Das Bindungshormons Oxytocin könnte bei Autismus helfen. Deshalb suchen Forscher nach einem Wirkstoff, der das Hormon freisetzt. Nun scheinen US-Forscher diesen Stoff gefunden zu haben.
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© Getty ImagesDarstellung eines Oxytocin-Moleküls – das Hormon hat starken Einfluss auf soziale Interaktionen
Wissenschaftler der Emory University in Atlanta (US-Staat Georgia) haben bei Wühlmäusen mit einem Wirkstoff starke soziale Effekte und eine deutlich erhöhte Freisetzung von Oxytocin im Gehirn ausgelöst.

Diese Entdeckung könne die Therapie sozialer Störungen wie etwa Autismus beeinflussen, betonen die Forscher um Larry Young im Fachblatt Neuropsychopharmacology. Ein deutscher Experte ist vorsichtiger.

Das von Säugetieren im Hypothalamus gebildete Oxytocin ist an verschiedenen sozialen Prozessen beteiligt - von Mutterschaft über Sex bis hin zum Erkennen von Gefühlen in der Mimik anderer.

Daher richten sich seit Jahren Hoffnungen auf das Hormon zur Therapie von Störungen wie etwa verschiedenen Formen von Autismus, die mit beeinträchtigten sozialen Fähigkeiten einhergehen. Versuche mit Oxytocin-Spray belegen kurzfristige Effekte, die genauen Zusammenhänge sind jedoch weitgehend unklar.

Die Forscher stellen nun eine Substanz vor, die im Gehirn von Prärie-Wühlmäusen (Microtus ochrogaster) die Freisetzung von körpereigenem Oxytocin stark anregt. Das Mittel Pf-446687 wirkt auf das Melanocortin-System und den Rezeptor MC4R.

Bereits nach kurzer Begegnung Paarbindung erzeugt

Mit Injektionen dieses MC4R-Agonisten erzeugten die Wissenschaftler bei Weibchen wie auch bei Männchen schon nach einer kurzen Begegnung Paarbindungen, die teilweise noch lange nach Abflauen des Mittels anhielten.

Zudem zeigten die Forscher, dass das Mittel Pf-446687 die Ausschüttung von Oxytocin im Nucleus accumbens ankurbelte, dem Belohnungszentrum im Gehirn. Dies sei vielleicht auch bei Menschen mit sozialen Störungen möglich, hoffen sie. Gleichzeitig warnen sie vor übertriebenen Erwartungen, da MC4R-Agonisten auch Sexualität und Appetit beeinflussen.

"Pf" steht für den Pharmakonzern Pfizer, der das Mittel zur Verfügung stellte und für den die Erstautorin inzwischen tätig ist. Kürzlich hatte Young im Fachblatt Science das Potenzial von Oxytocin zur Behandlung von Autismus beschrieben - in den USA ein viel diskutiertes Thema.

Therapie sozialer Störungen könnte verbessert werden

Zusammen mit Erstautorin Meera Modi hat er ein Patent auf MC4R-Agonisten angemeldet. "Unsere jüngste Entdeckung eröffnet einen Weg, die Kraft des Oxytocin-Systems einzusetzen, um die Nutzung sozialer Informationen zu verstärken, was die Therapie sozialer Störungen grundlegend beeinflussen könnte", wird Young vollmundig in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.

Der Psychologe Prof. Markus Heinrichs von der Universität Freiburg bewertet die Erkenntnisse nüchterner. Die Studie zeige elegant und überzeugend den starken Effekt auf das Oxytocin-System bei Wühlmäusen, sagt der Experte, der schon früh die Wirkung des Hormons auf das menschliche Sozialverhalten erforschte.

Damit beginne jedoch erst die eigentliche langwierige Arbeit. Weitere Studien müssten zeigen, ob und unter welchen Umständen dieser Effekt auch beim Menschen auftrete. Zudem müsse man Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte untersuchen.

dpa/oc