
Diese Aufnahme des langlebigen Sturmgebietes über dem Nordpol des Saturn kombiniert mehrere im infraroten Spektralbereich aufgenommene Einzelaufnahmen des Visual and Infrared Spectrometer (VIMS), einem der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Raumsonde Cassini. Die zugrunde liegenden Einzelbilder wurden im Oktober und November 2006 angefertigt.
Umgeben ist dieses Sturmgebiet von einer Wolkenstruktur, welche die Form eines nahezu regelmäßigen Sechsecks aufweist. Die dort befindlichen Wolken bewegen sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Stunde. Das anscheinend mehrere 100 Kilometer tiefe Hexagon wurde erstmals in den Jahren 1980 und 1981 von den Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 abgebildet und konnte mittlerweile von der Saturnsonde Cassini, welche den Ringplaneten seit dem Sommer 2004 bereits 149 mal umrundet hat, ausführlicher untersucht werden. Im sichtbaren Licht erscheinen die Wolken innerhalb der Formation dunkler als außerhalb. Mehrere Wolkenbänder begrenzen das Sechseck.
Auch über dem Südpol befindet sich ein ortsfestes Sturmgebiet mit einem Durchmesser von etwa 8.000 Kilometern. Das deutlich ausgeprägte Auge dieses hurrikanähnlichen Wirbelsturms ist von 30 bis 75 Kilometer hoch aufragenden Wolkenstrukturen umgeben. Die von der Raumsonde Cassini gewonnenen Daten zeigen, dass dieser Sturm mit einer Geschwindigkeit von 550 Kilometern pro Stunde im Uhrzeigersinn um den Südpol des Saturn rotiert.
"Dies sind wirklich massive Wirbelstürme - hunderte Male stärker als die meisten Zyklone oder Hurrikans auf der Erde", so Kevin Baines, ein an der Cassini-Mission beteiligter Wissenschaftler vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/ Kalifornien.
Doch durchschnittlich einmal pro Saturnjahr, also etwa alle 30 Erdjahre, gerät die Atmosphäre des Saturn aufgrund der stark ausgeprägten Jahreszeiten während des dann dort herrschenden Frühlings auf der nördlichen Planetenhemisphäre in zusätzlichen Aufruhr. In den unteren Wolkenschichten des Planeten entsteht in dieser Zeit eine Störung, welche so stark wird, dass sie nicht nur verhältnismäßig kurzzeitige und punktuell auftretende Auswirkungen hat, sondern vielmehr die Atmosphäre des gesamten Planeten beeinflussen kann. Dies äußert sich in der Bildung gigantischer Sturmgebiete über den mittleren nördlichen Breiten, welche sich auf Fotoaufnahmen als helle Zonen erkennen lassen und im Gegensatz zu den "normalen" Saturnstürmen in den mittleren Breiten über mehrere Monate hinweg aktiv sind. Erstmals konnte dieses Phänomen im Dezember 1876 von dem US-amerikanischen Astronomen Asaph Hall beobachtet werden. Weitere Stürme wurden in den Jahren 1903, 1933, 1960 und schließlich im September 1990 registriert.

Das neue Sturmgebiet auf dem Saturn. Zum Aufnahmezeitpunkt am 24. Dezember 2010 betrug die Entfernung zwischen Cassini und Saturn 1.793.711 Kilometer. Für die Aufnahme wurden die Filter CB-2 und CL-2 der ISS-Kamera der Raumsonde benutzt.
Unter anderem ergriff ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Leigh N. Fletcher von der University of Oxford die bisher einmalige Gelegenheit, mittels der Beobachtung durch erdgebundene Großteleskope und den zusätzlich zur Verfügung stehenden Messdaten der Raumsonde Cassini, nähere Einblicke in die Entwicklung eines solchen Sturmes zu erhalten. Die Wissenschaftler benutzten für ihre Beobachtungen die Infrarotkamera VISIR am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile sowie die Beobachtungsdaten des Composite Infrared Spectrometer (CIRS), einem abbildenden Infrarotspektrometer an Bord von Cassini.
Die von diesem Instrument detektierte Wärmestrahlung erlaubt zum Beispiel Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der beobachteten Materie. Es war das erste Mal in der Geschichte der Saturnforschung, dass ein so großes und andauerndes Sturmgebiet mittels der Untersuchung der ausgehenden Infrarotstrahlung erforscht werden konnte. Dabei konnten die beteiligten Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse über die im Inneren des Sturms vorherrschenden Bedingungen gewinnen und unter anderem die Temperaturen, die vorherrschenden Winde und die atmosphärische Zusammensetzung bestimmen.

Der aktuelle Saturnsturm im sichtbaren Licht (links) und in zwei Aufnahmen, welche im infraroten Wellenbereich erzeugt wurden. Die linke Aufnahme stammt von dem Amateurastronomen Trevor Berry aus Australien. Die mittlere Aufnahme zeigt die unteren, die rechte Aufnahme dagegen die oberen Schichten der Saturnatmosphäre durch das VISIR-Instrument am VLT der ESO. Alle drei Bilder wurden am 19. Januar 2011 angefertigt.
Mit den Daten den beiden Instrumente konnte das Sturmgebiet im nahen und mittleren Infrarotbereich untersucht werden. Die Messdaten des CIRS-Spektrometers deckten dabei einen Wellenlängenbereich zwischen fünf und 200 Mikrometern ab. Die VLT-Beobachtungen beschränkten sich auf den Bereich zwischen sieben und 20 Mikrometer. In diesem Wellenlängenbereich lässt sich die Atmosphäre des Saturn in einem Druckbereich zwischen 70 Millibar und 3 Bar und somit wesentlich tiefer, als es im sichtbaren Licht möglich wäre, erforschen. Zudem erlauben die Daten auch die Erkundung der höhergelegenen Stratosphäre im Druckbereich zwischen 0,5 und 20 Millibar.
"Unsere Beobachtungen haben gezeigt, dass der gegenwärtig auftretende Sturm einen deutlich nachweisbaren Einfluss auf die gesamte Saturnatmosphäre ausübt. Energie wird freigesetzt und zusammen mit den Gasmassen über große Strecken transportiert. Dabei werden die normalerweise vorherrschenden Windströmungen verändert und es bilden sich windende Jetstreams und riesengroße Wirbel. Durch diesen Prozess wird auch die jahreszeitlich bedingte Entwicklung der Saturnatmosphäre gestört", so Glenn Orton vom JPL, ein weiteres Mitglied des Teams, welches den Sturm in den vergangenen Monaten ausführlich untersucht hat.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte der Sturm seinen Ursprung in den tiefer gelegenen Schichten des Saturnatmosphäre, welche sich mit einem Anteil von rund 93 Prozent hauptsächlich aus Wasserstoff zusammensetzen. Vergleichbar mit dem Verhalten der erwärmten Luft in einem beheizten Raum, welche nach oben aufsteigt, drängen auch auf dem Saturn wärmere Gasmassen aus den tiefer gelegenen Atmosphärenschichten nach oben und durchdringen dabei die sonst eher ruhigen Bereiche der äußeren Atmosphäre.
Die aufwallenden Gasmassen führen in den oberen Atmosphärenschichten zu einer deutlichen Temperaturänderung. Die dadurch auftretenden Störungen treten mit den vorherrschenden ostwärts und westwärts gerichteten Windströmungen in eine Wechselwirkung und werden dabei in die Länge gezogen. Das sich bildende Sturmgebiet setzt Energie frei, welche mit den zugehörigen Gasmassen um den gesamten Planeten transportiert wird. Durch diesen Prozess erfolgt eine Beeinflussung der in der Saturnatmosphäre auftretenden Jetstreams. Die auftretenden Wirbel sind sogar in kleineren Amateurfernrohren deutlich erkennbar.

Diese Falschfarbenaufnahme des Saturn zeigt die dortige Verteilung von Wolken, welche sich aus Partikeln aus Ammoniakeis zusammensetzen. Das Ammoniak wurde durch die dort gegenwärtig vorherrschenden Luftströmungen aus tieferen Atmosphärenschichten etwa 50 Kilometer in die Höhe befördert und kondensierte dort zu den Eispartikeln. Diese Aufnahme wurde am 24. Februar 2011 mit
"Glücklicherweise wurden uns von der ESO für den Beginn des Jahres 2011 sowieso Zeiten für Saturnbeobachtungen genehmigt. Diese Beobachtungen durften wir vorverlegen, um den Sturm nach seiner Entdeckung so schnell wie möglich beobachten zu können. Ein weiterer Glücksfall war, dass Cassinis CIRS-Instrument den Sturm zur selben Zeit ebenfalls beobachten konnte. Uns standen somit Bilder vom VLT und spektroskopische Daten von Cassini zur Verfügung, die wir miteinander vergleichen konnten", so Leigh N. Fletcher.

Die Temperaturmessungen von Cassini heben die "stratosphärischen Leuchtfeuer" in der Stratosphäre des Saturn bei unterschiedlichen Höhen hervor. Die roten Bereiche kennzeichnen höhere Umgebungstemperaturen als die blauen Bereiche.
"Natürlich setzen wir unsere Beobachtungen dieses für unsere Generation wahrscheinlich einmaligen Ereignisses derzeit weiter fort", so Leigh N. Fletcher zu der weiteren Vorgehensweise. Nach wie vor ist nämlich zum Beispiel unklar, warum solche Stürme auf dem Saturn nur während des nördlichen Frühlings auftreten. Eine mögliche Erklärung wäre die Äquatorneigung des Ringplaneten. Der Äquator des Saturn ist mit einem Wert von 26,73 Grad sehr stark gegenüber der Umlaufbahn geneigt. Dies hat zur Folge, dass auch die Effekte der Jahreszeiten sehr deutlich ausgeprägt sind. Es erscheint allerdings fraglich, ob dies für eine vollständige Erklärung der Bildung der Frühjahrsstürme ausreicht.

Eine Zusammenstellung verschiedener Aufnahmen des Sturmgebietes, welches sich über dem Südpol des Saturn befindet. Die Aufnahmen, welche in verschiedenen Wellenlängenbereichen erstellt wurden, konnten alle am 11. Oktober 2006 von der Raumsonde Cassini aus einer Entfernung von rund 340.000 Kilometern angefertigt werden.
Ein weiteres Team, geleitet von Kevin Baines vom JPL, ist gegenwärtig damit beschäftigt, die Daten eines weiteren Instrumentes der Raumsonde Cassini auszuwerten. Durch eine erste Sichtung der Messdaten des Visual and Infrared Spectrometer (VIMS) kann bisher bestätigt werden, dass der aktuelle Sturm extrem heftig ausfällt und deutlich mehr Material aus den tieferen Atmosphärenschichten in die obere Atmosphäre befördert als alle zuvor beobachteten Sturmgebiete. Indikatoren dieser Luftvermischung sind unter anderem die registrierten Mengenanteile von Ammoniak, Azetylen und Phosphorwasserstoff. Die an den Untersuchungen beteiligten Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch weitere Datenauswertungen schon bald ein noch aussagekräftigeres Gesamtbild gewonnen werden kann.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse von Fletcher et al. wurden am 19. Mai 2011 unter dem Titel "Thermal Structure and Dynamics of Saturn’s Northern Springtime Disturbance" in der Fachzeitschrift Science publiziert.