Das nächste Sanktionspaket gegen Russland ist geschnürt und wartet auf die Umsetzung. Im vorauseilendem Gehorsam und ohne die nächsten Sanktionsschritte der USA abzuwarten, prescht die EU vorwärts und treibt die Eskalation voran, während in der Ostukraine die Zeichen gerade auf vorsichtige Entspannung stehen. Es heißt, nur wenn Russland seine Soldaten aus der Ukraine abziehe, sei die EU bereit, auf Sanktionen zu verzichten. Wie schon beim Absturz der MH17, sind Beweise nicht zwingend notwending. Wichtig ist nur die Logik der eigenen Rhetorik, die die EU zu destruktivem Aktionismus verpflichtet.
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Das vorgetragene Ziel, Russland "zum Einlenken" in der Ukraine-Haltung zu bewegen, ist genauso naiv wie utopisch, obwohl eigentlich nach dem ganzen verpatzten Entweder-Oder-Gezerre um die Ukraine keine Blauäugigkeit mehr seitens der EU noch richtig überraschen kann. Die Europäer unterschätzen hier mal wieder, um welch substanzielle Dinge es für Russland in der Ukraine geht und welchen langen Atem die Russen hier im Gegesantz zu den Europäern mitbringen.

Um was geht es den beiden Seiten, wenn sich die Sanktionsspirale immer weiter dreht?

Für die Russen geht es um die Millionen unterdrückter Landsleute, die vor nicht allzu langer Zeit das Pech hatten, sich jenseits der bis dato virtuellen Grenzen wiederzufinden und denen heute nicht nur elementare Bürgerrechte fehlen, sondern schlichtweg Sicherheit vor dem Bombenhagel und den rechtsradikalen Verbänden, die in den Donbass geschickt werden. Den Russen geht es um die einst brüderliche Ukraine, die historische Wiege der ostslawischen Zivilisation, mit Tausenden Verbindungen jeder Art nach Russland, die durch verdeckte westliche Wühlarbeit der letzten 23 Jahre im Begriff ist, ein extrem feindliches Gebilde direkt vor der Haustür zu werden, das durch potenzielle NATO-Militärbasen im Osten des Landes die russische Sicherheit und politische Handlungsfähigkeit direkt bedrohen kann. Und, last but not least, geht es den Russen bei dieser Konfrontation im weitesten Sinne um nicht weniger, als um den Erhalt der Selbstachtung und der Souveränität des eigenen Landes, Dinge die im Grunde keinen Preis haben. Wenn die Europäer denken, sie könnten die Russen mit Druck und Strafmaßnahmen "zum Einlenken" in der Ukraine-Frage und zum tatenlosen Zuschauen bei den erwähnten Vorgängen zwingen, dann kennen sie weder die russische Mentalität noch die tiefe Bedeutung der Ukraine für Russland. Hoffnungen, dass Putin irgendwann innenpolitischen Gegenwind bekommt, sind absolut unbegründet. Jede weitere aggressive Handlung der EU wird die Konsolidierung der russischen Gesellschaft um Putin herum (mit seinen aktuell rekordverdächtigen 85% Zustimmung) und die nachhaltige Entfremdung gegenüber Europa immer weiter verstärken. Da hilft es auch nicht, diese Entwicklung "Putins Propaganda" zuzuschreiben und die Russen als unmündige Schäfchen zu porträtieren. Über die Sicht und die Argumente des Westens wissen die Russen heute deutlich besser Bescheid, als umgekehrt, von der wahren Lage in der Ukraine ganz zu schweigen, die sie millionenfach durch persönliche Kontakte mitbekommen.

Im Gegensatz dazu, geht es Europa bei der Konfrontation mit Russland und der potenziell endlosen gegenseitigen Schädigung durch Sanktionen um keine so hehren Ziele. Es geht im Grunde um nichts anderes, als um den Erhalt der alten Ordnung und die Einhaltung der transatlantischen Vasallentreue, die der große Bruder mit ebenso geschickten wie dubiosen Methoden zu sichern weiß. Gerade ein Land wie Deutschland, das besetzt, bevormundet, belauscht und bestohlen wird (Stichwort Goldreserven) bemüht sich im Sirenenklang der Systemmedien um die Konservierung der aktuellen Zustände. Es mag sich gar nicht mehr vorstellen, wie sich wahre Souveränität und nationale Selbstachtung anfühlen und dass das Dinge sind, für die andere Länder noch zu kämpfen bereit sind. Ihre Opferbereitschaft und Durchhaltevermögen dürften dabei deutlich größer sein, als bei denen, die sich aus lauter Vasallentreue schädigen.

Leider erkennen nicht alle Normalbürger hinter den offiziösen Propagandaphrasen die wahre Bedeutung und das wahre Wesen der aktuellen Konfrontation: als eine Herausforderung der bröckelnden US-Hegemonie, die sich je nach Ausgang dieses Kampfes entweder noch schneller auflöst oder aber noch einmal auf Jahrzehnte hinaus verfestigt. Wieder einmal in der Geschichte wirft Russland den Hegemonialbestrebungen eines mächtigen Aggressors den Fehdehandschuh, wieder einmal hängt davon die Freiheit Europas ab. Als deutscher Bürger sollte man sich überlegen, ob der wirtschaftliche Schaden, den Deutschland aktuell und in Zukunft anstelle des eigentlichen Drahtziehers der Krise erleidet, den Verbleib an seiner Seite weiterhin rechtfertigt.