Trotz aller gegenteiligen Lippenbekenntnisse einigt sich Europa nach den Anschlägen von Paris gegen den Islam - also genau das, was bereits in dem Slogan der geheimnisvollen Bürgerbewegung PEGIDA anklang: »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«. Ob es den PEGIDA-Anhängern recht ist oder nicht: Sie werden für diese Strategie vereinnahmt. Dabei steht eins fest: Verantwortlich für den gegenwärtigen Konflikt sind nicht die Muslime, sondern die Verursacher des sich zuspitzenden »Kampfes der Kulturen« - und die Hintermänner der Attentäter von Paris.
Berlin ist Charlie
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Wem nützt es?

Wie immer hilft bei der Analyse der Attentate von Paris vom 7. Januar 2015 vor allem die Frage nach dem »cui bono« - wem nützt es? Da wäre zunächst einmal die Frage nach dem Islam: Nützen diese Anschläge dem Islam? Diese Frage kann wohl ganz leicht mit Nein beantwortet werden. Seit dem 11. September 2001 wurde dieser Religion kein so schwerer Schaden zugefügt wie durch die Anschläge von Paris.

Die angeblichen oder auch wirklichen Attentäter haben allen Islamfeinden der Welt den größten Gefallen getan und die perfide Strategie des »Kampfes der Kulturen« einen großen Schritt vorangebracht. Der Erfinder dieser Strategie, der US-Politikprofessor Samuel Huntington, war weit mehr als irgendein x-beliebiger Akademiker, sondern ein Planungsstratege der Regierung.

In der Administration von US-Präsident Jimmy Carter war Huntington gar Koordinator des Weißen Hauses für Sicherheitsplanung für das berüchtigte National Security Council, also quasi im Gehirn des amerikanischen Raubtiers. Wobei »Sicherheit« genau wie »Verteidigung« bekanntlich nur ein Euphemismus für Unterdrückung und Krieg ist.

Spinner oder Werkzeuge?

Die Attentäter von Paris sind daher entweder tragische Spinner oder Werkzeuge der US-amerikanischen Global-Strategie, und damit auch Werkzeug der US-Filiale Europa. Wobei Globalstrategen normalerweise nicht darauf warten, dass irgendwelche Amateure rein zufällig ihr Geschäft besorgen.

In seinem Buch Clash of Civilizations (1996) sah Huntington nach dem Ende des politischen Konflikts zwischen Ost und West einen »Zivilisations-« oder Glaubenskonflikt zwischen dem Westen und der islamischen Welt, Lateinamerika, China, Indien, Japan, Afrika und den Slawisch-Orthodoxen, also Russland, voraus. Und wer das für eine Prophezeiung hält, irrt sich, denn in Wirklichkeit handelt es sich um die Speisekarte des Imperiums, aufgeschrieben von dem Militär- und Geheimdienststrategen Samuel Huntington.

Die Globalstrategie des »Kampfes der Kulturen« wurde von den Vereinigten Staaten erfunden und vorangetrieben. Wichtigster Meilenstein und quasi »Startschuss« waren die inszenierten Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001, die den Islam als Oberschurken in einer globalen Tragödie vorführten. Also genau das, was wir jetzt in Paris erneut erleben. Nicht umsonst war in den Medien bereits von einem »11. September Europas« die Rede (aber natürlich im falschen Zusammenhang).

Was nützt es?

Der erste Nutzen lautet also: Unter dem medial transportierten Schock der künstlich inszenierten Attentate wird Europas Einigung einen großen Schritt vorangetrieben - also exakt das, was auch in dem Slogan der plötzlich erschienenen PEGIDA-Bewegung zum Ausdruck kam (»Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«).

In diesem Satz wurden bereits vor den Attentaten des 7. Januar die Vorstellungen eines europäischen Vaterlandes und einer europäischen Identität im Gegensatz zu einem feindlichen Islam vorweggenommen - also das, was am 11. Januar in der Pariser Trauer-Kundgebung der europäischen Regierungschefs den vorläufigen Höhepunkt findet.

Ein gegen den Islam geeintes Europa ist exakt der Baustein für ein Weltreich von amerikanischen Gnaden, wie es den USA vorschwebt. Mehr oder weniger offensichtlich ist Europa zwar bereits ohnehin ein Vasall der Vereinigten Staaten, aber die politische Einigung muss noch einen großen Schritt vorangetrieben werden.

Der zweite Nutzen besteht in der Bekämpfung des Aufstandes gegen die etablierte Lügenpresse. Indem »Journalisten« in einer globalen Tragödie zu Opfern gemacht werden, wird die Bevölkerung gezwungen, sich mit ihnen zu solidarisieren und werden die Kritiker zum Schweigen gebracht.

Der jüngste Brandanschlag auf die Hamburger Morgenpost vom 11. Januar 2015 gehört in dieselbe Kategorie. Drittens planieren die Anschläge die Nachrichtenlandschaft und verdrängen Ereignisse aus den Schlagzeilen, die für das Imperium unangenehm sind - zum Beispiel den gleichzeitig laufenden Prozess gegen den angeblichen Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew.

Schulterschluss mit Schmierfinken

Bei Charlie Hebdo geht es aber nicht nur um den Schulterschluss mit irgendwelchen Schmierfinken, sondern viertens auch um den Schulterschluss mit journalistischen Hasspredigern und Dreckschleudern erster Güte. Und wer diese Ausdrucksweise für respekt- oder pietätlos hält, soll sich erst einmal einige Zeichnungen von Charlie Hebdo ansehen: den Koran, der als »Scheiße« bezeichnet wird; den Papst, der einen Maulwurf vergewaltigt oder Vater, Sohn und Heiligen Geist beim Analverkehr.
Charlie Hebdo
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Kurz: Gegen Charlie Hebdo war die Gosse noch ein vornehmes Etablissement. Die Bildsprache von Charlie Hebdo war reinste Barbarei und dabei stark anal, genital und oralgenital, also reinste Hardcore-Pornografie. Das sind exakt die »Werte«, zu denen sich nun die gesamte Welt - je suis Charlie - bekennen soll. Von der offiziell ständig eingeforderten »Toleranz« war bei Charlie Hebdo nichts zu spüren.

Den Respekt, den sie anderen verweigerten, haben die Toten von Charlie Hebdo daher auch selbst nicht verdient, sondern nur eine schonungslose Analyse. Genauso schonungslos wie sie andere »auseinandergenommen« haben, müssen sie nun auch selbst betrachtet werden.

Das Perfide besteht darin, dass diese verstorbenen »Journalisten« zu Vorbildern und Lichtgestalten ihrer Zunft erklärt werden und die ganze Welt die Hassprediger von Charlie Hebdo psychologisch adoptieren soll.

Auf dieselbe Weise gegen Religionen und Menschen zu hetzen, wie es Charlie Hebdo getan hat, soll nicht nur in Ordnung, sondern moralisch sogar wertvoll sein. Die Ironie der Geschichte (und ihre eigene Tragik) besteht darin, dass sich die Hebdo-Hetzer selbst zu Märtyrern und Opfern dieser globalen Strategie gemacht haben.

Fazit: Staatsterrorismus war schon immer ein zugleich einigendes, ausgrenzendes und totalitäres Werkzeug, seien es nun die Attentate der Rote Armee Fraktion, der Reichstagsbrand oder eben der 11.9.2001. Staatsterrorismus dient der Einigung der Bevölkerung, der Ausgrenzung des Feindes und der Unterdrückung beider: des Volkes und des Feindes.

Mit den Attentaten vom 7. Januar 2015 hat der europäische Staat eine neue Ebene erreicht. Die Anschläge und der anschließende internationale Trauerzug waren ein historischer Moment - nämlich der Gründungsakt eines totalitären Europa. Wobei den Menschen gleich mal gezeigt wurde, wie totalitär Europa sein kann...