Viele Patienten fühlen sich beim Arzt abgefertigt
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Viele Patienten beklagen sich darüber, dass sie sich bei ihrem Arzt nicht gut aufgehoben fühlen. Häufig sind Zeitmangel und das Fachchinesisch der Ärzte die Ursache. Auf dem Deutschen Ärztetag in Frankfurt sind sich viele Mediziner einig: Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient muss besser werden. Eine Herausforderung für alle Beteiligten angesichts der wenigen Zeit, die für ein Gespräch beim Arzt zur Verfügung steht.

Viele Ärzte gehen aus Zeitmangel nicht auf die Probleme des Patienten ein

Die Sprechstundenhilfe ruft den Namen des Patienten auf und führt ihn in das Behandlungszimmer, nachdem er bereits 50 Minuten im Wartezimmer gewartet hat. Der Patient setzt sich auf den ihm zugewiesenen Stuhl und wartet weitere 10 Minuten bis der Arzt das Zimmer betritt. Auf die Frage des Allgemeinmediziners, was ihm fehle, antwortet der Patient, dass er sich seit Wochen schlapp und abgeschlagen fühle. Statt dem Problem auf den Grund zu gehen, schreibt der Arzt den Mann für drei Tage krank und rät ihm „sich mal was Gutes zu tun“. Auf die Frage, was denn die Ursache des Krankheitsgefühls sein könnte, antwortet der Arzt schon halb aus der Tür des Behandlungszimmers getreten, dass häufig Stress die Ursache sei. Zur Sicherheit würde er noch ein großes Blutbild machen. Und schon ist er weg - beim nächsten Patienten. Die Arzthelferin nimmt noch kurz Blut ab und verabschiedet den Mann mit den Worten: „Wir melden uns, falls etwas sein sollte.“

Wenn der Arzt spricht, verstehen Patienten oft nur “Fachchinesisch”

Arztbesuche wie diesen sollte es eigentlich nicht geben. Der Patient ist genauso ratlos wie vorher und fühlt sich nicht gut aufgehoben bei seinem Arzt. Auch wenn dem Patienten zumindest auf den ersten Blick nichts ernstes fehlt, vermutete der Allgemeinmediziner eine psychische Ursache - Stress - als Grund für das Unwohlsein des Patienten. Doch darauf ging er in dem Gespräch kaum ein.

Schlechte Kommunikation zwischen Arzt und Patient geht auch nicht schneller

Mittlerweile sehen auch die Ärzte das Problem. Aus Zeitmangel werden viele Gespräche abgekürzt, die wichtig für den Patienten wären. Auf dem Deutschen Ärztetag, der am heutigen Freitag endet, diskutieren Mediziner unter anderem darüber, wie sie ihre Kommunikation mit dem Patienten trotz wenig Zeit verbessern könnten.

„In der ärztlichen Kommunikation bestehen Defizite”, erläutert Prof. Ulrich Schwantes im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Ärzte würden ihre Patienten Studien zufolge im Schnitt nach elf bis 24 Sekunden unterbrechen. Ließen sie den Patienten ausreden, würde dieser durchschnittlich 60 bis 100 Sekunden benötigen, um alles zu sagen, was ihm im Hinblick auf seine Beschwerden wichtig erscheine. Folglich fühlt sich nur gut jeder Dritte hierzulande gut von seinem Arzt über Chancen, Risiken und Alternativen zur Behandlung informiert, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) kürzlich bestätigte. Lediglich 36 Prozent der insgesamt 2001 Umfrageteilnehmer erklärten, dass sie mit dem Arztgespräch zufrieden waren, als bei ihnen das letzte Mal eine ernstere medizinische Behandlung bevorstand.

„Wenn Sie gezwungen sind, schneller zu werden, können Sie die Behandlung nicht abkürzen, aber Sie können kürzer mit dem Patienten reden”, erläutert der Vizepräsident der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB), Andreas Botzlar, gegenüber der Nachrichtenagentur.

Kommunikation zwischen Medizinern ist ebenfalls häufig problematisch

„Da steht viel auf dem Spiel”, sagt MB-Chef Rudolf Henke der Agentur. „Zentral ist, dass wir Ärzte uns als Menschen nicht ersetzen lassen dürfen durch eine immer technisiertere und spezialisiertere Medizin.” Seiner Erfahrung nach geht schlechte Kommunikation auch nicht schneller.

Häufig sei aber auch die Kommunikation zwischen Medizinern „ein echtes Problem”, berichtet Andreas Hellmann von der Landesärztekammer Bayern im Gespräch mit der Agentur. „Die arbeitsteilige Behandlung von Patienten führt zu Kommunikationsbrüchen mit unabsehbaren Folgen für die Patientenversorgung.”

Der Präsident der Bundesärztekammer, Ulrich Montgomery, sieht ein weiteres Problem darin, dass einige ausländische Mediziner nur mangelhafte Deutschkenntnisse hätten. Da sich die Zahl der Ärzte, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, stetig erhöht, könnte sich auch das Sprachproblem weiter verschärfen. „Fachchinesisch und mangelnde Deutschkenntnisse. Daraus besteht die toxische Mischung, die viele Patienten Tag für Tag von der Ärzteschaft in Deutschland gereicht bekommen”, kritisiert Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz gegenüber der Nachrichtenagentur. „Mittlerweile werden bundesweit Patientenseminare angeboten, damit die Betroffenen ihren Arzt verstehen. Das ist verkehrte Welt.”

Schwantes zufolge müsse Kommunikation endlich „zentraler Bestandteil in Aus-, Weiter- und Fortbildung werden”. Zudem gehe es auch „um eine bestimmte Haltung: Respekt, Akzeptanz, Empathie”.

Die Initiative „www.washabich.de“ der Universität Dresden, die sich auf dem Deutschen Ärztetag präsentierte, bietet eine Lösung für Patienten an, die Probleme mit dem Fachchinesisch der Mediziner haben. Bereits 20.000 Mal übersetzen mitarbeitende Studenten seit 2011 Ärztelatein in normales Deutsch, das für Laien verständlich ist.

(ag)