Seit Tagen stehen vor einem Flüchtlingsheim in Freital allabendlich Demonstranten, um gegen Asylbewerber zu protestieren. Gegendemonstranten wollen die Flüchtlinge schützen. Die Stimmung ist angespannt, mehrfach gab es Angriffe auf die Unterstützer. Nun schaltet sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich ein.
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Nach tagelangen Protesten und teils gewaltsamen Auseinandersetzungen macht Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) den Streit um eine Asylbewerberunterkunft in Freital bei Dresden zur Chefsache.

Gleich nach seiner Rückkehr von einem Besuch in Brüssel wollte er sich am Donnerstagnachmittag ein Bild von der Situation in dem ehemaligen Hotel machen und von den zuständigen Stellen informieren lassen, wie die Staatskanzlei mitteilte. Die Opposition hatte der Staatsregierung und insbesondere Innenminister Markus Ulbig (CDU) vorgeworfen, durch Nichtanwesenheit in Freital ihre Aufgaben zu vernachlässigen.

Seit Montag jeden Abend Proteste

Seit Montag hatte es jeden Abend Proteste gegen die Unterkunft gegeben, nachdem die Landesdirektion dort ein Ausweichquartier für die überfüllte zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz mit knapp 300 Plätzen eingerichtet hatte. Gegendemonstranten hatten sich schützend vor die Asylbewerber gestellt.

Mehrfach gab es Angriffe auf die Unterstützer der Flüchtlinge. Unter anderem war ein Auto von mutmaßlichen Asylgegnern bedrängt und schließlich mit einem Baseballschläger angegriffen worden. Mittwochnacht waren Flüchtlingsunterstützer mit Flaschen beworfen worden. Zwei Menschen wurden leicht verletzt.

Gesamte Gesellschaft gefordert

„Die fremdenfeindliche Stimmung in Freital darf sich nicht weiter hochschaukeln“, warnte die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Petra Zais. „Die Angriffe auf die Unterstützer der Flüchtlinge sollten uns Warnung genug sein.“

Nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Henning Homann, sind die Geschehnisse in Freital nur die Spitze des Eisbergs. „Es ist beschämend, dass Menschen, die hier Zuflucht vor Krieg und Gewalt suchen, Angst vor Gewalt haben müssen“, erklärte er mit Bezug auf die insgesamt steigende Zahl der Straftaten gegen Asylunterkünfte in Sachsen. Hier sei die gesamte Gesellschaft gefordert. „Die SPD-Fraktion regt einen Anti-Gewalt-Gipfel an, der schnell und unkompliziert alle wichtigen Akteure zusammenbringt.“

Unterkunft in Freital nahezu voll belegt

Noch vor der Ankündigung des Tillich-Besuchs hatte Zais Innenminister Ulbig aufgefordert, nach Freital zu kommen und so zu „signalisieren, dass die Staatsregierung alles dafür tut, den Asylsuchenden Sicherheit zu garantieren“. Keine Innenministerkonferenz könne so wichtig sein, „dass der Innenminister seine Aufgaben in Sachsen vernachlässigt“, meinte sie zur Teilnahme Ulbigs an dem Treffen mit seinen Länderkollegen in Mainz.

Am Donnerstag war die Unterkunft in Freital nach Angaben der Landesdirektion mit 279 Flüchtlingen, die sich noch im Stadium der Erstaufnahme befinden, nahezu voll belegt. Außerdem hat der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dort weitere 100 Asylbewerber untergebracht.

Das Hotel ist nur eine von sechs Außenstellen der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz. Weitere gibt es in Grillenburg (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), Schneeberg (Erzgebirge), Böhlen (Landkreis Leipzig) sowie in Meißen und Görlitz. Insgesamt sind dort fast 3000 Flüchtlinge untergebracht.

mkro/dpa