In den letzten Wochen richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Rolle Russlands und Präsident Wladimir Putins bei den Verhandlungen über einen neuen Waffenstillstand in der Ostukraine. Derweil fand Putin noch Zeit für Treffen mit zwei wichtigen Staatschefs - von Zypern und Ägypten. Beiden Ländern gemein ist die Position am bzw. im östlichen Mittelmeer, ein strategisch wichtiges Gewässer, dessen Bedeutung in der eskalierenden Konfrontation nicht zu unterschätzen ist.
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Seit mehr als zwei Jahrtausenden gehört das Mittelmeer zu den strategisch wichtigsten Gewässern der Welt. Über das Mittelmeer erreichen Erdöl und Erdgas aus dem Nahen Osten die Märkte der Europäischen Union. Durch den Suezkanal erlaubt es die Verbindung vom Indischen Ozean, zunehmend aus China, Indien, Südkorea und dem übrigen Asien mit den europäischen Märkten und dem Atlantik.

Es verbindet den wichtigen Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim sowohl mit dem Atlantik als auch mit dem Indischen Ozean. Kurz: Es verbindet Europa, Eurasien und Afrika. Dies im Kopf, wollen wir uns Putins jüngste Reisen nun genauer anschauen.

Nach Kairo

Am 9. Februar traf Putin in Kairo mit Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi zusammen. Als al-Sisi als Chef der ägyptischen Streitkräfte im August 2012 den Putsch gegen Ägyptens US-gestützte Regierung von Mohammed Mursi und der Moslembruderschaft anführte, gehörte Putin zu den ersten, die seine Präsidentschaftskandidatur unterstützten. Im August 2014 wurde al-Sisi zu einem Treffen mit Putin nach Moskau eingeladen, während Washington zum offenen Gegner des ägyptischen Präsidenten wurde.

Über den jüngsten Kairo-Besuch ist nur wenig bekannt, aber wie Putin sagte, diskutierten die Staatschefs über den Ausbau des Handels und verstärkte militärische Zusammenarbeit, und nach Unterzeichnung einer Vereinbarung hat Russland mit der Lieferung von Waffen an Ägypten begonnen. Außerdem werden nach Putins zweitägigem Besuch konkrete geschäftliche Abkommen erwartet, darunter eine wahrscheinliche Übereinkunft zwischen der russischen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja und der ägyptischen staatlichen Zeitung Al-Ahram.

Und wenige Tage nach Putins Treffen mit al-Sisi in Kairo unterzeichneten Russland und Ägypten eine Vereinbarung über den Bau von vier modernen russischen Kernkraftwerken in Ägypten. Für das schwache Stromnetz und die Probleme der Energieversorgung in Ägypten bedeutet das einen großen Schub nach vorn.

Gleichzeitig kündigte al-Sisi an, Ägypten werde in Form eines gemeinsamen Freihandelsabkommens Russlands neuer Eurasischer Wirtschaftsunion beitreten. Die Union besteht aus Russland, Weißrussland, Kasachstan und Armenien. Die Mitteilung des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch vom November 2013 an die EU, sein Land werde sich der Eurasischen Union anschließen, war der Auslöser des US-Putsches vom Maidan-Platz.

Zypern: Ein Juwel im Meer

Am 25. Februar, zwei Wochen nach seinem Kairo-Besuch, empfing Präsident Putin im Kreml den zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiadis zu Gesprächen über verschiedene Themen von gegenseitigem Interesse. Anastasiadis nutzte die Gelegenheit zur Kritik an den Sanktionen der Europäischen Union gegen Moskau. Er erklärte: »Das Mindeste, was ich in diesen schwierigen Zeiten tun konnte, ist, nach Russland zu reisen und zu versichern, dass sich unsere Beziehungen trotz dieser Lage weiterentwickeln werden. Welche Sanktionen auch immer gegen Russland verhängt werden, sie treffen auch andere Länder, Mitgliedsstaaten der EU, zu denen auch mein Vaterland gehört, das in vielerlei Hinsicht von Russland abhängig ist.«

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Ein Blick auf die Landkarte zeigt Zypern im östlichen Mittelmeer. Als erdöl- und erdgasreiches Juwel in militärisch-strategisch wichtiger Lage

Diese Haltung kann sich zwar zukünftig für Russland als hilfreich gegen weitere EU-Sanktionen erweisen, doch hauptsächlich betrafen die Gespräche die zyprisch-russische militärische Kooperation. Zypern bot an, der russischen Marine seine Häfen für bestimmte Zwecke zu öffnen, konkret für »russische Schiffe im Einsatz gegen Terrorismus und Piraterie«. Die russischen Schiffe werden den zivilen Hafen Limassol nutzen. In der Stadt Limassol wohnen 30 000 bis 50 000 Russen, das ist ein Viertel der Stadtbevölkerung. Gegenwärtig unterhält Russland nur eine einzige Marinebasis am Mittelmeer, den Hafen von Tartus in Syrien.

Putin wiederum bot Zypern - mit vorheriger Zustimmung der russischen Duma - dringend benötigte Schuldenerleichterungen an, die von der EU seit der Zypernkrise von 2003 strikt verweigert werden.

Damals konfiszierte die EU alle zyprischen Bankguthaben über 100 000 Euro; es war ein Diebstahl als Bedingung für einen drakonischen Bailout. Betroffen waren auch Hunderte von russischen Unternehmen mit Offshore-Zentralen auf Zypern; in der Rückschau war es der Anfang der Strategie von Washington und Brüssel, Putins Russland zu schwächen. Die Demonstrationen auf dem Maidan-Platz in Kiew begannen sechs Monate nach den Beschlagnahmungen auf Zypern.

Dieses Mal bot Putin, trotz der Finanzsanktionen und der Wirtschaftskriegsführung der Abteilung für Finanzterrorismus des US-Finanzministeriums (der offizielle Name lautet »Office of Terrorism and Financial Intelligence«), Zypern dringend benötigte Schuldenerleichterungen an. Russland willigte in die Umstrukturierung eines 2011 an Zypern gegebenen Bailout-Kredits über 2,5 Milliarden Euro ein, die Zinsen werden von derzeit 4,5 auf 2,5 Prozent gesenkt und die Fälligkeit vom nächsten Jahr auf 2018 bis 2021 verlängert.

Die Beziehungen zwischen Zypern und Russland bergen noch viel mehr Potenzial. Erst kürzlich hat Zypern vor der Küste große Erdöl- und vor allem Erdgas-Vorkommen bestätigt. Berichten zufolge laufen Gespräche mit der russischen Gazprom über Hilfe bei der Entwicklung dieser Vorkommen. Damit könnte die Strategie von USA und NATO, die SouthStream und andere russische Gaspipelines in die EU zu kappen, ernsthaft durchkreuzt werden.

Die Antwort des US-Außenministeriums auf die verbesserten russisch-zyprischen Beziehungen war, vorsichtig formuliert, plump. John Koenig, der US-Botschafter in Zypern, schickte ein Tweet, was in letzter Zeit anscheinend die Hauptbeschäftigung von US-Botschaftern ist. Verschickt wurde es am 28. Februar, direkt nach der Ermordung des Oppositionellen Boris Nemzow in Moskau: »Was denken die Menschen auf Zypern über die Woche in Russland, wie sie sich von hier aus darstellt? Anastasiadis‘ Besuch und Erklärungen, den Mord an Nemzow?«

Rüde implizierte Koenig eine Verbindung wegen der Gleichzeitigkeit des Besuchs von Antastasiadis und dem Mord an Nemzow; in einem weiteren Tweet sagte er sogar, Putin habe Nemzow ermorden lassen. Koenigs Tweet löste auf Zypern einen Proteststurm aus, in Washington wurde seine Ablösung als Botschafter im Juni verkündet. Koenig schickt anscheinend häufig Tweets an seinen Kollegen in Kiew, US-Botschafter Geoffrey Pyatt,der gemeinsam mit Nuland die Dekonstruktion der Ukraine inszeniert hatte.


Analysiert man die jüngsten russisch-zyprischen Gespräche im Kontext von Präsident Putins Kairo-Besuch, so entsteht eine faszinierende strategische Landkarte, die den Neokonservativen in Washington oder ihren Verbündeten in der EU alles andere als recht ist. Wir können davon ausgehen, dass Washington hinter den Kulissen daran arbeitet, Spannungen zwischen dem NATO-Land Türkei und dem griechisch-orthodoxen Zypern zu fördern und den Druck auf al-Sisi zu erhöhen.

Tatsächlich verletzten am 26. Februar türkische Kampfflugzeuge offen den griechischen Luftraum, außerdem wurden für den März einseitig Militärmanöver in der Ägäis angekündigt, unter anderem in großen Teilen der griechischen internationalen Gewässer und der griechischen Insel Limnos. Es bedeutet eine Aufheizung der geopolitischen Spannungen.

Von Obama und der Moslembruderschaft kontrollierte Fernsehsender in Ägypten sendeten Videos, die al-Sisi blamieren sollen. Die Bänder geben angeblich private Telefongespräche von al-Sisi als General unmittelbar nach dem Sturz Mursis und der Moslembruderschaft wieder.

Es war die Rede davon, welche Finanzhilfen von den arabischen Golfstaaten verlangt wurden, die al-Sisis Einschreiten gegen die Moslembruderschaft unterstützten. Der Skandal blieb jedoch aus, denn al-Sisis Popularität in Ägypten und die Unterstützung führender Staatsmänner scheinen ungebrochen. Es zeigt aber, dass Washington über Russlands Geopolitik im östlichen Mittelmehr nicht wohl zumute ist.