Ein Erdbeben der Stärke 8,3 reißt die Menschen in Chile aus dem Alltag. In Städten wie Santiago und Buenos Aires laufen Anwohner in Panik auf die Straßen. Mindestens fünf Menschen kommen ums Leben. Eine Flutwelle breitet sich im Pazifik aus.

Erdbeben Chile September 2015
© n-tvSchweres Erdbeben in Chile löst Massenevakuierung aus
Ein schweres Erdbeben vor der Küste von Chile hat Tsunami-Alarm im gesamten Pazifikraum ausgelöst. Die US-Behörden gaben Warnungen für die Küsten weit entfernter Anrainerstaaten heraus. In Französisch-Polynesien könnten die Wellen bis zu drei Meter hoch werden, hieß es.

Kleinere Wellen mit bis zu einem Meter Höhe werden unter anderem an den Küsten von Mexiko, Ecuador, Peru, der Antarktis, Japan, Neuseeland, Russland und zahleichen Pazifik-Inselstaaten erwartet.

Erdbeben Tsunami Chile September 2015 earth quake
© n-tv.de / stepmap.deEin Erdbeben, das fast den halben Erdball betrifft: Die von Chile ausgehende Flutwelle breitet sich im gesamten pazifischen Ozean aus.
Das Epizentrum des Bebens lag rund 160 Kilometer nördlich der chilenischen Hafenstadt Valparaiso in einer Tiefe von 25 Kilometern. Die chilenische Regierung hatte die Küstenbewohner am späten aufgefordert, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen und höher gelegene Orte aufzusuchen. Dort konnte die Tsunami-Warnung inzwischen in einigen Regionen wieder aufgehoben werden, wie der Katastrophenschutz Onemi meldete.

Etwa eine Million Menschen an der Küste des südamerikanischen Landes mussten wegen der Tsunami-Gefahr in der Nacht ihre Häuser verlassen. Das Auswärtige Amt in Berlin rief Reisende in Chile auf, wegen des Erdbebens den Anweisungen der örtlichen Behörden "unbedingt Folge zu leisten".

Einstürzende Mauern, Erdrutsche


Die Zahl der Toten beziffert die chilenische Regierung auf mindestens fünf. Dutzende Menschen seien verletzt worden, meldeten örtliche Medien unter Berufung auf Rettungsdienste. Eine Frau starb durch eine umstürzende Mauer, eine andere bei einem Erdrutsch, wie Innenstaatssekretär Mahmud Aleuy mitteilte. Drei Männer erlagen Herzinfarkten. Mitarbeiter des Katastrophenschutzes befürchteten, dass die Zahl der Opfer weiter ansteigen könnte.

Chiles Präsidentin Michelle Bachelet erklärte die am stärksten getroffene Region Coquimbo zum Katastrophengebiet. Die Staatschefin wollte im Laufe des Tages anreisen, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.

"Und dann immer stärker"

Erdbeben Chile September 2015 earth quake
© REUTERS"Das Gebäude hat nicht aufgehört zu wackeln": Anwohner in Santiago de Chile.
Die Erdstöße erreichten nach Angaben der US-Bebenwarte USGS eine Stärke von 8,3. Die chilenischen Behörden hatten die Stärke zuvor mehrfach nach oben korrigiert, zuletzt bis auf eine Stärke von 8,4. Das Beben ereignete sich am frühen Abend (Ortszeit Chile) in einer Tiefe von elf Kilometern.

Das Hauptbeben registrierten Seismographen 55 Kilometer vor der Küste auf Höhe der Stadt Illapel, die knapp 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago liegt. Dort liefen zahlreiche Menschen in Panik auf die Straßen. In den folgenden Stunden kam es zu fünf größeren Nachbeben mit Stärken von 6,4 bis 7,0.

Das Erdbeben brachte Gebäude in der Hauptstadt Chiles ins Wanken. "Die Erschütterungen waren erst leicht und dann immer stärker", berichtete eine Einwohnerin von Santiago. In der chilenischen Hauptstadt leben 6,6 Millionen Menschen. In der nahe gelegenen Hafenstadt Valparaíso verbrachten viele Menschen aus Angst vor weiteren Nachbeben die Nacht unter freiem Himmel.

Flutwelle überrollt Coquimbo

Das Tsunami-Warnzentrum für den Pazifik veröffentlichte kurz nach dem Beben eine dringende Warnung für die gesamte Region. In unmittelbarer Nähe zum Epizentrum trafen bis zu 4,75 Meter hohe Flutwellen die Küstenstadt Coquimbo, wie die chilenische Marine mitteilte.

Lokalen Medienberichten zufolge wurde Coquimbo dabei schwer getroffen. Der Bürgermeister der Stadt berichtete nach dem Eintreffen der Flutwelle, dass Wasser in großen Teilen der Stadt stehe. Der Strom fiel aus. Kleinere Tsunami-Wellen wurden aus Valparaiso, Concon und anderen chilenischen Städten gemeldet.

Das Beben verursachte im ganzen Land großflächige Stromausfälle und beschädigte zahlreiche Straßenverbindungen. Das ganze Ausmaß der Verwüstungen ist noch unklar. Der Bürgermeister von Canela, einer Kleinstadt nordwestlich von Illapel, berichtete dem Radiosender "Bio Bio", dort seien viele Hauswände eingestürzt.

Erdbeben Tsunami Chile September 2015 earth quake
© dpaDie Erschütterungen beginnen am späten Mittwochabend (Ortszeit): In Valparaiso beobachten Anwohner aus sicherer Entfernung das Meer.
Nach dem starken Erdbeben drohten in weiten Teilen des Südpazifiks ungewöhnlich hohe Flutwellen. "Möglicherweise wurde von diesem Beben ein Tsunami verursacht, der auch an Küsten zerstörerisch sein kann, die weit entfernt vom Epizentrum sind", hieß es in einer ersten Mitteilung der US-Behörden. Auch für die US-Bundesstaaten Kalifornien und Hawaii wurden Tsunami-Warnungen herausgegeben.

Alarm in Neuseeland

Neuseeland gab eine Tsunami-Warnung für die gesamte Ostküste und die Chatham-Inseln heraus. Das Ministerium für Katastrophenschutz erwartet Wellen bis zu einem Meter Höhe. Die erste Welle müsse nicht notwendigerweise die höchste sein, warnte das Ministerium die Bevölkerung. Die Bewohner sollten nicht ins Wasser oder an die Strände gehen. In Australien gebe es keine Tsunami-Gefahr, erklärte die dortige Regierung.

In den kleineren pazifischen Inselstaaten wie Tonga und Fidschi müsse mit Wellen von bis zu einem Meter gerechnet werden, hieß es aus dem Tsunami-Warnzentrum für den Pazifik. Das näher am Epizentrum gelegene Peru - im Norden Chiles - konnte die Tsunami-Warnung bereits nach wenigen Stunden wieder aufheben. Dort fielen die Flutwellen mit nur wenigen Zentimetern über dem normalen Pegel gering aus.

Schockwellen bis nach Argentinien

Im Landesinnern war das Erdbeben weithin zu spüren. Selbst in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires brachten die Erdstöße Anwohnern zufolge Hochhäuser ins Wanken. "Wir sind in Panik geraten, das Gebäude hat nicht aufgehört zu wackeln", sagte die 65-jährige Einwohnerin Celina Atrave der Nachrichtenagentur AFP. Buenos Aires liegt auf der anderen Seite des südamerikanischen Kontinents am Südatlantik. Die Millionenstadt liegt rund 1300 Kilometer vom Epizentrum entfernt.

Laut chilenischem Innenministerium handelte es sich um das sechstschwerste Erdbeben in der Geschichte des Andenlandes. Chile liegt am sogenannten Pazifischen Feuerring. An dem hufeisenförmigen Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean umgibt, stoßen gleich mehrere Kontinentalplatten und ozeanische Platten aneinander.

Weil die Erdkruste hier ständig in Bewegung ist, wird Chile immer wieder von Erdstößen erschüttert. Für Chile war es das stärkste Beben seit über fünf Jahren. Im Februar 2010 hatten Erdstößen der Stärke 8,8 die Region getroffen. Mehr als 520 Menschen kamen damals ums Leben. Der Sachschaden belief sich damals auf umgerechnet rund 27 Milliarden Euro.


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Quelle: n-tv.de , mmo/dka/AFP/dpa/rts