hungary fence / Ungarn Zaun
© RuptlyEin mit Stacheldraht ausgerüsteter Eisenbahnwaggon versperrt die letzte Sektion von Ungarns Anti-Flüchtlingszaun nahe dem Dorf Roszke.
Vor gerade etwas über einer Woche entschied Ungarn ungefähr 12.000 Flüchtlingen die Durchreise durch das Land zu erlauben, welche auf dem Weg nach Deutschland über Österreich waren. Dies geschah, nachdem vorgeschlagen worden war, einen Zaun entlang Ungarns Grenze mit Serbien zu bauen, um mehr "illegale Grenzüberschreitungen" zu verhindern. Nun, der Stacheldrahtdrahtzaun ist jetzt fertig. Die Grenze ist nun geschlossen, früher als geplant, nachdem der Sonntag eine Rekordzahl von 5.809 in das Land einreisenden Flüchtlingen nur an diesem einen Tag erlebt hatte. Ungarns Gesamtanzahl von Grenzüberschreitungen durch Flüchtlinge in diesem Jahr wird auf etwa 190.000 geschätzt.

Aber Ungarn ist nicht das einzige Land, das in den letzten Tagen seine Grenzen geschlossen und seine Sicherheitsmaßnahmen verschärft hat. Das Schengen System der offenen Grenzen zwischen EU-Nationen scheint auseinanderzufallen.

Deutschland, welches bereitwillig den Großteil der Flüchtlinge aufgenommen hat, verstärkte diese Woche seine Grenzkontrollen, hielt Züge aus Österreich an und stationierte mehr Polizei an seinen Grenzen zu Österreich. Die Slowakei (die gesagt hatte, sie wollen nur christliche Flüchtlinge aufnehmen - sie haben anscheinend keine Moscheen) machte dasselbe an ihren Grenzen zu Ungarn und Österreich. Österreich wiederum schickte das Bundesheer an seine Grenzen. Ungarn machte dasselbe: seine Behörden planen jeden, der das Land illegal betritt, festzunehmen und einzusperren. Polizisten iin Schutzanzügen blockierten die Zuggleise, die von den Flüchtlingen benutzt wurden. Die ungarische Polizei verhaftete 9 Syrer und 7 Afghanen, die beschuldigt werden, den neuen Stacheldrahtzaun "durchbrochen" zu haben. Die Regierung hat auf Grund dieses "Problems" entschieden, den Krisenfall im Süden des Landes auszurufen. Finnland plant seine Grenzüberwachung zu verstärken; gleichzeitig ebenfalls die tschechische Republik und Polen.

Heute, am Dienstag, nach den Festnahmen in Ungarn, haben die Migranten einen Sitz-Hungerstreik begonnen.

Am Montag traf sich der EU Rat für Justiz und Inneres um "temporäre" Grenzkontrollen und eine Höchstzahl der Anzahl von Flüchtlingen, welche die EU aufnehmen würde, zu diskutieren. Frankreich und Deutschland koordinierten den Lösungsvorschlag, welcher am 8. Oktober abgeschlossen sein soll: eine festgelegt Anzahl von Flüchtlingen (120.000), welche auf alle EU Staaten verteilt werden sollen. Die EU hat auch die Militäraktion gegen von Libyen kommende Schiffe verabschiedet, um von dort aus operierende Menschenschmugglernetzwerke aufzulösen.

Gleichzeitig schlug der französische Innenminister Folgendes vor:
Der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex), welche für das europäische Grenzmanagement zuständig ist, sollte das Recht eingeräumt werden, Wirtschaftsflüchtlinge zu ihren Heimatländern zurückzuschicken ohne für sie das Recht auf Asyl vorzusehen... Frontex Beamte sollten auch mit Waffen ausgestattet werden um diesen Auftrag zu vollziehen, sagte der französische Minister Bernard Cazeneuve am Rande des Notfalltreffens in Brüssel laut Zitat von TASS.
Länderspezifische Quoten müssen noch vereinbart werden.

Im 17. Jahrhundert konnte man ohne eine einzige Grenzkontrolle oder ein Visa von Paris nach St. Petersburg reisen. Die Dinge haben sich natürlich seit damals geändert, weltweit. Doch die EU hat ganz grundsätzlich seine eigene Politik der offenen Grenzen zwischen EU Ländern beibehalten. Das verändert sich gerade. Es gibt natürlich plausible Gründe: Sprachgrenzen, kulturelle Unterschiede, Rassismus, unterschiedliche Einkommenssysteme, welche Einwohner aus ärmeren Ländern in die wohlhabenderen treibt. Aber es geschieht noch mehr. Grenzkontrollen halten nicht nur die "Unerwünschten" davon ab hereinzukommen; sie halten die Menschen davon ab hinauszukommen. Nazideutschland machte dasselbe. Je paranoider und psychopathischer die Leute sind, die das Sagen haben, desto weniger Freiheiten haben die Menschen.

In gerade mal zwei Wochen, nachdem die Flüchtlingskrise anfing die Nachrichten zu beherrschen, kristallisiert sich ein deutliches Muster heraus. Zuerst gibt es das "Problem": eine humanitäre Krise, welche jede Menge "Reaktionen" bewirkt: z.B. das Herz gewöhnlicher Bürgern mit Gewissen zu zerreißen (und die politisch nicht bewusst genug sein könnten, um zu hinterfragen, was wirklich vor sich geht). Deutschland hat die Gelegenheit guter PR ergriffen, indem es die Führung beim Willkommen heißen von Flüchtlingen übernommen hat und die anderen EU Staaten wegen ihrer stumpfen, und manchmal ziemlich offen rassistischen Antwort zu kritisieren.

Aber jetzt sehen wir einen Hinweis auf einige der "Lösungen" auf dem Tisch: geschlossene Grenzen, Verhaftungen, eine Rechtfertigung für einen frisierten Krieg in Syrien. Wir sind nur noch einen oder zwei Schritte von noch radikaleren "Lösungen" entfernt: Was tun mit all diesen Flüchtlingen, die eine Zuflucht brauchen? Tja, Konzentrationslager Flüchtlingslager natürlich! Auf eine merkwürdig symbolische Weise wurden bereits 21 Flüchtlinge in Buchenwald untergebracht, einem berüchtigten Nazi-Konzentrationslager.

Wie ich schon letzte Woche geschrieben habe, gibt es auch das Potential ganz bewusst geschaffener "Probleme", die sich aus dieser Situation ergeben. Deutschland scheint aus der Situation auszubrechen und, falls man den letzten Berichten glauben darf, könnte es sich von den USA wegbewegen und sich in seiner Haltung zu Syrien Russland anpassen, und sogar erwägen, sich einer von Russland vorgeschlagenen Anti-ISIS-Koalition anzuschließen. Man kann fast hören wie der Blutdruck im US Außenministerium in die Höhe schießt. So ist es eine sehr einfache Sache eine kleine Operation unter falscher Flagge zu inszenieren, den Mediensturm zu entfachen, und die Flammen der Furcht und Empörung des Volkes zu schüren, was dazu führt, dass die Leute lautstark fordern, dass man das Problem wieder los werde, was auch immer dafür nötig sein möge. Das ist alles schon mal passiert und es kann wieder geschehen.

Bild
Die britische Boulevardzeitung Sun machte diese Umfrage, in der 52% (angeblich) dafür gestimmt haben "Syrien jetzt zu bombardieren" ... für das Kind Aylan natürlich.