Anders als Großkonzerne können kleinere Firmen nicht einfach in andere Weltregionen ausweichen

Die MWL Apparate Bau GmbH im sächsischen Grimma lebt schon lange von ihren guten Kontakten in Russland. Doch dieser Tage sind diese historisch gewachsenen Beziehungen nicht viel wert. Der Hersteller von Druckbehältern für die chemische und petrochemische Industrie hat in den vergangenen sechs Monaten, bedingt durch die Krise, einen "erheblichen" Rückgang bei den Aufträgen verzeichnet, wie Vertriebsleiter Reinhard Weber erläuterte. Das Unternehmen kommt auf einen Jahresumsatz von rund 20 Millionen Euro.

"Wir haben zwei Aufträge aus Russland nicht bekommen, wo wir der Meinung sind: aus politischen Gründen", sagte Weber in einem Telefoninterview. "Man hat Angst vor weiteren Sanktionen - dass man eine Bestellung platziert und dass möglicherweise die Lieferung aufgrund politischer Entscheidungen in Deutschland oder Europa nicht getätigt werden kann." MWL ist eines von vielen mittelständischen Unternehmen aus Deutschland, die bereits die Kaufzurückhaltung russischer Kunden zu spüren bekommen. Angesichts der Verschärfung der Sanktionen auf westlicher Seite und der russischen Gegenmaßnahmen rechnen sie mit weiteren Problemen.

Das gilt zum Beispiel für die Amandus Kahl GmbH. Der Hersteller von Recyclinganlagen aus Reinbek bei Hamburg hoffte für dieses Jahr auf etwa zehn Millionen Euro Umsatz aus Russland. Die Geschäfte mit Russland haben sich "mehr oder weniger in Luft aufgelöst, weil unsere Kunden keine Finanzierung bekommen", sagte Rochus Mecke, Verkaufsdirektor bei Kahl. "Wir bekommen noch Anfragen, aber es sind wirklich nur Anfragen." Anders als Dax-Großkonzerne wie BMW und Siemens können Mittelstandsunternehmen, die in Deutschland etwa 52 Prozent zur Wirtschaftsleistung beitragen, nicht ohne weiteres in andere Weltgegenden ausweichen.

"Der Mittelstand hat im Zweifelsfall ein weniger stark diversifiziertes Geschäft als Großunternehmen", sagte Tobias Baumann, für Russland zuständiger Referatsleiter beim Deutschen Industrie- und Handelstag in Berlin. Die größte Gefahr bestehe darin, dass man "hochspezialisierte Unternehmen mit einem hohen Exportanteil in Osteuropa sehenden Auges in den Ruin laufen lässt und damit auch technische Kompetenzen verloren gehen".

Die im Juli von der EU verhängten Sanktionen beschränken die Ausfuhr von Ausrüstung zur Modernisierung der Ölförderung in Russland. Darüber hinaus verbieten sie den Export von Gütern, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können. Russland antwortete mit Einfuhrverboten für Lebensmittel. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit galt zunächst vor allem den Auswirkungen der Sanktionen auf Großkonzerne aus den Bereichen Finanzen und Rüstung. Doch schmerzhafter wird es den Mittelstand treffen.

"Die Bremswirkungen der Sanktionsspirale machen sich jetzt zunehmend in den Auftragsbüchern der deutschen Unternehmen bemerkbar und drohen das Jahresergebnis zu verhageln", schrieb Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, per E-Mail. Sigmar Gabriel, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister (SPD), prüft Hilfsmaßnahmen "für Unternehmen, die in Existenzprobleme kommen" und deren Geschäfte nicht von Exportbürgschaften gedeckt sind.

Besonders hart treffen die Sanktionen Unternehmen in den östlichen Bundesländern, wo aufgrund der DDR-Vergangenheit engere Bindungen zu Russland bestehen. "Wenn die Krise noch länger dauert, ist die Gefahr groß, dass viele unserer russischen Kunden sich in Richtung von Ländern umorientieren, die sich nicht an den Sanktionen beteiligt haben", sagt Reinhard Pätz, Geschäftsführer Ost beim VDMA, dem Verband der Maschinen- und Anlagenbauer. "Manche Unternehmen haben 30 bis 50 Prozent ihres Geschäfts in Russland oder der Ukraine."

Die Union Werkzeugmaschinen GmbH Chemnitz mit 180 Beschäftigten hat bereits Kurzarbeit eingeführt. Russland ist der drittgrößte Markt des Unternehmens, das seit 1852 besteht. Schon zu DDR-Zeiten habe die Firma viele Werkzeugmaschinen nach Russland verkauft, und die Geschäftsbeziehungen seien nach wie vor eng, sagt Firmensprecherin Christina Debus. Doch neue Projekte gebe es nicht mehr, denn die Kunden tätigten keine Investitionen mehr.