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Die Verurteilung Syriens im Sicherheitsrat ist gescheitert. Denn Syrien ist nicht Libyen. Menschenrechtsverstöße gibt es hier wie dort, aber die Großmachtsinteressen unterscheiden sich. Daniel Scheschkewitz kommentiert.

Im Weltsicherheitsrat gelten bei den Menschenrechten offenbar zweierlei Maßstäbe. Im Falle Libyens hat das gleiche Gremium noch vor wenigen Wochen den USA, Frankreich und Großbritannien grünes Licht dafür gegeben, eine Flugverbotszone einzurichten; damit soll dem libyschen Machthaber Gaddafi Einhalt geboten werden, der den Volksaufstand gegen ihn militärisch niederzuschlagen versucht. Syriens Führung dagegen wird noch nicht einmal gerügt.

Zweierlei Maß

Dabei ist das systematische Vorgehen Assads gegen die Opposition im Lande durchaus von ähnlicher Brutalität. Doch während Gaddafi auf der Weltbühne inzwischen ein isolierter Einzelgänger ist, hat Syriens Diktator mächtige Verbündete. Moskau hält seine schützende Hand über den traditionell Verbündeten, der im komplizierten Machtgeflecht des Nahen Ostens viele Fäden zieht.

Außerdem ist man sowohl in Russland als auch in der chinesischen Führung entsetzt darüber, wie weitreichend der Westen das Schutzmandat zugunsten der libyschen Zivilbevölkerung ausgelegt hat. Das Maß, indem die Nato zugunsten der Rebellen militärisch eingreift, untergräbt aus ihrer Sicht einen wesentlichen Pfeiler internationalen Rechts - das Prinzip der staatlichen Souveränität. Regimekritische Demonstrationen sind nach russischer und chinesischer Lesart eine innerstaatliche Angelegenheit, in die sich kein anderer Staat einzumischen hat - auch dann nicht, wenn das Regime, wie im Falle Syriens, auf unbewaffnete Regierungsgegner schießt.

Russische Bedenken

Im Hinblick auf die Menschenrechte ist das Scheitern der von den europäischen Staaten eingebrachten Resolution bedauerlich. Erklärbar und zu erwarten aber war es schon.

Niemand, nicht einmal die USA, hat derzeit ein Interesse daran, die Lage im Nahen Osten weiter zu destabilisieren. Ein Machtvakuum in Syrien würde den fragilen Nahostfrieden bedrohen, weil das Land unmittelbar an Israel grenzt. Das Assad-Regime unterstützt die Hisbollah-Partei und -Miliz im ebenfalls benachbarten Libanon. Die Hisbollah hat aber ebenfalls Rückendeckung aus dem Iran. Ein Sturz Assads könnte darum bedeuten, dass der Iran seine Kontakte in den Libanon intensiviert und das Land in einen neuen Bürgerkrieg gleitet. Eine unberechenbare Kettenreaktion könnte die Folge sein.

Syriens Rolle in Nahost schützt Assad

Eine Verurteilung im Sicherheitsrat, so wünschenswert sie auch wäre, hätte allerdings ohnehin kaum mehr als symbolische Bedeutung gehabt. Baschar al-Assad hätte auch weiterhin seine Scharfschützen gegen Demonstranten eingesetzt, Moscheen stürmen und Oppositionelle verhaften lassen. Auch westliche Sanktionen gegen sein Land schmerzen ihn kaum, da die USA den Staat schon seit der Bush jr.-Regierung mit einem Handelsembargo belegt haben. Im Übrigen war das Verhältnis zu den USA zuletzt eher von Pragmatismus geprägt. Assad hat im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sogar mit der CIA zusammengearbeitet. Er hält nicht nur die Opposition, sondern auch die Islamisten im Lande in Schach. Insofern war die amerikanische Unterstützung der europäischen Initiative im UN-Sicherheitsrat - anders als im Falle Libyens - eher halbherzig.

Der Libyeneinsatz und seine Beendigung erweisen sich als komplizierter als zunächst gedacht. Seitdem ist die internationale Staatengemeinschaft vorsichtig geworden. Den Preis zahlen die Demonstranten auf den Straßen von Aleppo bis Daraa, wo die Menschrechte auf der Strecke bleiben.