Hund als Therapie
© PAIm Altersheim werden Hunde schon zur Therapie eingesetzt. Durch ihre beruhigende Wirkung sollen sie bei Demenzpatienten helfen.
Ein Psychiater will beweisen, dass Hunde der Seele gut tun. Er untersucht die Wirkung von tiergestützer Therapie bei Depressionen.

Strahlend stürmt Mareike Doll-Degenhard in das Büro des Oberarztes. „Das war unglaublich gut heute“, freut sich die Hundetrainerin, die seit zehn Jahren Australian Working Kelpies zu Therapiehunden ausbildet. Und sie berichtet dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Andreas Sobottka, wie ihre Hündin Buddy gerade einen depressiv erkrankten Patienten aus seiner Erstarrung gelockt hat.

Mit acht ihrer Working Kelpies nimmt die 36-Jährige an einer weltweit ersten Studie teil. Damit hofft der Arzt an der Klinik für seelische Gesundheit in oberbergischen Marienheide die Wirksamkeit tiergestützter Therapie erstmals wissenschaftlich belegen zu können.

„Kelpies sind außerordentlich sensible, menschenbezogene, verträgliche Hunde“, sagt Doll-Degenhard. Die Hunderasse scheint für den Einsatz in der Therapie besonders geeignet.

Vorige Woche noch hatte der große, breitschultrige Mann rein gar nicht auf die vielfältigen Versuche der lebhaften zweijährigen Hündin reagiert. Blickkontakt, Berührung oder die Bereitschaft, dem Ball hinterherzujagen und ihm vor die Füße zu legen - alle Kontaktversuche der Hündin prallten an dem Patienten ab. Hinter einer Festung aus Sonnenbrille, Bomberjacke, Hut und Coolness schien er unerreichbar zu sein. Schließlich zog sich die Hündin irritiert zurück.

Umgang mit Hunden mindert Stress und Angst

Im Kontakt zu einem Hund können Patienten unmittelbar und sehr direkt erleben, dass ihr eigenes Verhalten sich im Verhalten des Hundes spiegelt. Das hatte Mareike Doll-Degenhard auch dem Patienten erklärt. Ganz offenbar war die Botschaft, die Buddy gesandt hatte, aber doch bei dem Mann angekommen. Denn in der nächsten Therapiestunde war er wie ausgewechselt.

Die Hundetrainerin hatte auf der großen Rasenfläche auf dem Klinikgelände einen Parcours aufgebaut. Ganz ohne Worte und Kommandos, nur mit Hilfe von Körpersprache, sollte der Patient die Hündin über die aufgebauten Hürden leiten. Und siehe da: Es gelang. Sichtlich gelöst und selbstbewusst ging der Mann auf die Station zurück.

Seniorenheime und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe setzen immer häufiger auf den Einsatz von Hunden. Denn es gibt Erkenntnisse, dass der Umgang mit Tieren Stress und Angst mindert, zur Verbesserung des Selbstvertrauens beiträgt, beruhigende Wirkung hat, hohen Blutdruck senkt und den Kortisolspiegel im Blut und das Schmerzempfinden mindert.

Wissenschaftlich fundierte Belege für die positive Wirkung von Hunden bei Depressionen gibt es allerdings bislang nicht. Das will Sobottka nun mit einer Studie nachweisen.

Dabei ist der Psychiater - wie er freimütig eingesteht - durchaus positiv voreingenommen und von der heilsamen Wirkung von Tieren auf Körper und Seele überzeugt. Schließlich ist er selbst Hundefreund. Davon zeugt das überdimensionale Foto seines ersten eigenen Hundes „Puma“, einem Rhodesian Rideback, in seinem Büro. „Mit Hunden ist das Leben glücklicher“, findet er.

Dennoch läuft die Studie nach streng wissenschaftlichen Maßstäben. 15 Patienten erhalten neben der üblichen medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung vier Wochen lang zwei Mal wöchentlich je ein halbstündiges zusätzliches Angebot an tiergestützter Therapie.

Stets kommt derselbe Hund zum Einsatz. Es folgen vier Wochen bei üblicher Behandlung ohne Hund. Parallel startet eine zweite Gruppe zunächst ohne vierbeinige Therapeuten, um dann nach vier Wochen die Hunde zusätzlich einzusetzen. Anhand standardisierter Fragebögen will Sobottka dann die Wirkung der hundegestützten Therapie auf das emotionale Erleben und die depressiven Symptome seiner Patienten messen.

Wie die Therapie funktioniert

Um möglichst schnell eine Beziehung zwischen dem Patienten und „seinem“ Hund entstehen zu lassen, schaut er sich zunächst einen Film an, der den Hund als Welpen zeigt. Natürlich ist der betreffende Hund in dieser „filmgestützten Anbahnungsphase“ auch mit von der Partie. Die anrührenden Bilder sorgen beinahe automatisch dafür, dass ein Patient „seinen“ Hund streichelt oder anders Kontakt mit ihm aufnimmt.

Jede der dann folgenden Therapieeinheiten wird von Doll-Degenhard individuell ausgearbeitet. Manchmal muss sie einen Patienten, den sie stets gemeinsam mit dem vierbeinigen Therapeuten vom Zimmer abholt, erst aktivieren und motivieren. Denn Antriebslosigkeit und mangelndes Selbstvertrauen gehören ebenso zur Symptomatik einer Depression wie das Gefühl, völlig von den eigenen Gefühlen überflutet zu werden oder in eisiger Gefühlskälte zu erstarren.

Die allermeisten Patienten tauen beim Umgang mit den Hunden auf. Neulich erst hat ein depressiver Patient ausgelassen, ausdauernd und selbstvergessen mit „seinem“ Hund Fußball gespielt. Ein riesiger Fortschritt - angesichts der Tatsache, dass viele depressiv Erkrankte ansonsten in immer wiederkehrenden Gedankenschleifen festsitzen und vom Gefühl der Sinnlosigkeit wie gelähmt sind.

Die Ergebnisse sollen in einem halben Jahr vorliegen. Doch lässt sich schon jetzt ahnen: Ein Hund tut gut. Wenn sich die Annahme bestätigt, dass Hunde eine nachweisbare positive Wirkung auf Patienten mit depressiven Störungen haben, erhofft sich Sobottka eine Verkürzung der Behandlungsdauer und eine Übernahme der Therapiekosten durch die Kassen. Bis zum „Hund auf Rezept“ dürfte der Weg allerdings noch weit sein.