Heidelberg - Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum, dem Imperial College London, aus Australien und Italien entdeckten ein Protein, das Entzündungen verhindert, die durch den Botenstoff TNF ausgelöst werden. Solche Entzündungen treten bei schweren Autoimmunerkrankungen wie etwa der rheumatoiden Arthritis auf und können das Krebswachstum fördern. Die Forscher veröffentlichen die Ergebnisse heute in der Zeitschrift Nature.

Tumornekrosefaktor - diesen Namen trägt ein Botenstoff des Immunsystems aufgrund früherer Beobachtungen. Diese hatten zunächst die Hoffnung genährt, das Protein könnte eine breite Anwendung in der Krebstherapie finden. Mittlerweile weiß man jedoch, dass der Tumornekrosefaktor (TNF) sich nur selten gegen den Tumor richtet und dort nicht die Krebszellen selbst abtötet, sondern die Blutgefäßzellen, die den Tumor versorgen.

Tatsächlich ist TNF an Entzündungen in einer Vielzahl von Geweben verantwortlich. Chronische TNF-bedingte Entzündungen fördern sogar, dass Krebs sich ausbreiten kann. Der Botenstoff weckt die Wanderbereitschaft der Tumorzellen und erhöht so die Metastasierungsfähigkeit bestimmter Krebsarten. Andererseits kommt TNF auch bei schweren Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder Morbus Crohn eine zentrale Rolle zu. Wirkstoffe, die TNF hemmen, lindern erfolgreich die Symptome dieser Krankheiten.

Professor Dr. Henning Walczak, der Leiter der Studie, die heute in Nature erscheint, forschte am Deutschen Krebsforschungszentrum und seit Oktober 2007 am Londoner Imperial College. Sein Team untersuchte gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Melbourne (Australien) und Italien, wie TNF Entzündungsreaktionen auslöst und wie diese verhindert werden können.

Die Wissenschaftler um Walczak entdeckten gemeinsam mit dem Team von Professor Dr. John Silke, La Trobe University, Melbourne, dass ein Protein namens Sharpin die Entstehung TNF-bedingter Entzündungen verhindert: Mäusen, denen aufgrund einer natürlich vorkommenden Erbgutveränderung Sharpin fehlt, leiden an schweren Entzündungen der Haut und der inneren Organe. Schalteten die Forscher in diesen Tieren zusätzlich TNF aus, so traten keinerlei Entzündungssymptome mehr auf. Damit zeigten die Forscher, dass TNF in Abwesenheit von Sharpin für die Entzündungen verantwortlich ist. Sharpin unterdrückt also unter natürlichen Bedingungen die entzündungsfördernde Wirkung von TNF. Mit weiteren Experimenten zeigten die Forscher, dass Sharpin dies erreicht, indem es TNF daran hindert, den entzündungsfördernden Zelltod auszulösen.

"Chronisch entzündliche Autoimmunerkrankungen sind weit verbreitet. Viele darunter bedeuten für die Betroffenen enormes Leiden und sind heute oft nur unzureichend zu behandeln. Je besser wir die Signalwege verstehen, die solche Entzündungsprozesse auslösen, desto gezielter können wir mit Medikamenten eingreifen. Die Entdeckung, dass Sharpin den Ausbruch TNF-bedingter Entzündungen verhindert, kann der Therapieentwicklung neue Wege weisen", erläutert Henning Walczak.

Björn Gerlach, Stefanie M. Cordier, Anna C. Schmukle, Christoph H. Emmerich, Eva Rieser, Tobias L. Haas, Andrew I. Webb, James A. Rickard, Holly Anderton, Wendy W.-L.Wong, Ueli Nachbur, Lahiru Gangoda, Uwe Warnken, Anthony W. Purcell, John Silke & Henning Walczak: Linear ubiquitination prevents inflammation and regulates immune signalling. Nature, 31. März 2011; DOI: 10.1038/nature09816
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Ansätze, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Daneben klären die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.