Ein-Euro-Jobs sind in Hamburg out. Erwerbslose und Rentner können sich jetzt aber kurzzeitig verdingen - für maximal einen Fünfer pro Tag

Bild
© Julian Stratenschulte/dpa - BildfunkLaub harken, jäten, Müll entsorgen: Im Hamburger Projekt »Tagwerk« alles ganz freiwillig und zur Erprobung der eigenen »Arbeitsfähigkeit« gedacht
Sie pflegen öffentliche Grünanlagen, jäten Unkraut in Kindertagesstätten, säubern die Elbufer oder sammeln Müll. Am Ende eines Arbeitstages gibt es Geld: Einen Euro für jede geleistete Stunde, maximal fünf Euro in bar auf die Hand. Für jene, die dabeisein wollen - oder müssen - , öffnet der »Arbeitsladen« des Vereins »Mook wat« im Hamburger Viertel Dulsberg um sechs Uhr morgens seine Pforten. Erst gibt es Frühstück, dann wird die Arbeit zugeteilt.

Das Projekt »Tagwerk« läuft bereits seit Februar. Neben »Mook wat« (zu hochdeutsch: »Mach was«) bieten sieben weitere Träger derlei Beschäftigung in verschiedenen Stadtteilen an, wie die Dulsberger Projektleiterin Dörte Berger gegenüber jW berichtete. An der Hamburgischen Bürgerschaft und den einzelnen Bezirksversammlungen sei die Planung für dieses Programm komplett vorbeigegangen, beklagt die Linke-Abgeordnete Inge Hannemann. Sie habe zufällig davon erfahren und beim Senat nachgefragt, berichtete sie am Donnerstag im Gespräch mit jW.

Nach dessen Angaben hält der Verein »Mook wat« 30 Tagesjobs vor. Gedacht seien diese vorrangig für »besonders arbeitsmarktferne Arbeitslose« bzw. »Hartz-IV-Berechtigte mit vielfältigen Vermittlungshemmnissen«, heißt es in der Antwort der Behörde in bestem Amtsdeutsch. Als solche gelten Suchtprobleme, Krankheit, Obdachlosigkeit - oder Kinder. Daneben könnten sich sonstige »einkommensschwache Bedürftige« verdingen. »Das Projekt soll einen niederschwelligen offenen Einstieg in weitergehende beschäftigungsfördernde Maßnahmen oder Hilfen bieten«, erklärt der Senat. Und: Die »einfach strukturierten Tätigkeiten« erforderten keine Vorkenntnisse. So könnten Projektteilnehmer »ihre Arbeitsfähigkeit erproben und ausbauen sowie ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten (re)aktivieren«. Sie sollten sich »eine Tagesstruktur aufbauen und ihre persönliche Einstellung zur Arbeit verändern«. Erhebungen über letztere legen die Regierenden allerdings nicht vor.

Laut Senat ist das Anheuern als Tagelöhner im Rahmen des Projekts freiwillig. Das Jobcenter verhänge bei Ablehnung des Angebots keine Sanktionen. Nach ihren jahrelangen Erfahrungen als Arbeitsvermittlerin im Jobcenter »team.arbeit« in Hamburg-Altona will Hannemann aber nicht recht daran glauben. Tatsächlich müssen Hartz-IV-Bezieher ihre Teilnahme mit dem Amt abstimmen, wie Dörte Berger von »Mook wat« erklärt. »Das wird in die Eingliederungsvereinbarung der Teilnehmer aufgenommen«, weiß sie. Dabei handelt es sich um Verträge, die Auflagen für die Erwerbslosen und die Verpflichtung des Jobcenters festlegen, bestimmte Hilfen bereitzustellen. Ersteren drohen bei Nichteinhaltung Rechtsfolgen, sprich: Leistungskürzungen zwischen zehn und 100 Prozent.

Hannemann kritisiert, dass die Stadt »Mittellose missbraucht, statt teurere Gartenbaufirmen zu beauftragen«. Die Neuauflage der Tagesjobs - in der Vergangenheit gab es bereits ähnliche Projekte in Hamburg - führt sie zum einen auf »massiven Abbau der Ein-Euro-Jobs« zurück. Für diese zahlt die Stadt eine sogenannte Mehraufwandsentschädigung von 1,40 Euro pro Stunde. Der Grund für den Rückgang sei, dass die meisten der vergebenen Jobs »nicht, wie vorgeschrieben, als zusätzlich eingestuft« werden konnten, erklärt Hannemann. Denn eigentlich dürfen mit diesen Jobs keine bisher regulären Stellen ersetzt werden. Dörte Berger bestätigt: »Die Ein-Euro-Jobs in dem Bereich wurden nicht verlängert.« Das habe ihren Verein »fast in den Ruin getrieben«, klagt sie. Für die neuen Jobs bekomme dieser nun weniger Geld. Der Senat nennt für 2015 eine Summe von 126.375 Euro, die für »Tagwerk« bereitstehen. Davon fließen nach Angaben von Berger bei einer Auslastung von etwa 85 Prozent rund 30.000 Euro in die Aufwandsentschädigungen für die Beschäftigten.

Zweitens vermutet Hannemann, die Stadt wolle einen billigen Ausgleich für zuletzt ebenfalls reduzierte sogenannte PPM-Hilfen (personenbezogene psychiatrische Maßnahmen) schaffen. In diesen werden unter anderem Suchtkranke pädagogisch und durch Arbeitsangebote betreut. »Letztlich versucht die Stadt mit allen Mitteln, auf Kosten der Armen zu sparen«, ist Hannemann überzeugt. Sie erinnert an 512 »Null-Euro-Jobs«, die das Hamburger Jobcenter seit Dezember 2014 vergeben hat. Das sind bis zu neunmonatige unentgeltliche »Qualifizierungsmaßnahmen« in städtischen Betrieben.