Am Anfang war der Schattenstab. Mit ihm lässt sich die Uhrzeit anhand des Sonnenstands am Himmel schätzen. Basierend auf der Astronomie der Babylonier und Ägypter wurden Tag und Nacht in je 12 Stunden geteilt. Doch diese Stunden sind übers Jahr verteilt nicht gleich lang. In Wien wäre eine Tagstunde zur Sommersonnenwende gut doppelt so lang wie zur Wintersonnenwende.
Die Menschen richteten den Schattenstab parallel zur Erdachse aus. Damit wurden die Stunden gleich lang. Dann wurden mechanische Uhren erfunden und das nächste Problem tauchte auf: 12 Uhr Mittag war nicht immer 12 Uhr Mittag. Die Erde umkreist die Sonne nach den Keplerschen Gesetzen, in Sonnennähe (Jänner) rascher als in Sonnenferne (Juli). So geht die Sonnenuhr einmal vor, einmal nach, der Unterschied macht im Jahr bis zu 16 Minuten aus. Die Räderuhren gingen genauer als das Räderwerk des Sternenhimmels.
Nicht nur der Lauf der Erde um die Sonne, auch die Rotation der Erde um ihre eigene Achse unterliegt Schwankungen. Die Gezeiten des Mondes wirken sich ebenso aus wie das Fallen der Blätter in Kanada und Sibirien im Herbst oder das Abschmelzen des Eises in der Arktis und Antarktis oder tektonische Verschiebungen.
Die Erfindung der Atomuhr bedeutete das Ende der astronomisch definierten Zeit. Bis nach 1950 war eine Sekunde der 86.400ste Teil eines mittleren Sonnentags. Doch eine Zeitskala, die sich an der Erdrotation orientiert, verläuft nicht gleichförmig. 1967 wurde die Sekunde auf Basis der Schwingungen eines Cäsium-Isotops neu definiert.
Wer "macht" die Zeit?
Basiert die Zeit auf der Erddrehung mit Bezug auf die Sonne, hat jeder Längengrad auf der Erde seine eigene Zeit. Mit dem ersten Aufkommen von Globalisierung als Folge der Eisenbahn war es nicht mehr länger praktikabel, dass jeder Ort seine eigene Zeit hat - wie sollte so ein Fahrplan erstellt werden? Im Rahmen der Internationalen Meridiankonferenz 1884 in Washington wurde die Erde in Zeitzonen eingeteilt. Für Österreich gilt die Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Heute orientieren sich die Zeitzonen nach politischen Grenzen. Viele Länder verschieben auch die Zeit gegenüber der regional üblichen Zonenzeit, entweder permanent (z.B. Iran und Indien) oder zeitweise (Sommerzeit).
In der heutigen, digital vernetzen Welt reicht die Koordinierung der Zeit aber weit über die Zeitzonen hinaus. In weltumspannenden digitalen Netzwerken müssen alle Uhren gleich ticken. Der Internationale Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (International Earth Rotation and Reference Systems, IERS) ist dafür verantwortlich.
Referenzsystem ist die TAI (Internationale Atomzeit). 60 Zeitinstitute mit mehr als 250 Atomuhren stellen die weltweit gültige exakte Zeit bereit. Da die Cäsium-Atome dieser Uhren genauer schwingen, als sich die Erde bewegt, kommt es zu Differenzen zur der aus der Erdrotation abgeleiteten UT1 (Universal Time). Da eine ungleichförmige Zeit nicht praktikabel ist, wurde die UTC (koordinierte Weltzeit) eingeführt. Sie orientiert sich an der (astronomischen) Erddrehung, basiert aber auf der Sekundendefinition der TAI.
Da sich die Erdrotation verlangsamt, ist es von Zeit zu Zeit notwendig, die UTC an die TAI anzugleichen, damit Welt- und Atomzeit nicht auseinander driften (und in einer sehr fernen Zeit etwa Mittag TAI auf Mitternacht UTC fällt). Dies erfolgt durch eine Schaltsekunde
Durch Einschieben einer Schaltsekunde wird sichergestellt, dass die Differenz zwischen TAI und UTC stets unter 0,9 Sekunden liegt. Im Mittel sind Schaltsekunden alle 18 Monate nötig. Sie werden, falls erforderlich, am 30. Juni oder 31. Dezember, theoretisch auch am 31. März, nach 23:59:59 UTC eingefügt, so dass eine Minute in diesem Fall aus 61 Sekunden besteht. Eine Uhr müsste in diesem Fall die Zeit "23:59:60" anzeigen.
Die Festlegung einer Schaltsekunde erfolgt durch IERS. Für die Umsetzung sind nationale Organisationen ver-antwortlich, in Österreich ist dies das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV). Die nächste Schaltsekunde ist für den 30. Juni 2015 vorgesehen.
Ist eine Schaltsekunde gefährlich?
Die Frage mag in unserer heutigen Zeit angesichts überbordender Verschwörungstheorien lächerlich klingen. Doch die Antwort ist: JA! Die weltweite Koordination der Zeit ist wichtig für die globale digitale Kommunikation.
Genau hier liegt das Problem: Computersysteme, die mit einer Minute zu 61 Sekunden (23:59:60 Uhr) Probleme haben, können an-gesichts einer Schaltsekunde mit Funktionsstörungen bis hin zum Ausfall reagieren, so wie dies in ähnlichen Fällen schon passiert ist. Alle Systemverantwortlichen sind daher angehalten, ihre Systeme auf diesen Fall vorzubereiten. Noch ist genug Zeit dafür. Im Gegensatz zu anderen Panikmeldungen ist die Gefahr diesmal absolut real.
Ansonsten werden wir im täglichen Leben die Schaltsekunde nicht bemerken.
DI Alexander Pikhard
Alexander Pikhard ist IT-Fachmann und seit 40 Jahren als astronomischer Volksbildner. Seine besondere Stärke liegt in der leicht verständlichen Darstellung komplizierter wissenschaftlicher Inhalte und der Fähigkeit, seine Begeisterung für Astronomie an andere weiterzugeben. Seit 1998 ist er ehrenamtlich Präsident und Mitbegründer der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA). Als selbst praktizierender Amateurastronom und Astrofotograf verfügt er über einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit Fernrohren und der Beobachtung des Himmels. Dieses Wissen fließt laufend in seine Bildungsinhalte ein.
Kommentar: Es mag vielleicht nur eine Sekunde sein, die sich die Erde langsamer dreht, doch kann das sehr viele Auswirkungen auf die Erde haben, die viele Wissenschaftler gar nicht auf ihrem Schirm haben. Zum Beispiel sind da die verstärkten Erdfälle, Erdbeben und die Vulkanaktivität die damit theoretisch im Zusammenhang stehen können.
Lesen Sie auch die ersten beiden Kapitel von dem Buch Erdveränderungen und die Mensch-Kosmos Verbindung, wo alternative und der Wirklichkeit entsprechende Theorien des Universums zur Erklärung der weltlichen Phänomene herangezogen werden: