Alles an der aktuell grassierenden Durchfallerkrankung sei ungewöhnlich, sagen Epidemiologen über die EHEC-Infektionen: der Betroffenenkreis, die Schwere der Erkrankung, die unbekannte Ursache.

EHEC-Bakterien
© dpaMittels eines Elektronenmikroskops erstelltes Foto von EHEC-Bakterien
Das EHEC-Bakterium ist eigentlich ein alter Bekannter: Immer wieder gerät es ins Zentrum der Aufmerksamkeit, weil es Durchfallerkrankungen auslöst. So kontaminiert das „Enterohämorrhagische Escherichia coli“ häufig auch Gewässer, Badeteiche beispielsweise oder Seen mit geringem Wasseraustausch, wenn verunreinigte Düngemittel ins Wasser gelangen und Badegäste Wasser schlucken.

Doch dieses Mal ist alles anders. „Wir haben eindeutig eine ungewöhnliche Situation“, sagt Epidemiologe Gérard Kraus vom Robert Koch-Institut (RKI). Denn eigentlich sind die Folgen einer Infektion mit EHEC für ansonsten gesunde Menschen eher lästig als gefährlich. Das gilt selbst, wenn es sich bei dem Erreger um einen gefährlichen Typ der verbreiteten Darmbakterien der Escherichia-Coli-Familie handelt: Auf die Ansteckung folgen Durchfall und Erbrechen, bis der Erreger ausgeschieden ist. Danach hat der Spuk ein Ende. Nicht so im aktuellen Fall.

Lebensgefährliche Komplikationen

Inzwischen haben sich mindestens 80 Menschen mit EHEC infiziert, vielen von ihnen geht es so schlecht, dass sie auf der Intensivstation liegen: Zu den typischen Magen-Darm-Symptomen gesellte sich in mehreren Fällen das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS). Es kann in einer blutigen Darmentzündung, Blutarmut durch den Zerfall roter Blutkörperchen, einem Mangel an Blutplättchen und im Nierenversagen gipfeln und damit lebensgefährlich werden. Üblicherweise verläuft die Krankheit für zehn bis 20 Prozent der HUS-Infizierten schwer.

Bislang fürchteten Mediziner diese Komplikation vor allem bei Kindern, die auf EHEC oft besonders heftig reagieren. 2010 beispielsweise wurden dem Robert-Koch-Institut 65 HUS-Fälle gemeldet, nur sechs von ihnen waren älter als 18 Jahre. Zwei davon starben. Doch im aktuellen Fall sind besonders Frauen zwischen 19 und 55 Jahren betroffen - warum, ist auch nach Angaben des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit noch nicht abschließend geklärt.

Eine Theorie lautet, dass Frauen häufiger als andere kochen und damit mit rohen, kontaminierten Lebensmitteln in Berührung kommen. Experten vermuten, dass es sich dabei um Gemüse handelte. Doch eine genaue Spurensuche gestaltet sich momentan noch schwierig, da es den meisten Frauen zu schlecht geht, um einen detaillierten Speiseplan der Tage vor Krankheitsbeginn zu erstellen. Auch wie der Erreger - im Falle eines Falles - auf die Frischkost gekommen ist, ist unklar. Möglich wäre, dass Düngemittel mit EHEC verseucht waren. Ob alle Erkrankten aber mit dem gleichen Erreger infiziert sind, wird derzeit in Laboren überprüft. Dafür spricht, dass die Fälle seit der zweiten Maiwoche gehäuft auftreten.

Drei Tage Schonfrist

Nach durchschnittlich drei bis vier Tagen zeigen sich die ersten Symptome, spätestens nach zehn Tagen sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen normalweise bei jedem Infizierten eingetreten. Die besonders schwere HUS-Infektion zeigt sich wiederum innerhalb einer Woche nach den ersten Symptomen.

Ursprung aus dem Tierreich

EHEC wird wie alle Bakterien der Escherichia-Coli-Familie über Kot übertragen. Besonders häufig geht die Übertragungskette auf Wiederkäuer zurück, allen voran Rinder, Schafe und Ziegen. Entweder durch den direkten Kontakt zu ihnen, oder aber durch Lebensmittel wie Fleisch oder Rohmilch, gelangt der Erreger zum Menschen. Dann ist eine Weitergabe auch von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektionen möglich. Die Infektionsrate ist hoch, denn es braucht vergleichsweise wenige Bakterien, um eine Magen-Darm-Erkrankung auszulösen. Selbst wenn die Symptome abgeklungen sind, können sich die Bakterien weiter im Stuhl tummeln - bis zu mehreren Wochen kann ein Mensch, mangelhafte Hygiene vorausgesetzt, damit ansteckend sein.

Momentan sind vor allem Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Hamburg betroffen, aber auch Mecklenburg-Vorpommern und Bremen meldeten Fälle. „Der Ausbruch ist noch nicht vorbei“, sagte RKI-Experte Gérard Krause. „Wir haben die meisten Fälle im Norden, aber durchaus auch vorläufige Meldungen in Süd- und Ostdeutschland.“

Dass Gesundheitsbeauftragte so alarmiert reagieren, liegt daran, dass seit Meldepflicht der Erkrankungen noch nie so viele Infizierte registriert wurden, die noch dazu zum größten Teil aus einer klar definierten, aber untypischen Bevölkerungsgruppe stammen.

Einfache Verhaltensregeln schützen

Die Infektionskette mit EHEC lässt sich durch einfache Verhaltensregeln unterbrechen:
  • Lebensmittel gut erhitzen: EHEC ist nicht unverwundbar. Ab 70 Grad Celsius wird der Erreger abgetötet. Dazu sollten die Lebensmittel mindestens zehn Minuten auf dieser Temperatur gehalten werden.
  • Hygiene: Gründliches Händewaschen mit Seife nach der Toilette sowie nach dem Kontakt mit rohen Lebensmitteln wie Gemüse oder Fleisch bremst die Ausbreitung. Im Falle einer Infektion sind ausnahmsweise auch Desinfektionsmittel ratsam.
  • Kreuzkontaminationen: Geschirrtücher und Handtücher bei mindestens 60 Grad waschen, so dass keine Keime auf unbedenkliche Lebensmittel, Geschirr oder Arbeitsflächen übergehen. Auch das Verwenden verschiedener Schneidebretter und Messer für rohe und gare Lebensmittel schützt. Eine Reinigung der Küchenoberflächen mit 80 Grad heißem Wasser und Spülmittel tötet die Bakterien ab. Rohe Lebensmittel wie Gemüse sehr gut unter fließendem Wasser waschen.
  • Erkrankung: Bei Durchfallerkrankungen, besonders mit blutigem Stuhl, sollte ein Arzt eine Stuhlprobe zur Abklärung im Labor einschicken.