Monsanto hat es geschafft, ein trojanisches Pferd in die Europäische Union zu schleusen. Unter großem Beifall von GVO-Befürwortern und -Gegnern gleichermaßen wurde ein fauler Kompromiss erzielt, wonach einzelne Regierungen in Zukunft selbst entscheiden können, ob sie gentechnisch veränderte (GV-) Pflanzen in ihrem Land genehmigen oder nicht. Das Bundesumweltministerium kündigte ein vollständiges Verbot für genmanipulierte Pflanzen auf heimischen Äckern an.

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20 Jahre lang hatte sich die EU gegen die Verbreitung von GVO gewehrt, nun bricht der Widerstand zusammen, auch wenn viele das Gegenteil denken.
Es klingt wie ein Sieg der Vernunft und eine satte Niederlage für den US-Konzern Monsanto, den weltgrößten Anbieter von patentiertem GV-Saatgut und des toxischen Unkrautvernichtungsmittels Roundup, das auf sein Saatgut gesprüht wird. Tatsächlich aber wird die Folge sein, dass sich GV-Pflanzen erstmals in der EU verbreiten.


Laut einem vom Europaparlament in Straßburg mit 480 gegen 159 Stimmen verabschiedeten Gesetz können die Mitgliedsländer zukünftig selbst über den Anbau von gentechnisch veränderten Feldfrüchten entscheiden. Es wird als »win-win« bezeichnet, als eine Einigung, bei der alle gewinnen, in Wirklichkeit aber werden alle verlieren. 20 Jahre lang hatte sich die EU gegen die Verbreitung von GVO gewehrt, nun bricht der Widerstand zusammen, auch wenn viele das Gegenteil denken.

Bis zum 13. Januar durfte in der EU nur eine einzige gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, nämlich Mais der Sorte MON810 von Monsanto. Vergeblich hatten sich zuvor eine korrupte Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Brüssel und korrupte EU-Kommissare in der Frage der Lebensmittelsicherheit und Gesundheit kompromissbereit gezeigt, vergebens waren die Bemühungen Monsantos und der einflussreichen amerikanischen und europäischen Agrobusiness-Lobby gewesen, die in den dunklen Korridoren in Brüssel so »überzeugend« auftreten.

80 Prozent des in der EU angebauten MON810-Maises wächst in Spanien, wo niederländische und andere Agrobusiness-Konzerne enormen Einfluss haben. Die restlichen 20 Prozent werden in Portugal und der Tschechischen Republik angebaut.

Bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes war die EU mit Ausnahme von Südspanien deshalb praktisch GVO-frei - was Monsanto und ihren Freunden in der Rockefeller-Stiftung ein Dorn im Auge war. Denn viele kleinere Entwicklungsländer, vor allem in Afrika und Asien, beriefen sich auf den Widerstand in der EU, wenn sie die Genehmigung für den GVO-Anbau auf eigenem Boden verweigerten. Jetzt hat es Monsanto geschafft, ein trojanisches Pferd in die EU zu manövrieren.

Der Teufel steckt im Detail

Der Teufel steckt in den Details des neuen Kompromiss-Gesetzes. Brüssel und seine korrupte EFSA haben neben MON810 noch sieben weitere Genpflanzen in der Schublade, die auf die Anbaugenehmigung warten. Allgemein geht man davon aus, dass die GVO-freundlichen Regierungen Großbritanniens und der Niederlande den Anbau genehmigen werden. Beide sind dominiert vom internationalen Agrobusiness und Konzernen wie dem niederländisch-britischen Branchenriesen Unilever.

Der Umweltausschuss des Europaparlaments votierte im vergangenen November für strenge Auflagen beim GVO-Anbau. Doch anschließend ging der Gesetzentwurf zur weiteren Ausformulierung an den »Trilog« - den Europarat, die EU-Kommission und Vertreter des Parlaments. Am 3. Dezember wurde schließlich eine Vereinbarung durchgedrückt, bei der die meisten Auflagen gestrichen wurden. Ausstiegsklauseln für die einzelnen Länder - die so genannten Opt-Out-Klauseln - bleiben, aber Ausnahmen werden nur unter strikten Bedingungen gewährt.

Marco Contiero, Leiter der Abteilung EU-Landwirtschaftspolitik bei Greenpeace,sagt: »Umweltminister behaupten, den Ländern das Recht geben zu wollen, den Anbau von Genpflanzen auf ihrem Territorium zu verbieten. Aber der Text, dem sie zugestimmt haben, gibt Regierungen dafür keine rechtlich solide Basis. Ihnen sind die Hände gebunden, weil sie sich nicht auf Beweise für Umweltschäden berufen dürfen, um den GVO-Anbau zu verbieten. Damit sind die Länder, die GV-Pflanzen ablehnen wollen, offen für Klagen der Biotech-Industrie.«

Der französische Grünen-Europaabgeordnete und Anti-GVO-Aktivist José Bové setzt noch eins drauf: »Schon bald wird es diese Änderung den Multis wie Monsanto ermöglichen, bei der WTO Einspruch gegen nationale Verbote einzulegen oder, wenn Freihandelsabkommen wie TTIP unter Dach und Fach sind, vor Schiedsgerichten.«

Durch das neue Gesetz brauchen Landwirte oder GVO-Firmen nicht zu haften, wenn Gen-Samen durch den Wind auf benachbarte Äcker geweht werden, was häufig geschieht. Außerdem wird es laut den Handelsregeln der EU illegal für Mitgliedsländer, den Import von Gen-Lebensmitteln zu kontrollieren, auch wenn sie den Anbau verbieten.

Bisher war der Import von GVO nur dank eines Schlupflochs in den Vereinbarungen mit dem US-Getreidekartell möglich, wonach Tierfutter Gen-Mais und -Sojabohnen enthalten durfte. Im neuen Gesetz wird dies auf alle Gen-Pflanzen ausgedehnt, die jetzt erstmals in großem Stil in der EU angebaut werden.

Laut Peter Melchett von der gemeinnützigen britischen Organisation Soil Association sind die Länder durch das neue Gesetz nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass angebaute GVO-Pflanzen konventionell bewirtschaftete Felder nicht kontaminieren.

Außerdem brauchen sie nicht zu gewährleisten, dass die Kosten einer Kontaminierung von den GVO-Unternehmen, die die Patente für die Produkte besitzen, übernommen werden und nicht von den Landwirten oder Lebensmittelfirmen, die unter der Verschmutzung zu leiden haben.

Tatsächlich sei der gesamte Bio-Sektor in Gefahr, der in der EU rapide wachse und sich voraussichtlich bis 2020 verdoppeln werde. Gleiches gelte für die Rechte der Kunden, die Gentechnik-freie Lebensmittel kaufen möchten.

Sicher ist, dass dieser faule Kompromiss zur weiteren Verbreitung von GV-Pflanzen und den damit verwendeten giftigen Glyphosat-Unkrautvernichtungsmitteln in der EU führen wird. Denn Monsanto und Co. werden »Fakten schaffen« und GVO so breit wie möglich und mit geringstmöglicher Aufsicht einführen.