Die Beziehungen zwischen Russland und China treten in eine „historisch beispiellose“ Phase ein. Zu diesem Schluss gelangt der russische Auslandsexperte Fjodor Lukjanow. Er kommentiert die umfassenden politischen und wirtschaftlichen Kooperationspläne, die beim jüngsten Moskau-Besuch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping besiegelt wurden.

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Lukjanow schreibt in einem am Mittwoch veröffentlichten Gastbeitrag für die „Rossijskaja Gaseta“: „Wenn man den Inhalt der verabschiedeten Erklärungen zusammenfasst, streben Russland und China eine Neugestaltung Eurasiens an. Entwicklungs-Impulse und Initiativen sollen dabei nicht mehr, wie gewohnt, von Westen nach Osten kommen, sondern umgekehrt. Asiens rasanter Aufschwung, der sich bisher im Pazifikraum vollzogen hat, bekommt endlich eine kontinentale Ausrichtung. Hier sind alle Staaten an großen Infrastruktur-Projekten interessiert, um sich selbst soziale und wirtschaftliche Impulse zu geben.“

Die eigenen Entwicklungs-Interessen Russlands und Kasachstans entsprechen laut Lukjanow Chinas Bestrebung, einen Korridor in Richtung der europäischen Märkte aufzubauen. Vor diesem Hintergrund sieht der Experte Chancen darauf, dass die Konkurrenz zwischen Russland und China in Zentralasien keine allzu drastischen Formen annimmt: Die Region wird dann zu einem Mittel, solche konkreten Aufgaben zu lösen, die für alle aktuell sind.

Hürden auf diesem Weg. Die kürzlich gegründete Eurasische Wirtschaftsunion (Russland, Kasachstan, Weißrussland, Armenien) brauche einen Integrations-Durchbruch, um ihren Ambitionen zu entsprechen. Sie brauche eine feste institutionelle und Rechtsgrundlage. Dieser postsowjetische Zusammenschluss sei für China als möglicher Garant der Spielregeln interessant - aber nur in dem Fall, wenn die Mitgliedstaaten miteinander nicht zanken.

Die sich verändernde Architektur Eurasiens wird die USA nicht begeistern. Obwohl wir in einer globalen Epoche leben, sind die Anfangsgründe der Geopolitik nicht zu vergessen. Demnach dürfen die USA nicht zulassen, dass in Eurasien Staaten oder Zusammenschlüsse entstehen, die Amerika herausfordern könnten. Russland und China, die ihre Interessen haben, nehmen (wenn auch unterschiedlich) Europa ins Visier, d.h. einen integralen Bestandteil der transatlantischen Gemeinschaft. Vor diesem Hintergrund wird man in Washington die entstehende Initiative aufmerksam beobachten“, prognostiziert der Experte.

Er mahnt, Russland müsse seine Annäherung mit China nüchtern betrachten. In absehbarer Zukunft habe Peking keine Pläne für eine militärpolitische Allianz mit Moskau. Auch die Beziehungen mit den USA seien für China äußerst wichtig. So sei die globalisierte Welt - für sie seien keine reinen Konfrontationen typisch. Alle Großmächte seien auf der Suche nach einer richtigen Balance zwischen Rivalität und Kooperation.

Lukjanow schreibt zum Schluss: „Das russisch-chinesische Verhältnis tritt in eine neue Phase ein, die historisch beispiellos ist. In dieser Phase wären Bemühungen von Experten wichtig. Man braucht ein nüchternes Kalkül, die Fähigkeit, den Kooperationspartner zu verstehen, aber auch Phantasie, um gegenseitig nutzbringende Entscheidungen zu treffen.“