Mehr als 170 Tote, zerhäckselte Häuser, kilometerlange Schneisen der Zerstörung: Eine der gewaltigsten Tornadoserien aller Zeiten hat den Süden der USA heimgesucht. 138 schwarze Luftsäulen wirbelten allein durch Tennessee. Meeresluft fachte die Stürme an - so entstanden rotierende Superzellen.

Tornadoserie Südstaaten
© AP/The Birmingham NewsSchwere Stürme in den USA: Der Nationale Wetterdienst (NWS) zählte seit Mittwochmittag (Ortszeit) mehr als 110 Tornados. Schon am Dienstag waren rund 50 Wirbelstürme über den Süden des Landes hinweggefegt, in einigen Regionen fielen binnen drei Tagen 45 Zentimeter Regen. Mindestens 77 Menschen kamen ums Leben.
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© APVöllige Zerstörung: In den Bundesstaaten Alabama, Arkansas, Kentucky, Mississippi, Missouri, Tennessee und Oklahoma gilt der Notstand.

Eine der schlimmsten Tornado-Katastrophen aller Zeiten hat den Süden der USA getroffen. Mindestens 173 Menschen kamen ums Leben. Allein im US-Bundesstaat Alabama seien in der Nacht zum Donnerstag rund 130 Menschen gestorben, berichtete der US-Sender CNN. Unwetterwolken hatten die schlauchförmigen Wirbelstürme verursacht - der Nationale Wetterdienst NWS zählte allein in Tennessee 138 schwarze Sturmrüssel. Sieben Bundesstaaten riefen den Notstand aus. Besonders schlimm traf es Arkansas, Mississippi und Missouri. Mehrere Gouverneure riefen die Nationalgarde zur Hilfe.

Die Wirbel schleuderten Autos umher wie Gießkannen, zerhäckselten Häuser, fegten ihre Fundamente blank. Der Bürgermeister der Stadt Tuscaloosa in Alabama, Walter Maddox, sagte CNN, der Tornado habe "Häuserblock für Häuserblock ausradiert". Angesichts der Zerstörungen hat Präsident Barack Obama schnelle Hilfe für den besonders betroffenen Bundesstaat Alabama angeordnet. Das ganze Ausmaß der Schäden sei noch gar nicht abzusehen, sagte er.

Die gegenwärtige Tornadoserie wird als eine der weltweit folgenreichsten und stürmischsten in die Geschichte eingehen. Meteorologen zufolge erlebte zumindest Alabama die verheerendsten Tornados seiner Historie. Zwar ziehen jährlich etwa 1200 Wirbelstürme durch die USA, in keinem Land treten Tornados häufiger auf als dort. Doch jetzt kam es zu einem sogenannten Tornado-Ausbruch: Dabei entstehen in einem begrenzten Gebiet viele Wirbel in kurzer Zeit.

Grashalme steckten wie Igelstacheln in Holzwänden

Aber selbst in den USA gibt es nur selten Ausbrüche von mehr als 100 Tornados auf einmal. Ersten Schätzungen zufolge erreichten manche der Stürme der vergangenen Stunden die Stärke 5 - die höchste Stufe der Tornado-Skala, mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 322 km/h. Bei Tornados ähnlicher Stärke wurden Grashalme gefunden, die wie Igelstacheln in Holzwänden steckten. Die Gräser konnten nicht abknicken, weil ihre Auftreffgeschwindigkeit so hoch war.

Augenzeugen berichten nun, manche Wirbel seien etwa anderthalb Kilometer breit gewesen - auch das eine Besonderheit: Schon Tornados von mehreren hundert Metern Breite sind selten. Die scharfe Begrenzung der Tornados führte bei früheren Tornados dazu, dass Häuser weggerissen wurden, während Kerzen im Garten weiter brannten. Die Bahn der Verwüstung ist bei Tornados durchschnittlich 25 Kilometer lang - diesmal wurden aber weitaus längere Schneisen in die Landschaft gerissen.

Die Stürme - sie werden auch ehrfürchtig "Finger Gottes" genannt - kündigen sich mit monströsen Geräuschen bereits von Weitem an: Zeugen berichteten von tiefem Brausen wie bei Wasserfällen, das stetig lauter wurde und schließlich donnernd fauchte wie ein Güterzug. Krachende Zerstörungen machen den Lärm schließlich ohrenbetäubend. Doch oft tauchen die Stürme zu schnell auf, um die Flucht ergreifen zu können: "Es geschah fast zu schnell, um überhaupt Angst zu bekommen", sagte ein Betroffener in der Stadt Tuscaloosa der lokalen Webseite tuscaloosanews.com.

Zusammenprall der Luftmassen

Meteorologen hatten Tornados in der Region erwartet, April und Mai sind Hochsaison in den USA. Vor allem entlang der sogenannten Tornado-Allee im Zentrum des Landes entstehen in dieser Zeit üblicherweise zahlreiche Wirbel. Im Westen der Tornado-Allee blockieren die Rocky Mountains die Luftströmungen, im Osten die Appalachen. Wie erwartet waren die meisten Tornados nun zusammen mit den Unwetterfronten von Südwesten nach Nordosten gezogen - es ist eine übliche Tornadospur.

Die Wirbel entstehen in feuchtwarmer Luft, ähnlich wie Hurrikane. Doch Hurrikane erstrecken sich über Hunderte Kilometer, sie erreichen dafür nicht so hohe Windgeschwindigkeiten. Derzeit ist Tornado-Saison in den USA: Vom Golf von Mexiko strömt tropisch warme Luft heran, sie ist die perfekte Zutat für die Tornado-Entstehung: Prallt die Meeresluft über den USA auf kühlen Westwind, dann steht das Rezept für schwere Unwetter bereit. Die warme Luft steigt auf, kondensiert in kühler Höhe zu Regentropfen und bildet riesige ambossförmige Gewitterwolken.

Wolken wachsen wie Geschwüre nach unten

Gigantische Mengen Wasserdampf steigen aufgrund ihrer Wärme in die Höhe. Die Wolkenbildung setzt zusätzlich Energie frei, die den Luftaufstieg weiter antreibt. Manche Gewitter gewinnen eine Eigendynamik, sie schälen sich als sogenannte Superzellen aus der Wetterfront heraus und beginnen sich langsam um ihre Achse zu drehen.

In stabilen Superzellen gerät die aufströmende Luft verstärkt ins Wirbeln. Wie dunkle Geschwüre wachsen Wolken aus der Gewitterfront nach unten - ein Alarmsignal. Denn schon Momente später kann das Wolkengeschwulst zu dem gefürchteten Schlauch werden - sobald er Bodenkontakt hat, ist ein Tornado geboren:

Auf manchen Fotos der vergangenen Tage sind mehrere der dunklen Schläuche gleichzeitig zu sehen. Im Zentrum eines Tornados entsteht ein Unterdruck, dort wird die Luft rapide nach oben gesogen. Der Luftdruck fällt, wenn ein Tornado vorüberzieht, innerhalb von Sekunden um 100 bis 200 Millibar. Erde und Staub werden angesogen und färben den Schlauch dreckig braun. Manche Menschen, die dort hineingerieten, kamen sogar heil wieder heraus: Sie hatten das Glück, im dämpfenden Aufwind herunterzugleiten.

Weil Gewitter meist zur wärmsten Tageszeit am Nachmittag zu voller Größe anwachsen, kommen Tornados - wie nun auch in den USA wieder - oft nach Einbruch der Nacht, manche gar erst nach Mitternacht. Die Dunkelheit macht eine Flucht dann meist unmöglich, die schwarzen Schläuche kommen überraschend.

Welchen Einfluss hat die Klimaerwärmung?

Tagsüber sieht man die Wirbel zwar, doch vorhergesagt werden können Tornados auch dann nicht. Der Wetterdienst der USA hatte aber immerhin vor einer Tornado-Witterung gewarnt. Auch in Deutschland muss mit etwa zehn Tornados pro Jahr gerechnet werden, meistens im Hochsommer. Hierzulande werden sie verharmlosend Windhosen genannt, dabei sind sie nicht unbedingt schwächer als normalerweise in den USA.

Ob die Klimaerwärmung die Wirbelstürme anfacht, sei bislang unklar, konstatiert der Uno-Klimabericht von 2007, der das Klimawissen zusammenfasst. Allerdings halten es Klimatologen für wahrscheinlich, dass im Gefolge der Klimaerwärmung vermehrt feuchtwarme Luft aufsteigt, denn warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Die wichtigste Zutat für Tornados würde also in größerem Maße zur Verfügung stehen.