philae"-Instrument könnte bei seinen Analysen vielleicht sogar organische Verbindungen wie Aminosäuren identifizieren. Von den Messinstrumenten erhoffen sich die Wissenschaftler tiefe Einblicke in die Beschaffenheit des Kometen.

"Philae" zurrt sich mit Eisschrauben fest

Zuvor allerdings muss "Philae" sicher auf der unwirtlichen Kometenoberfläche aufsetzen - der erste Landeversuch auf einem solchen Himmelskörper überhaupt gilt als durchaus heikel: Wegen der verschwindend geringen Schwerkraft auf 67P/Tschurjumow-Gerasimenko muss sich "Philae" mit Eisschrauben und zwei Harpunen festzurren.

Anderenfalls wäre die Mission des Landers schon nach dem ersten Kontakt mit dem Kometen wieder beendet - er würde ins All zurückgestoßen. Denn auf der Erde wiegt "Philae" zwar stolze 100 Kilo - auf "Tschuri" aber nur vier Gramm.

Im November soll es soweit sein: Dann wird die Weltraumsonde "Rosetta", die schon seit zehn Jahren im All ist, ganz nah an den Kometen herangeflogen sein. So nah, dass sie den Lander "Philae" auf dem Himmelskörper absetzen kann. Gesteuert und betrieben wird der kühlschrankgroße Lander vom Kontrollraum des DLR-Nutzerzentrums für Weltraumexperimente in Köln.

Bislang ist noch nie eine Sonde auf einem Kometen gelandet. Jedoch war die japanische Raumsonde "Hayabusa" bereits 2005 auf einem Asteroiden und hat Jahre später Bodenproben zur Erde zurückgebracht.

Weicher Neuschnee auf Kometenoberfläche

Als "Philae" gebaut wurde, dachten die Forscher noch, die Oberfläche dieses Kometen bestünde aus hartem Eis. Mittlerweile glauben sie eher, dass es weicher Neuschnee sein könnte. "Es ist sehr, sehr, sehr spannend", sagt Projektleiter Stephan Ulamec. "Philae" darf bei der Landung bloß nicht umkippen.


Kommentar: Die Forscher werden bezüglich "Neuschnee und Eis" wohl eine Überraschung erleben (siehe Kommentar am Ende des Artikels).


Wenn das mit Instrumenten vollgestopfte Minilabor gelandet ist und seine Fühler ausgestreckt hat, können die Forscher zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt einen Kometenschweif genau untersuchen. Bisher gab es immer nur kurze Momentaufnahmen im Vorbeifliegen, doch nun wird "Philae" für Monate auf einem Kometen durchs All reiten.

Dem leuchtenden Schweif kommt dabei besondere Bedeutung zu. "Das ist ja das Schöne an Kometen", schwärmt Ulamec. "Dadurch sieht man sie ja auch von der Erde." Das Anhängsel ist nicht fest, es besteht aus Gasen - hauptsächlich Wasserdampf - , die Staubteilchen mit sich reißen.

Kometen sind Überreste der Entstehung des Sonnensystems. Sie bestehen aus einer Mischung von Eis und Gestein und werden daher auch als schmutzige Schneebälle bezeichnet. Nähert sich ein Komet der Sonne, beginnt sein meist nur wenige Kilometer großer Kern zu verdampfen und bildet eine dichte Staub- und Gaswolke, die sogenannte Koma.

Wie sich ein Kometenschweif entwickelt

Später entsteht der Kometenschweif. Dabei handelt es sich um Gasmoleküle und Staubteilchen, die von der Sonnenstrahlung und dem beständigen Partikelstrom der Sonne, dem sogenannten Sonnenwind, aus der Koma weggeblasen werden.

Die Wissenschaftler hoffen, erstmals beobachten zu können, wie sich ein solcher Schweif entwickelt, wie groß die Staubteilchen sind, die mitgerissen werden, und wie viel Staub wieder zurückfällt.

Dabei geht es um sehr viel mehr als nur um Kometenforschung: Die Planeten des Sonnensystems - auch die Erde - sind aus Weltraumstaub entstanden. Staub, wie ihn die Kometen noch immer hinter sich herziehen. Einen Kometen zu untersuchen, bedeutet deshalb, einen Blick auf die Anfänge des Sonnensystems zu erhaschen.

Die Fragen, die die Forscher bewegen, lauten: Wie entstanden unsere Ozeane? Ist das Wasser über Kometen auf unseren Planeten gekommen oder durch Vulkanismus aus dem Inneren der Erde? Haben sich die relevanten Moleküle zur Entstehung des Lebens auf der Erde gebildet oder kamen sie von außen?

Das herauszufinden, bringt erst einmal keine konkreten Vorteile mit sich. "Ich will das nicht verkaufen als eine Mission, die Geld bringt in naher Zukunft", sagt Ulamec. Es gehe um die großen Fragen: "Woher kommen wir? Wo gehen wir hin? Es ist einfach ein Bestreben der Menschen, die Ursprünge zu erfahren und zu verstehen."