Viel Fett, wenige Kohlenhydrate: Diese Art der Ernährung schützt Gehirnzellen, zeigt eine Lübecker Studie
butter fett
Ernährung ist nicht immer nur im Zusammenhang von Gewichtskontrolle ein wichtiges Thema. Wer was und in welchen Mengen zu sich nimmt, hat auch Auswirkungen aufs Gehirn.

Das ist seit Jahrzehnten aus der Therapie von Epilepsiepatienten bekannt. Zurzeit laufen Versuche, spezielle Diätformen für die Behandlung des Morbus Alzheimer und anderer neurodegenerativer Erkrankungen zu entwickeln.

Schützend für das Gehirn scheint eine sogenannte ketogene Diät zu sein, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten und Proteinen ist. Unter einer ketogenen Diät ähnelt der Stoffwechsel teilweise dem im Hungerzustand.

Fett zu Ketonkörper

In beiden Fällen verbrennt der Körper Fett, das entweder aus der Diät oder aus körpereigenen Depots stammt. Dabei wird Fett in Ketonkörper umgewandelt. Wie aber Ketonkörper das Gehirn schützen, war bislang unklar.

Forschern aus dem Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein ist es jetzt gelungen, den Wirkmechanismus von Ketonkörpern zu entschlüsseln. Sie hoffen, mit Hilfe dieses Wissens wirksamere Therapeutika für neurologische Erkrankungen entwickeln zu können.

Alzheimer & Co

Bei neurologischen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Schlaganfällen sterben Nervenzellen ab. Der Untergang der Nervenzellen ist zumindest teilweise auf eine Überreaktion von Entzündungszellen zurückzuführen, die in das Gehirn einwandern. Die Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Markus Schwaninger, Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, haben herausgefunden, dass eine ketogene Diät und die entstehenden Ketonkörper auf die Entzündungszellen, Monozyten und Makrophagen, im Gehirn einwirken.

Dabei binden sich Ketonkörper an einen Rezeptor mit dem Namen HCA2, der sich auf Entzündungszellen befindet. "Ketonkörper instruieren durch HCA2 Entzündungszellen, das Gehirn zu schützen", so Schwaninger.

Therapie mit Nikotinsäure

Eine ketogene Diät ist so fettreich, dass sie schlecht schmeckt und bei Patienten meist unbeliebt ist.


Kommentar: Eine ketogene Ernährung muss nicht schlecht schmecken, denn auch hier ist einfach nur Kreativität gefragt. Zudem hat der Eindruck, dass sie schlecht schmecke, vielmehr damit zu tun, dass bei einer lebenslange kohlenhydratreiche Ernährung dem Körper stets Suchtstoffe (in Form von Zucker, Milchprodukten, Gluten) zugeführt wurden. Das Weglassen dieser Suchtstoffe führt zunächst zu Entzugserscheinungen in Form von Heißhunger. Sobald dieser durchgestanden ist und der Körper sich an die ketogene Ernährung angepasst hat, führt das oft zu weitreichenden gesundheitlichen Verbesserungen, zu mehr Energie, klarerem Denken.


Die Lübecker Forscher fanden aber, dass auch Nikotinsäure wie Ketonkörper durch HCA2 einen Untergang von Hirngewebe verhindern kann.

Nikotinsäure wird bereits seit vielen Jahrzehnten zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt. Als "ketogene Diät in Tablettenform" könnte Nikotinsäure ein Comeback in einer neuen Indikation haben.

Tatsächlich wurde Nikotinsäure schon in den 50er-Jahren bei akutem Schlaganfall unter der Vorstellung verwendet, dass es zu einer Gefäßerweiterung im Gehirn führt. Später hatte sich aber herausgestellt, dass die Gefäßerweiterung nur auf die Haut beschränkt ist.

"Auch wenn Nikotinsäure nicht die Durchblutung des Gehirns steigert, hat es doch einen Effekt beim Schlaganfall und möglicherweise auch bei anderen neurologischen Erkrankungen", sagt Schwaninger.

Entzündungen hemmen

In weiteren Experimenten fanden die Wissenschaftler heraus, wie die Aktivierung des HCA2-Rezeptors das Gehirn schützt. "Wir vermuten, dass entzündungshemmende Faktoren gebildet werden, aber die genaue Identifizierung dieser Faktoren steht noch aus" räumt Schwaninger ein. Neben der genauen Wirkweise steht die Testung weiterer Substanzen, die an den HCA2-Rezeptor binden, auf der Arbeitsliste der Lübecker Forscher. Sie hoffen, einen Stoff mit gleicher oder besserer Wirksamkeit aber weniger Nebenwirkungen zu finden.

Die zunehmende Zahl von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie M. Alzheimer oder Schlaganfall wartet dringend auf neue therapeutische Ansätze.

(idw/red)

Originalpublikation


The β-hydroxybutyrate receptor HCA2 activates a neuroprotective subset of macrophages