Der derzeit noch bis zum 7. Januar stattfindende 102. Indian Science Congress (ISC 2015) gehört nicht nur landesweit sondern auch international zu den großen naturwissenschaftlichen Kongressen. In diesem Jahr sorgte jedoch ein Vortrag über die in den altindischen Veden zahlreich beschriebenen Vimanas schon vorab für hitzige Kontroversen. Glaubt man den vedischen Mythen, so dienten die Vimanas den altindischen Göttern und Helden nicht nur als Flugzeuge sondern auch als Raumschiffe. Teilnehmende Skeptiker versuchten vorab mittels einer Petition sogar die Veranstaltung aus dem Programm des Kongresses zu verbannen.
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© gemeinfreiHistorisches Relief mit Vimana-Darstellung.
Mumbai (Indien) - Während Kritiker die die Vimana-Schilderungen als pure Fantasie abtun und auf Untersuchungen verweisen, wonach die beschriebenen Vehikel nach bekanntem Stand der Technik und Wissenschaft überhaupt nicht flug- geschweige denn raumfahrttauglich wären, halten andere die alten Beschreibungen für Fakten- und Tatsachenberichte über eine einst den indischen Göttern eigene Hochtechnologie. Letzterer Ansatz ist es denn auch, der im Vortrag mit dem Titel "Ancient Indian Aviation Technology" (Antike Indische Flugtechnologie) erläutert und diskutiert werden soll.

Wie der "Mumbai Mirror" berichtet, erklärte Vortragsredner, Captain Anand J Bodas, dass Vimanas nicht nur in der Lage waren innerhalb der (sic) auf unkonventionelle Erdatmosphäre zu fliegen, sondern auch das Sonnensystem zu durchqueren.

Der Vortrag selbst ist Teil des Symposiums mit dem Titel "Ancient Sciences Through Sanskrit" (Antike Wissenschaften im Sanskrit), in dem auch Themen wie "Die Neurowissenschaft des Yoga" und "Wissenschaftliche Prinzipien in der antiken Indischen Architektur und im Bauingenieurwesen" diskutiert wurden.

Ein Vortrag über die vermeintliche Realität von Flug- und Raumfahrttechnologie im alten Indien innerhalb eines des angesehensten naturwissenschaftlichen Kongresses des Subkontinents ruft jedoch erwartungsgemäß auch Kritiker, Skeptiker und Gegner auf den Plan.

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© rediff.comDr. Ram Prasad Gandhiraman
Federführend im Kampf gegen "derartig pseudowissenschaftliche Inhalte inmitten seriöser Wissenschaft" ist der aus Indien stammende Wissenschaftler Dr. Ram Prasad Gandhiraman vom Ames Research Center der NASA. Wie er gegenüber "Rediff.com" berichtet, hat er zuvor weltweit mehr als 576 Unterschriften namhafter Wissenschaftler für seine Online-Petition gegen die Veranstaltung zusammengetragen. Durch die Veranstaltung sieht der Wissenschaftler die "Integrität des wissenschaftlichen Prozesses" des gesamten Kongresses und der indischen Wissenschaft in Gefahr.

Eine derartig namhafte wissenschaftliche Konferenz solle, so Gandhiraman, pseudo-wissenschaftlichen Themen und Vorträgen keine Plattform bieten: "Wir als naturwissenschaftliche Gemeinschaft sollten ernsthaft besorgt über die Infiltration von Pseudowissenschaften in wissenschaftliche Inhalte sein, besonders, wenn diese von einflussreichen politischen Parteien unterstützt wird. Der Umstand, dass ein pseudowissenschaftlichen Vorträgen auf diese Art eine wissenschaftliche Plattform gegeben wird, ist noch schlimmer als der systematischen Angriff politisch einflussreicher pseudo-wissenschaftlicher Propagandisten in Indien in jüngster Vergangenheit (Anm.d.GreWi-Redaktion: Der amtierende indische Premierminister Narendra Modi hatte im vergangenen Sommer unter Verweis auf tierköpfige indische Götter wie den elefantenköpfigen Ganesha behauptet, plastische Chirurgie und moderne Genetik sei schon im alten Indien bekannt gewesen. Modi wird einer der Ehrenredner des Kongresses sein). Wenn wir Wissenschaftler weiterhin derartigen Vorgängen passiv gegenüberstehen, verraten wir nicht nur die Wissenschaft als solches, sondern auch unserer Kinder."


Kommentar: Wissenschaftliches Vorgehen zeichnet sich unter anderem auch durch die Offenheit gegenüber andersartigen Interpretationen, Hypothesen, Theorien und Mutmaßungen aus. Solche Ideen von Anfang an auszuschließen oder abzulehnen, nur weil sie gerade nicht ins Weltbild passen, hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Dr. Ram hat dieses wichtige Prinzip offensichtlich nicht verstanden. In Wirklichkeit bedrohen Dr. Ram und seinesgleichen, durch diese Engstirnigkeit, den wissenschaftlichen Prozess...


Andere indische Wissenschaftler sehen die Angelegenheit deutlich gelassener. Grundsätzlich stelle eine Präsentation und Diskussion über die flugtechnologischen Errungenschaften im alten Indien keine Bedrohung des wissenschaftlichen Prozesses dar, stellt beispielsweise Prof. Deshpade vom Indian Institute of Science gegenüber dem "Mumbai Mirror" fest. "Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass dies auf wissenschaftlicher Grundlage geschieht." Deshpade ist selbst einer von fünf Autoren einer früheren Studie über Flugtechnologie im Sanskrit und stellt streicht zugleich heraus: "Als wir die Beschreibungen von Fluggeräten in den Sanskrit-Texten untersuchten, taten wir dies aus intellektueller Neugierde heraus und nicht, um derartige Schilderungen als Pseudo-Wissenschaft abzutun." In ihrer Studie bezogen sich die indischen Wissenschaftler hauptsächlich auf das auch von Bodas zitierte sogenannte Vaimanika Shastra und damit einem Teil der Bhardwaj-Sage des Maharishi Bharadwaj, in der gezielt auf die Eigenschaften von Vimanas eingegangen wird. In ihrer Studie kamen die Forscher allerdings zu dem Schluss, dass es keine Hinweise dafür gibt, dass gerade dieser Text schon vor 1904 existiert habe und die darin beschriebenen Fluggeräte lediglich "schlechte Erfindungen und aus flugtechnologischer Sicht unvorstellbar nutzlos sind."

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© delhidailynews.comAnand J Bodas.
Dieser Deutung widerspricht der Hauptredner des Vimana-Vortrags, Anand J Bodas, vehement. Das Werk des Maharishi Bharadwaj sei mehr als 7.000 Jahre alt und beschreibe "die Existenz von Flugzeugen, die sowohl von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent als auch von einem zu anderen Planeten reisen können", so der Forscher gegenüber "DelhiDailyNews.com"

Der Koordinator des Symposiums, Professor Gauri Mahulikar, der der Sanskrit-Fakultät an der Universität Mumbai vorsteht, verteidigt die Veranstaltung und ihre Inhalte auf Anfrage der Zeitung: "Es ist das erste Mal, dass wir auf dem Indian Science Congress ein Symposium über wissenschaftlich-technologische Aspekte in der Sanskrit-Literatur abhalten. Hätten wir lediglich Sanskrit-Professoren gebeten, Vorträge über Hinweise auf Luftfahrt-Technologie in der Sanskrit-Literatur - darin beinhaltete Informationen über die Konstruktion dieser Flugzeuge, die von den Piloten getragenen Uniformen befolgten Ernährungsrichtlinien und die sieben Arten von verwendeten Treibstoffe - zu halten, so hätten die meisten Menschen dies als Unsinn abgetan. Captain Bodas ist aber selbst ein Pilot und sei Mitredner, Ameya Jadhav, verfügt neben einem Master in Sanskrit einen Mastertitel in Technologie."