Eine internationale Forschungsgruppe hat erstmals Duftstoffe analysiert, mit denen es Pflanzen gelingt, nicht-fliegende Säugetiere für die Bestäubung gezielt anzulocken.

Cytinus visseri, eine im südlichen Afrika beheimatete Pflanzenart, verströmt mit ihrendunkelroten Blüten einen Duft, dem Mäuse und Elefantenspitzmäuse instinktiv folgen. Die chemische Zusammensetzung des Dufts bewirkt, dass diese Tiere von den nektarreichen Blüten unwiderstehlich angezogen werden. PD Dr. Stefan Dötterl hat mit chemischen Analysen am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth dazu beigetragen, die Ursachen aufzuklären.

Die meisten der heute bekannten Pflanzen werden von Insekten oder Vögeln bestäubt. Bei anderen Pflanzen, wie etwa bei einigen Wildbananenarten, übernehmen Fledermäuse - also fliegende Säugetiere - die Bestäubung. Aber es kommt auch vor, dass am Erdboden lebende Säugetiere als Bestäuber agieren. Typischerweise werden Tiere durch Duftstoffe oder visuelle Blütensignale dazu veranlasst, die Blüten der Pflanzen aufzusuchen und ihnen den Nektar oder andere Blütenprodukte wie Pollen zu entnehmen. Worauf beruht diese Signalwirkung? Manchmal müssen die Tiere erst im Laufe der Zeit durch wiederholte Erfahrungen lernen, dass bestimmte Signale von attraktiven Nahrungsquellen ausgehen. In anderen Fällen aber zielen leuchtende Blütenfarben und Duftstoffe auf genetisch bedingte Instinkte. Dann werden die Tiere durch eine angeborene Veranlagung dazu veranlasst, diesen Signalen so lange zu folgen, bis sie die Blüten vor sich haben.

Cytinus visseri und ihre nächtlichen Besucher

Einen solchen zielgenauen Mechanismus haben Stefan Dötterl und seine Kollegen jetzt bei der Pflanzenfamilie der Cytinaceae beobachtet. Diese malvenartigen Pflanzen sind Parasiten, die über kein eigenes Chlorophyll verfügen und daher keine eigene Photosynthese betreiben können. Deshalb entnehmen sie alle lebenswichtigen Nährstoffe ihren Wirtspflanzen. Sie leben in den Wurzeln ihrer Wirtspflanzen, und nur die Blütenstände werden außerhalb des Wirtes gebildet. Eine vergleichsweise seltene Art ist Cytinus visseri, die nur in einigen südafrikanischen Regionen vorkommt. Hier wächst sie meistens unter einem dichten Gestrüpp von Strohblumen verborgen, von denen sie sich unterirdisch ernährt. In den späten Nachmittagsstunden enthalten ihre männlichen und weiblichen Blüten reichliche Mengen eines süßlichen Nektars.

Überraschenderweise sind es aber keine Insekten oder Vögel, die diese Blüten bestäuben. Ausschließlich Säugetiere, vor allem Mäuse und Elefantenspitzmäuse, werden vom Duft der Cytinus visseri angezogen. Für sie ist der Nektar eine willkommene Nahrungsquelle. Die Elefantenspitzmäuse haben einen kleinen Rüssel, mit dem sie die Blütenblätter zurückklappen, so dass sie an den Nektar herankommen. Die ungewöhnlichen Besucher dabei zu beobachten, ist für die Forscher nicht einfach: „Sie kommen nur in den Nachtstunden angekrochen, um den Nektar herauszulecken“, berichtet Stefan Dötterl. „Die Kollegen mussten Fallen aufstellen, um wenigstens einige dieser Tiere am nächsten Morgen in Augenschein nehmen zu können. Aber oftmals haben Fußspuren auf diese nächtlichen Besuche hingewiesen.“

Analysen der Duftstoffe und ihrer Signalwirkungen

Was macht den Blütenduft von Cytinus visseri so attraktiv? Am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth wurde der streng nach altem Plastik riechende Duft analysiert. Mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie konnten mehr als 30 Substanzen nachgewiesen werden. Nur zwei dieser Stoffe kommen in größeren Mengen vor. Es handelt sich dabei um leichtflüchtige, aliphatische Ketone. Der eine Stoff, das 3-Hexanon, löst jedenfalls bei Mäusen ein angeborenes Verhalten aus: Instinktiv wollen die geruchsempfindlichen Tiere der Duftquelle auf die Spur kommen. Der andere Stoff, das 1-Hexen-3-on, ist für den strengen Geruch verantwortlich. Er würde für sich genommen die Mäuse abschrecken. In Verbindung mit dem 3-Hexanon bleibt dieser Effekt jedoch aus.

Wie das 3-Hexanon auf Elefantenspitzmäuse wirkt, ist bisher noch nicht nachgewiesen worden. Auffallend ist aber, dass auch sie im Labor äußerst ungeduldig werden, sobald sie den Duft von Cytinus visseri riechen. Mit den Hinterbeinen stampfen sie auf den Boden, selbst wenn sie die Pflanzen nicht sehen können. Daher liegt die Vermutung nahe, dass das 3-Hexanon auch bei ihnen ein instinktives Verhalten auslöst.

Weshalb gehen die Forscher davon aus, Mäuse würden das 3-Hexanon nicht etwa aus Erfahrung, sondern aufgrund eines angeborenen Instinkts mit wohlschmeckender Nahrung in Verbindung bringen? Der Grund: Die im Labor untersuchten Mäuse stammen aus Regionen, in denen die Pflanzenfamilie der Cytinaceae unbekannt ist. Sie reagieren auf das 3-Hexanon mit begieriger Unruhe, obwohl sie niemals mit dem Nektar dieser Pflanzen in Kontakt gekommen sind. Folglich kann ihr Verhalten nicht darauf beruhen, dass sie aus Erfahrung gelernt haben.

Hinweise auf evolutionäre Entwicklungen

Die Forschergruppe mit Stefan Dötterl hat mit ihren Untersuchungen einen weiteren wichtigen Beleg dafür liefern können, dass es im Pflanzenreich keineswegs Zufall ist, welche Blüten von welchen Tieren bestäubt werden. Denn die bisher bekannten Duftstoffe von Pflanzenarten, die eine starke Anziehungskraft auf Insekten ausüben, unterscheiden sich grundlegend von Pflanzenarten wie der Cytinus visseri, die nur von Mäusen und Elefantenspitzmäusen bestäubt wird. 3-Hexanon ist aber auch von Pflanzen bekannt, die von Fledermäusen bestäubt werden. Ob auch sie durch diesen Stoff angelockt werden, ist noch unklar. Die Forscher vermuten aber, dass sich über Jahrtausende in verschiedensten Pflanzengruppen unabhängig voneinander Signale für die Anlockung von Säugetieren entwickelt haben.

Veröffentlichung:

Steven D. Johnson, Priscilla M. Burgoyne, Lawrence D. Harder and Stefan Dötterl,
Mammal pollinators lured by the scent of a parasitic plant,
in: Proceedings of the Royal Society B, published online in advance of the print journal.
DOI-Bookmark (Link): 10.1098/rspb.2010.2175

Videosequenz:
Eine Video mit der Elefantenspitzmaus ist im "Data supplement" des o.g. Beitrags zur Ansicht frei:
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/early/2011/01/05/rspb.
2010.2175/suppl/DC1

Ansprechpartner für weitere Informationen:
PD Dr. Stefan Dötterl
Universität Bayreuth
Lehrstuhl für Pflanzensystematik
D-95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55 2466
Fax: +49 (0)921 55 2786
E-Mail: stefan.doetterl@uni-bayreuth.de

Christian Wißler | Quelle: Universität Bayreuth
Weitere Informationen: www.pflanzensystematik.uni-bayreuth.de